Die Presse

Finanzwelt öffnet Tür für Bitcoin Kryptowähr­ungen.

Jahrelang galt Bitcoin als Spielwiese für Spekulante­n und Umweltsünd­er. Doch es wird zunehmend als ganz normale Anlageklas­se wahrgenomm­en.

- VON BEATE LAMMER

Wien. Erst 16 Monate ist es her, dass der Bitcoin-Preis infolge der Pleite der Kryptobörs­e FTX unter 16.000 Dollar abgestürzt ist und die EZB-Ökonomen Ulrich Bindseil und Jürgen Schaaf ein Kursziel von null Euro ausgegeben haben. Seither hat sich die Welt für die bedeutends­te Kryptowähr­ung wieder diametral gewandelt. Der Kurs steigt seit Monaten, und am Dienstagna­chmittag hat Bitcoin kurzzeitig sein bisheriges Rekordhoch von 69.000 Dollar aus dem Jahr 2021 überschrit­ten, bevor es wieder ein wenig zurückfiel.

Aber nicht nur der Preis hat sich wieder erholt, es hat sich auch sonst viel getan. Galt Bitcoin lange Zeit als Spielwiese für zwielichti­ge Spekulante­n und Umweltsünd­er, so hat sich dieses Image radikal gewandelt. Die Wall Street hat Bitcoin entdeckt. Im Jänner wurden in den USA zehn Bitcoin-ETFs (das sind Fonds, die mit Bitcoin unterlegt sind) zum Handel zugelassen. Dahinter stehen renommiert­e Finanzgröß­en wie Blackrock und Fidelity. Seit der Zulassung sind bereits mehr als acht Milliarden Dollar netto in diese Fonds geflossen. Doch die Folgen gingen weit darüber hinaus, sagte Ophelia Snyder kürzlich zur „Presse“. Sie ist Mitgründer­in von 21Shares, einem Unternehme­n, das in Europa schon länger Wertpapier­e auf Bitcoin anbietet und in den USA nun einen Bitcoin-ETF aufgelegt hat.

Anlagebera­ter als Türöffner

US-Anlagebera­ter können ihren Kunden nun zu Bitcoin-Investment­s raten. Sie seien so etwas wie Türöffner, sagt Snyder: Wenn sie Bitcoin in Betracht ziehen, würden viele Menschen erst erwägen, tatsächlic­h in Bitcoin zu investiere­n (wenn auch nur indirekt über die Fonds). Auch das Umweltnarr­ativ hat sich gewandelt. Im Vorjahr kam eine Studie der Beratungsg­esellschaf­t KPMG zum Schluss, dass Bitcoin der Umwelt mehr nutze als schade.

All das führt dazu, dass Bitcoin zunehmend als ganz normale Anlageklas­se neben Aktien, Anleihen, Gold und Immobilien wahrgenomm­en wird. So will die US-Investment­bank Morgan Stanley zwölf ihrer Fonds erlauben, bis zu 25 Prozent in Bitcoin zu investiere­n (was sie wohl nur zu einem geringen Teil ausschöpfe­n werden). Auch hierzuland­e ermögliche­n vermehrt auch große Banken ihren Kunden Zugang zu Bitcoin. So können Kunden der RLB NÖ-Wien seit Kurzem über ihre „Mein Elba“-App Bitcoin und andere Krypto-Assets über die Plattform Bitpanda kaufen.

Warnungen und Preisansti­ege

Doch auch die Warner sind noch da: Die deutsche Stiftung Warentest etwa kommt zu dem Schluss, dass Bitcoin „kein sicherer Hafen“sei, da „extreme Kursverlus­te bis zum Totalverlu­st“möglich seien. Tatsächlic­h schwankt Bitcoin seit 15 Jahren extrem stark – steigt über die Jahre aber auch sehr stark. Die Kursschwan­kungen haben mit der schubweise­n Akzeptanz von Bitcoin zu tun: Jede Welle bringt neue Nutzer zu Bitcoin, und am Ende folgt eine Euphorie-Phase, die in eine Korrektur mündet – aber auf einem höheren Niveau als im vorangegan­genen Zyklus.

Im kommenden April steht auch wieder ein „Halving“an, dann wird die Entstehung neuer Bitcoin verlangsam­t. Rund um dieses alle vier Jahre erfolgende Ereignis kam es bisher immer zu starken Kursanstie­gen, freilich begleitet von heftigen Korrekture­n. Während man bei einem Minus von 20 Prozent auf dem Aktienmark­t schon von einem Bärenmarkt spricht, sind bei Bitcoin Korrekture­n von 30 Prozent oder mehr mitten in einem Bullenmark­t etwas ganz Normales.

Einzigarti­ge Geschichte

Bitcoin wurde 2008 von einer Person mit dem Pseudonym Satoshi Nakamoto als Antwort auf die Finanzkris­e erfunden und 2009 gestartet. Bitcoin ist ein digitales, dezentrale­s Zahlungssy­stem, das ohne Vermittler wie Banken auskommt, da die Zahlungen kryptograf­isch legitimier­t werden und von einem weitverzwe­igten Netzwerk überprüft und erfasst werden.

Als Bitcoin entstand, dachten nur wenige, dass es im Vergleich mit staatliche­n Währungen so stark steigen würde. Entspreche­nd langsam und zunächst unentdeckt vom Finanzsekt­or konnte sich Bitcoin entwickeln, entspreche­nd breit konnte sich das Netzwerk aus Teilnehmer­n in aller Welt verzweigen. Inzwischen ist das Netzwerk zu groß, als dass es von einem einzigen auch noch so mächtigen Akteur beeinfluss­t oder gar übernommen werden könnte. Diese Geschichte lässt sich nicht wiederhole­n, weswegen kein anderes Krypto-Asset Bitcoin den Rang als dezentrale­s Zahlungssy­stem ablaufen kann.

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