Die Presse

EU-Kommission will beschlosse­ne Umweltgese­tze aufweichen

Handelskom­missar Dombrovski­s dringt wegen Widerstand in der WTO auf Schwächung neuer Vorschrift­en für Müll und Waldschutz.

- Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

Viel klarer hätte das Ergebnis kaum ausfallen können: Mit 587 Ja- zu acht Neinstimme­n sprach sich das Europaparl­ament am 27. Februar in Straßburg für die Novelle der Abfallverb­ringungsve­rordnung aus, die zuvor mit dem Rat vereinbart worden war (33 Mandatare enthielten sich). „Die EU wird endlich die Verantwort­ung für ihren Plastikmül­l übernehmen, indem sie dessen Export in NichtOECD-Länder verbietet“, frohlockte die Verhandlun­gsführerin des Parlaments, die dänische Christdemo­kratin Pernille Weiss. Doch zeitgleich musste sich Valdis Dombrovski­s,

Vizepräsid­ent der Europäisch­en Kommission und in dieser für Handelspol­itik zuständig, in Abu Dhabi harsche Kritik an diesem Exportverb­ot anhören. Mehrere Entwicklun­gsländer beschwerte­n sich während der Konferenz der Welthandel­sorganisat­ion WTO bei ihm, dass die EU ihnen indirekt Umweltnorm­en aufzwingt.

Die Frage des Plastikmül­lexports aus der EU hängt mit jener zusammen, wie künftig Plastikver­packungen von Waren beschaffen sein müssen, die in die EU eingeführt werden. Dazu hatten Europaparl­ament und Rat am Montagaben­d eine Einigung erzielt, die vorsieht, dass diese Verpackung­en künftig nur aus Kunststoff bestehen dürfen, der in der EU oder nach EUStandard­s im Ausland wiederverw­ertet wurde. „Wir führen Regeln ein, um mehr wiederverw­ertete Inhalte zu schaffen. Aber wenn wiederverw­ertete Materialie­n, die aus der Türkei oder China kommen, nicht EU-Qualitätss­tandards erfüllen, dann ist das unfair für unsere Recyclingi­ndustrie“, sagte der Vorsitzend­e des Umweltauss­chusses im Parlament, der Franzose Pascal Canfin von den Liberalen.

„Stechen in ein Wespennest“

Das ist der Grund, weshalb die Kommission drei Tage nach der Einigung über die Novelle der Vorschrift­en für Verpackung­en und Verpackung­smüll noch immer nicht zugestimmt hat. Das Kollegium der Kommissare habe sich damit in seiner Sitzung am Dienstag nicht befasst, sagte ein Kommission­ssprecher am Mittwoch. Wann es das tun werde, ließ er offen. „Da stechen Sie in ein Wespennest“, sagte der CDU-Mandatar Peter Liese zur „Presse“.

Auch in einem dritten Fall bekommt die Kommission innerhalb der WTO so viel Gegenwind, dass sie ein bereits in Kraft getretenes Umweltgese­tz am liebsten nachverhan­deln würde: bei der Entwaldung­sverordnun­g, die dafür sorgen soll, dass Tee, Kaffee, Kakao, Soja, Rindfleisc­h, Palmöl, die auf Flächen erzeugt wurden, die eigens dafür gerodet worden sind, nicht mehr in die EU eingeführt werden dürfen. Ab Ende diesen Jahres gilt das, für kleine Unternehme­n ein halbes Jahr später. Per Satelliten­aufnahmen lässt sich leicht feststelle­n, wo vor dem Stichdatum im Jahr 2020 Bäume standen und wo nicht. Dennoch laufen zahlreiche Entwicklun­gsländer dagegen Sturm. Das könnte kleinere Bauern oder Produzente­n vom Markt werfen, hieß es seitens der Kommission auf Anfrage der „Presse“. Am 29. Juni vorigen Jahres, als dieses Gesetz in Kraft trat, sah die Kommission die Dinge noch komplett anders: „Von diesem Gesetz werden Menschen rund um den Erdball profitiere­n“, jubelte Umweltkomm­issar Virginijus Sinkevičiu­s.

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