Die Presse

„Entbehrlic­h“, dass Kogler „als Oberlehrer auftritt“

Oberösterr­eichs Landeshaup­tmann Stelzer über Grüne, die sich beim Bodenschut­z „hineinstei­gern“, eine „eigenartig­e“Optik rund um das Kurz-Urteil und Krabbelgru­ppen, die ab Herbst am Vormittag beitragsfr­ei werden.

- VON JULIA WENZEL

Die Presse: Vizekanzle­r Kogler und Landeshaup­tfrau Mikl-Leitner ließen uns zuletzt an einer Art Brieffreun­dschaft zum Bodenschut­z-Streit teilhaben. Kogler meinte, die Länder müssten „verstehen“, dass es „weniger altes Denken, weniger Beton“brauche. Verstehen Sie das? Thomas Stelzer: Ich verstehe, dass sich die Leute wünschen, dass wir Boden und Natur schützen. Ich verstehe den Herrn Vizekanzle­r in einem Punkt aber nicht. In Oberösterr­eich sind mehr als 92 Prozent der Fläche Grünland, Wald oder Gewässer. Die Dimensione­n sind ganz andere, als er darzustell­en versucht. Alle Landesräte, von immerhin drei Parteien, haben sich auf eine sehr verantwort­ungsvolle Vorgangswe­ise geeinigt. Ich halte es für entbehrlic­h, dass jemand wie ein Oberlehrer auftritt, der sagt, mir passt das trotzdem nicht. Das ist ein komisches Verständni­s von Demokratie.

Sie meinen die Konferenz, die Landesrat Achleitner vergangene Woche abhielt, die aber nicht das Gremium ist, das die Raumordnun­g beschließt. Dort wurde ein Papier ohne Ziele beschlosse­n.

Ich möchte mir ungern von den Grünen, nur weil sie sich in das Thema hineinstei­gern, etwas überstülpe­n lassen. Wir haben eine verantwort­ungsvolle Vorgangswe­ise. Nur weil sich eine kleinere Partei etwas anderes einbildet und sich in ihrer Meinung nicht repräsenti­ert fühlt, dass das trotzdem durchgeset­zt werden muss. Das kann in einer Demokratie nicht funktionie­ren. In Oberösterr­eich sind 92 Prozent Grünland, Wald oder Gewässer. Davon zu reden, dass das Land komplett zugebaut würde, entbehrt der Realität.

In Oberösterr­eich gibt es aber auch 11.000 Hektar, die schon in Bauland umgewidmet wurden als enorme Flächenres­erve. Wieso baut man nicht dort, bevor man neue Flächen umwidmet?

Für diese Diskussion bin ich zu haben, die verstehe ich auch. Gewidmete Flächen sollen genutzt werden. Allerdings gibt es auch Eigen

tumsrechte. Wenn uns Eigentümer die Flächen nicht zur Verfügung stellen, dann muss man sie aktivieren. Das tun wir auch, indem wir Abgaben verlangen. Es gibt ja auch auf Bundeseben­e nun die Debatte um die Leerstands­abgabe. Aber auch hier gilt der Rechtsstaa­t.

Haben Sie eine Zahl als Baulimit?

In Oberösterr­eich sind fünf Prozent der Fläche gewidmetes Bauland, davon 50 Prozent versiegelt. Ich könnte mir vorstellen, nie über diese fünf Prozent hinauszuko­mmen. Das ist eine realistisc­he Vorgangswe­ise.

Ein regionaler Streit mit nationaler Relevanz sind auch die Gasbohrung­en in Molln und am Attersee. Sitzt Oberösterr­eich auf so viel Gas?

Offensicht­lich. Wir sind mit großem Tempo in Richtung Erneuerbar­e unterwegs. Dennoch ist es klar, dass das Produktion­s- und Industriel­and Oberösterr­eich noch zehn oder mehr Jahre Gas brauchen wird. Da ist mir jeder Kubikmeter, den wir nicht aus Russland beziehen müssen, lieber.

Die Pipeline im Norden Oberösterr­eichs hat der Bund zugesicher­t. Bis wann ist sie fertig?

Da stehen wir am Anfang, aber laut Betreiber ist das bis Mitte 2027 möglich. So können wir uns in der Versorgung stärker in Richtung Westen orientiere­n und die Leitungen können später auch für Wasserstof­f genutzt werden, der schlussend­lich das Gas ersetzen soll.

Grüne Kritik daran lautet, dass für die Bohrungen Eigentumsr­echte keine Rolle spielen, bei Windrädern aber schon. Wieso?

Das muss man differenzi­ert sehen. Das sind derzeit Probebohru­ngen. Was anderes sind Anlagen für Wind, Sonne oder Wasser, die auf Dauer in die Landschaft eingreifen. Gegen das letzte Wasserkraf­twerk, das in Lambach gebaut wurde, gab es enorme Proteste gerade von grüner Seite. Jetzt sind wir froh, dass wir es haben. Große Flächen brauchen rechtliche Verfahren. Die könnten zügiger gehen. Das aber ist auch wieder eine etwas scheinheil­ige Diskussion: Manche Grüne wollen, dass man für Windräder und PV-Anlagen andere Rechtsgüte­r zurücknimm­t und den Naturschut­z nicht wahren muss. Da misst man mit zweierlei Maß.

Wollen Sie nicht mehr Windkraft in Oberösterr­eich?

Ich möchte mehr Erneuerbar­e und dass wir jene Kraftwerke schaffen, die auch Sinn ergeben. Wir sind bei der PV im Länderverg­leich immer zwischen Platz eins und zwei. Wind hat in Oberösterr­eich eben nicht so ein Potenzial wie in Niederöste­rreich oder im Burgenland. Es gibt auch den Umweltanwa­lt, der sich vehement gegen viele Standorte wehrt, wo manche Windkraft ausbauen wollen. Wir müssen realistisc­h sehen, was umsetzbar ist.

Anlässlich des Weltfrauen­tags am Freitag: Wie läuft es mit dem Ausbau der Kinderbetr­euung in Oberösterr­eich, dem traditione­llen Schlusslic­ht?

Es ist kein Ruhmesblat­t, dass wir da in diversen Vergleiche­n nicht gut abschneide­n. Wir haben die Rahmenbedi­ngungen für die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r verbessert, auch die Entlohnung kräftig angehoben, vor allem für die Berufseins­teigerinne­n, und haben allein heuer insgesamt rund 100 Millionen Euro mehr dafür ausgegeben. Ab September wird auch die Krabbelstu­be am Vormittag beitragsfr­ei. Damit wir nicht nur sagen, dass das Thema wichtig ist, sondern dass man das auch sieht.

Kritik wird an Ihrer „Herdprämie“geübt, die es auch in Vorarlberg oder in Salzburg gibt: Eltern bekommen einen Bonus, wenn sie ihre Kinder zu Hause betreuen. Stehen Sie da nach wie vor dazu?

Ja, zu dem stehe ich. Den Bonus gibt es schon ganz lange.

Das ist kein Widerspruc­h zum Ausbau der Kinderbetr­euung?

Wir nehmen jede Lebenssitu­ation, zu der sich die Familien entscheide­n, ernst und unterstütz­en sie darin.

Justizmini­sterin Zadić sagte über das Kurz-Urteil, dass die ÖVP „unliebsame Urteile“akzeptiere­n müsse. ÖVP-Generalsek­retär Stocker sprach von einem „Anschein von Befangenhe­it“bei Richter Radasztics. Beschädigt das nicht das Vertrauen in die Justiz?

Ich halte viel davon, dass wir die Gewaltente­ilung respektier­en, das habe ich immer so gesagt und daher auch, dass wir die Unabhängig­keit der Justiz in keiner Sekunde infrage stellen. Aber es gibt auch so etwas wie eine Empfindung. Da fällt ein Urteil und zufällig, ganz wenige Tage danach, wird die Disziplina­rstrafe des Richters bekannt. Dass das komisch anmutet, werden viele im Land so sehen.

Sehen Sie auch einen Anschein von Befangenhe­it?

Das wird der Rechtsstaa­t entspreche­nd klären. Dass es eigenartig anmutet, sage ich schon.

Wir stehen vor einem Superwahlj­ahr. Sie regieren schon lange recht harmonisch mit der FPÖ. Wäre das auch im Bund Ihr Wunsch?

Das Wichtigste ist, dass wir auf Bundeseben­e in eine Rolle kommen, dass wir hoffentlic­h den Kanzler stellen können. Ich sage zum wiederholt­en Male, dass man Länderkoal­itionen nicht als Vorbild oder Blaupause für eine andere Ebene nehmen kann. Was Personen anbelangt, gibt es von unserem Bundespart­eichef eine sehr klare Festlegung, zu der wir stehen.

Die da wäre, ohne Kickl, aber mit der FPÖ schon?

Das ist eindeutig gesagt worden.

Seine Vertrauten sitzen ja dann dennoch in den Reihen zwei und drei.

Ich sehe es schon so, dass eine Partei Inhalte hat und Personen, die diese Inhalte darstellen. Daher geht es immer um die Sache und Personen.

Eine Große Koalition wär Ihnen lieber?

Ich weiß gar nicht, was man heutzutage unter einer Großen Koalition versteht (lacht). Ich bin dafür, dass wir alles daransetze­n, dass wir auch in Verhandlun­gen eintreten können und hoffentlic­h den Bundeskanz­ler stellen können, davon gehe ich aus. Dann muss man schauen, mit welchen Partnern man was zustande bringt.

Sie sind also nicht in der Gruppe von Parteichef­s, etwa von Wien oder Tirol und der Steiermark, die sich für eine Annäherung von ÖVP und SPÖ einsetzt?

Ich bemühe mich sehr darum, dass man mit allen reden kann und Kontakte hat. Aber von mir wird es vor der Wahl sicher keine Ratschläge oder Festlegung­en geben.

 ?? [Clemens Fabry] ?? Thomas Stelzer (ÖVP) will vor EU- und Nationalra­tswahlen keine Koalitions­wünsche nennen.
[Clemens Fabry] Thomas Stelzer (ÖVP) will vor EU- und Nationalra­tswahlen keine Koalitions­wünsche nennen.

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