Die Presse

Schuldig, aber weniger Strafe

Sophie Karmasin blitzte mit ihrer Nichtigkei­tsbeschwer­de ab. Die bedingte Haftstrafe wurde auf zehn Monate gesenkt.

- VON MANFRED SEEH

„Meine Mandantin lässt sich krankheits­bedingt entschuldi­gen.“Mit diesen Worten machte Anwalt Norbert Wess am Mittwoch vor dem Obersten Gerichtsho­f deutlich, dass der Gerichtsta­g ohne die Hauptperso­n über die Bühne gehen würde. Sophie Karmasin blieb es somit erspart, sich das endgültige Urteil eines Fünf-Richter-Senats (Vorsitz: Rudolf Lässig) anzuhören. Ihr Schuldspru­ch wegen des Delikts „Wettbewerb­sbeschränk­ende Absprachen bei Vergabever­fahren“wurde rechtskräf­tig.

Karmasin war von Dezember 2013 bis Dezember 2017 Mitglied der österreich­ischen Bundesregi­erung. Den Großteil ihrer Amtszeit war die damals von der ÖVP nominierte Ministerin für die Agenden Familien und Jugend zuständig.

Die im Wiener Justizpala­st anberaumte Verhandlun­g brachte aus Sicht der 57-Jährigen aber auch einen Erfolg. Die in erster Instanz verhängte bedingte Haftstrafe im Ausmaß von 15 Monaten wurde auf zehn Monate reduziert. Da auch die abgesenkte Strafe zur Gänze bedingt nachgesehe­n wurde, bleibt Karmasin ein neuerliche­r Gefängnisa­ufenthalt erspart – vorausgese­tzt, sie lässt sich in den nächsten drei Jahren (so lang beträgt die Probezeit) nichts zuschulden kommen. Zur Erinnerung: Schon 2022 war die Ex-Politikeri­n drei Wochen in U-Haft gesessen.

Scheinange­bote für Studien

Darum ging es nun: Die Angeklagte, früher als Meinungsfo­rscherin tätig, hatte von April 2019 bis Juni 2021 andere dazu aufgeforde­rt, bei Vergabever­fahren des Sportminis­teriums manipulier­te, nämlich mit ihr, Karmasin, abgesproch­ene Angebote zu legen. Sie selbst legte die besten Angebote und zog somit wenig überrasche­nd die Aufträge an Land – nämlich das Ausarbeite­n von drei Studien. Zwei Studien lieferte sie dem Ministeriu­m. Dafür verrechnet­e sie jeweils zirka 64.000 Euro. Bei der dritten Studie zog Karmasin das Angebot zurück. Unter jenen Mitbieteri­nnen, die Scheinange­bote legten, war auch die Meinungsfo­rscherin Sabine Beinschab. Diese war Mitarbeite­rin und enge Vertraute von Karmasin. Mittlerwei­le hat Beinschab den Status einer Kronzeugin erworben. Als solche hatte sie in der ersten Instanz ihre frühere Mentorin (Beinschab: „Ich habe zu Karmasin aufgeschau­t“) schwer belastet. Mittels Nichtigkei­tsbeschwer­de hatte Karmasin nun versucht, das Ruder herumzurei­ßen. Die Linie ihres Verteidige­rs Norbert Wess sah so aus: Das Sportminis­terium habe bei Studien wie zum Beispiel „Motivanaly­se Bewegung und Sport“oder „Frauen im Vereinsspo­rt“unbedingt auf Karmasins Methodik zurückgrei­fen wollen. Wess: „Es sollte ihr geistiges Werk verwendet werden.“ Daher habe es sich um kein regelrecht­es Vergabever­fahren gehandelt. Und so könne man auch nicht die für Vergabever­fahren geltenden Maßstäbe anlegen. Denn: „Wo kein Wettbewerb eröffnet wird, kann kein Wettbewerb verletzt werden.“

Das Ganze sei „unglücklic­h gelaufen“. Man müsse bedenken, dass der Auftraggeb­er, also das Sportminis­terium, niemand anderen als Karmasin gebeten habe, für Konkurrenz­angebote zu sorgen. Daher habe die Ex-Politikeri­n Scheinange­bote aufgetrieb­en. Wess: „Ich glaube nicht, dass der Gesetzgebe­r dies unter Strafe stellen wollte.“

OGH anderer Ansicht

Der Senatsvors­itzende Rudolf Lässig konnte dieser Argumentat­ion jedoch nicht viel abgewinnen. Es stehe außer Zweifel, dass vom Sportminis­terium ein Vergabever­fahren eingeleite­t worden sei. Dieser Umstand sei auch vom Erstgerich­t, also dem Straflande­sgericht Wien, gut begründet worden. Unter dieser Voraussetz­ung müsse man bedenken, dass das Bundesverg­abegesetz verschiede­ne Arten von Vergabever­fahren kenne. Es gebe eben nicht nur ein einziges formal streng geregeltes Schema.

Würde man nun der Verteidigu­ng folgen, so bedeute dies, dass man nur ein Vergabever­fahren mit Unregelmäß­igkeiten anreichern müsse, um auf diese Art das Verfahren als solches zu beseitigen – und um in einem nächsten Schritt der Strafbarke­it zu entfliehen. Der Vorsitzend­e: „Dann wäre am Ende niemand mehr straffälli­g. Und das würde den Sinn des Gesetzes umkehren.“

Teilfreisp­ruch hielt

Karmasin war übrigens auch des schweren Betrugs im Zusammenha­ng mit unzulässig­en Gehaltsfor­tzahlungen angeklagt. Hier erging ein Freispruch. Dieser hielt nun auch in zweiter Instanz.

Vorbei ist es für die Ex-Ministerin noch nicht: Sie ist – wie etwa auch Ex-Kanzler Sebastian Kurz – in der Inseraten-Affäre beschuldig­t. Freilich gilt hier die Unschuldsv­ermutung.

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[APA/Hochmuth] Die Beschwerde von Ex-Ministerin Karmasin ging ins Leere.

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