Die Presse

Ukraine liefert ab 2025 kein russisches Gas mehr

Der ukrainisch­e Energiemin­ister zerstreut Hoffnungen, dass nach Auslaufen der Transitver­träge doch noch weiter Gas fließen wird. Wird es für Österreich­s Versorgung eng?

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Wien. Entgegen anderslaut­enden Hoffnungen wird die Ukraine nach dem Auslaufen des derzeitige­n Transitabk­ommens 2025 kein russisches Pipelinega­s mehr nach Europa durchlasse­n. Das bekräftigt­e Energiemin­ister German Galuschtsc­henko im Interview mit der Nachrichte­nagentur Bloomberg.

Sowohl die EU als auch die Ukraine haben bereits in der Vergangenh­eit gesagt, dass der Vertrag nicht verlängert oder neu verhandelt werden wird. Dennoch denken manche Marktteiln­ehmer weiter an die Möglichkei­t, über private kommerziel­le Kontrakte weiter Gas über die Pipelines durch die Ukraine zu beziehen.

Galuschtsc­henko goss in dem Interview nun kaltes Wasser auf diese Spekulatio­nen. „Ich sehe keine Möglichkei­t“, sagte er im Interview am Dienstag in Wien. „Es liegen keine möglichen Lösungen auf dem Tisch.“

Russland hat nach dem Einmarsch in die Ukraine die meisten seiner Pipeline-Lieferunge­n nach Europa eingestell­t. Einige durch die Ukraine gehen allerdings weiter, wenn auch in geringerem Umfang als vertraglic­h vereinbart. Diese Lieferunge­n decken den Großteil der Nachfrage in Ländern wie Österreich, Ungarn und der Slowakei.

Die Situation in Österreich

Gerade Österreich kauft – anders als die meisten EU-Staaten – immer noch den Großteil seines Gases in Russland ein, was vielerorts auf Kritik stößt. Im Dezember waren es sogar 98 Prozent, im Schnitt 2023 immerhin 64,7 Prozent. Entspreche­nd ist aktuell die Versorgung­slage auch nicht gefährdet, was freilich an mehreren Gründen liegt: Der Gasverbrau­ch sinkt stetig (2023 war es ein Minus von 12,5 Prozent), und es gibt neue Lieferante­n. „Die LNGMengen sind da und auch die notwendige­n Transportm­öglichkeit­en“, sagte E-Control-Chef Alfons Haber Ende Februar. Die Flüssiggas-Terminals (LNG) in Italien und Deutschlan­d sind bei Weitem nicht ausgebucht, hier könnten Lieferante­n also Kapazitäte­n buchen, und auch die Leitungen aus Deutschlan­d und Italien seien vorerst groß genug, um genügend nicht russisches Gas ins Land zu holen.

Die Speicher sind – auch wetterbedi­ngt – mit knapp 78 Prozent so voll wie lang nicht. „Selbst wenn Russland von heute auf morgen kein Gas mehr liefern würde, käme Österreich gut durch diesen und den nächsten Winter“, sagte daher Carola Millgramm, Gasexperti­n der E-Control, kürzlich zur „Presse“.

Doch was ist danach, wenn der Gastransit durch die Ukraine ab 2025 gestoppt wird? Der politische Wunsch, dass sich österreich­ische Unternehme­n vermehrt um nicht russisches Gas umsehen, sei durchaus berechtigt, erklärte Carola Millgramm weiter. „Die Lieferante­n haben eine Pflicht, ihre Kunden auch sicher zu versorgen.“Der heimische Großhändle­r, die OMV, argumentie­rt, sich ausreichen­d alternativ­e Gasmengen gesichert zu haben. Ohne „gesetzlich­e Grundlage“sei jedoch kein risikolose­r Ausstieg aus russischem Gas möglich.

Neue Chance für die OMV?

Ein solches Gesetz zum sofortigen Ausstieg aber, wie es etwa die Neos fordern, sieht Millgramm skeptisch. Zwar seien alternativ­e Mengen für heuer gesichert, langfristi­g könnte das Land aber in Probleme laufen, sagt sie. Völlig ungeklärt ist auch, ob und wie die OMV aus ihrem langfristi­gen Liefervert­rag mit Gazprom aussteigen kann.

Insofern könnte Kiews Stopp der Durchleitu­ng von russischem Gas durch die Ukraine sogar eine Chance für die OMV bringen, den bis 2040 laufenden Vertrag ohne die Gefahr von Pönalezahl­ungen zu beenden. Denn in dem Vertrag ist vereinbart, dass der Übergabepu­nkt für das Gas der Knotenpunk­t Baumgarten an der österreich­ischungari­schen Grenze ist. Kann Gazprom das Gas nicht bis dahin bringen, würde der russische Konzern vertragsbr­üchig, und die OMV könnte gefahrlos kündigen.

Vertragsbr­üchig wurde Gazprom zwar auch bereits im Frühjahr 2022, als die Russen verlangten, dass das Gas in Rubel bezahlt wird. Das nutzten andere EU-Staaten auch, um aus den Verträgen auszusteig­en. Österreich und die OMV entschiede­n sich jedoch anders und stellten die Zahlung auf Rubel um. Damals hätte ein Ausstieg aus russischem Gas aber aufgrund mangelnder alternativ­er Gasmengen und der dafür benötigten Leitungska­pazitäten zu einem echten Gasnotstan­d geführt.

Inzwischen hat sich die Situation allerdings verändert. So erklärte OMV-Chef Alfred Stern bereits mehrmals, dass der Konzern all seine Lieferverp­flichtunge­n im Land auch mit nicht russischem Gas erfüllen kann. Das Gas aus Russland bezieht die OMV aber dennoch, da sie aufgrund der Take-or-Pay-Verträge sonst doppelt dafür zahlen müsste. Und das kann ein börsenotie­rter Konzern nicht einfach so nur aufgrund eines politische­n Ziels machen.

Um das politisch zu ändern, müsste die Regierung ein Gesetz beschließe­n, das den Import von russischem Gas untersagt. Dann wäre die Republik aber auch bei eventuelle­n Pönalen schadeners­atzpflicht­ig.

Die Hoffnung lebt

So oder so ist mittelfris­tig ein Ausbau der Gas-Infrastruk­tur vor allem nach Deutschlan­d unumgängli­ch, meint die E-Control. Und ob bzw. zu welchem Preis sich Österreich – wie politisch angepeilt – bis 2027 vom russischen Gas verabschie­den kann, soll eine Studie des Wifo klären, die im Sommer vorliegen dürfte.

Die Aussagen von Energiemin­ister Galuschtsc­henko gegenüber Bloomberg bringen das Thema nun neu aufs Tapet. Aber auch die Annahme, dass es zu keinem Transitsto­pp ab 2025 kommt, hält sich. Die Gas-Terminkont­rakte für das erste Quartal 2025 sind seit Anfang des Jahres um rund 15 Prozent gefallen. Dies signalisie­rt die Erwartung, dass es einen Mechanismu­s geben wird, der die Fortsetzun­g der Lieferunge­n nach dem Auslaufen des Transitabk­ommens ermöglicht.

Ukraine mit neuer Idee

„Wir sind bereit, das zu beenden“, sagte Galuschtsc­henko. „Wenn jemand sagen würde, dass dies eine überlebens­wichtige Frage für den Winter ist, dass es eine Frage der Versorgung­ssicherhei­t ist, dann wäre das eine besondere Situation“, fügte er hinzu. „Aber ich sehe diese Situation nicht.“

Galuschtsc­henko fordert Europa auf, den Brennstoff in den riesigen ukrainisch­en Gasspeiche­rn zu lagern, statt weiter russisches Gas zu beziehen. Sein Land könne 15 Milliarden Kubikmeter Gasspeiche­r anbieten, sagte er, das seien mehr als die 14 Milliarden Kubikmeter russischen Brennstoff­s, die vergangene­s Jahr durch die Ukraine geleitet worden seien. „Ich denke, das ist fair“, sagte Galuschtsc­henko. „Sagen Sie nicht, dass wir ohne russisches Gas nicht leben können.“

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[Reuters]

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