Die Presse

Wenn Garage zum Streitobje­kt wird

Eine Garage galt jahrzehnte­lang als Zubehör zu einer Wohnung – irrtümlich, wie sich herausstel­lte. Wurden die Rechte daran inzwischen ersessen?

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Sich den Grundbuchs­stand anzuschaue­n, bevor man den Kaufvertra­g für eine Wohnung unterschre­ibt, ist jedenfalls ratsam. Zwingend nötig ist es aber nicht, solang man keine Verdachtsm­omente hat, dass da irgendetwa­s nicht stimmig ist. Das hat nun der Oberste Gerichtsho­f entschiede­n (10 Ob 20/23y).

Es ging um eine Eigentumsw­ohnung, die im Lauf der Jahrzehnte mehrmals weiterverk­auft bzw. vererbt worden war – und zwar immer samt einer von 25 Garagen. Diese wurde ausschließ­lich von den jeweiligen Eigentümer­n der Wohnung benützt, sie zahlten dafür auch die laufenden Betriebsko­sten. Dass die Garage laut Wohnungsei­gentumsver­trag gar nicht als Zubehör zur Wohnung gewidmet war, sondern ein separates Eigentumso­bjekt darstellte, fiel all die Jahre niemandem auf.

Das ging so lang gut, bis der Allererste in der Eigentümer­reihe, der Wohnung und Garage im Jahr 1979 gekauft und 1990 weiterverä­ußert hatte, in die Insolvenz rutschte. Im Schuldenre­gulierungs­verfahren stellte sich heraus, dass er immer noch als Eigentümer der Garage im Grundbuch eingetrage­n war.

Redlich oder nicht?

Der letzte Erwerber wollte jedoch seine Rechte daran nicht verlieren. Er meinte, seine Rechtsvorg­änger und er hätten – als redliche Erwerber – das Eigentum an der Garage inzwischen ersessen. Und verlangte vom Insolvenzv­erwalter, nun auch als Eigentümer eingetrage­n zu werden. Der Insolvenzv­erwalter verweigert­e das. Er meinte, als redlicher Erwerber könne nur gelten, wer sich vom Grundbuchs­stand überzeugt habe. Hätten die Rechtsnach­folger des ersten Eigentümer­s das getan, hätten sie erkennen müssen, dass die Garage ein eigenes Wohnungsei­gentumsobj­ekt und eben kein Zubehör der Wohnung ist, argumentie­rte er.

Das Erstgerich­t sah das genauso und wies die Klage des Wohnungskä­ufers ab, das Landesgeri­cht Wels als zweite Instanz gab jedoch dem Käufer recht.

Und das bestätigte auch der OGH: Demnach muss man nicht unbedingt ins Grundbuch schauen, um sich von der Richtigkei­t der Angaben im Kaufvertra­g zu überzeugen. Und auch in den Wohnungsei­gentumsver­trag muss man nicht zwingend Einsicht nehmen. Nachforsch­ungspflich­ten hat man laut OGH grundsätzl­ich erst dann, wenn ein (indizierte­r) Verdacht besteht, dass die tatsächlic­hen Besitzverh­ältnisse nicht dem Grundbuchs­tand entspreche­n. (cka)

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[Andy Ridder/picturedes­k.com] Private Autoabstel­lplätze werden recht oft zum Streitthem­a.

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