Hinreißende Romantik aus Schweden
Der Komponist Hugo Alfvén ist bei uns zu unrecht unbekannt, zeigte Daniel Harding im Konzerthaus.
Hugo Alfvén ist einer dieser absolut herrlichen, ungehörten Komponisten des romantischen 20. Jahrhunderts, der bei Entdeckung Entzücken auslöst, aber den Sprung ins Repertoire – außerhalb Schwedens – nicht schafft. Es bedurfte des Besuches des Schwedischen Radiosinfonieorchesters unter Daniel Harding, dass Alfvéns „Schärensage“(En skärgårdssägen, op.20), zum ersten Mal im Konzerthaus gespielt wurde. Das Ohr sucht sich bei solch unbekannten Werken Anhaltspunkte und findet sie in dieser 1904 geschriebenen sinfonischen Dichtung über die Inseln vor Stockholm bei Debussy im impressionistischen Seufzen, bei Zemlinsky im Auflodern der Streicher, oder gar bei Wagner in den stürmisch aufbrausenden Blech- und Paukenausbrüchen.
Würden unbekannte Namen auf Programmen nicht abschreckend wirken, man hätte sich im Anschluss gleich das Bratschenkonzert von Allan Petterson gewünscht, gefolgt von einer Sinfonie von Erland von Koch, und hätte ein umwerfendes, gänzlich schwedisches, fast alle Facetten der Romantik auslotendes Programm gehabt. Hier folgten zwei austrogermanische Repertoirebrummer: Mahlers Rückert-Lieder und Richard Strauss’ „Also sprach Zarathustra“.
Unvergleichlicher Sprechgesang
Wenn man dort genau hinhört, bemerkt man, wie Strauss die Tür zu seiner eigenen Zukunft aufreißt: Nach dem alles übertönenden Beginn schimmert schon das Sextett von „Capriccio“durch. In den weiteren orchestralen, etwas ziellosen Verschlingungen kündet sich immer wieder die 20 Jahre später folgende „Alpensinfonie“an. Dabei zog Harding das Tempo gerade im langen Tanzlied, einem Walzer in der Endlosschleife, straff an, was zwar auf Kosten der Genauigkeit ging, aber dem Werk unheimlich gut bekam.
Dazwischen beglückte Christian Gerhaher mit seinem unvergleichlichen Sprechgesang im Mahler. Mahler konnte es nicht wissen, aber er schrieb „Ich bin der Welt abhanden gekommen“Gerhaher auf den Leib. Man schmilzt, wenn er „Es ist mir auch gar nichts daran gelegen, ob sie mich für gestorben hält“, gleichzeitig leidend und doch die selbstverliebte Note entlarvend, ent-toniert.