Die Presse

Frauen verdienen weniger als Männer, aber der Lohnunters­chied schrumpft

- VON JEANNINE HIERLÄNDER

Österreich hat den zweithöchs­ten Gender Pay Gap in der EU. Das sei ungerecht, heißt es. In Österreich sind aber auch überdurchs­chnittlich viele Frauen erwerbstät­ig. Sie arbeiten oft in Teilzeit, aber zumindest arbeiten sie – anders als etwa in Italien, wo viele Frauen dem Arbeitsmar­kt ganz fernbleibe­n.

Den Frauentag am heutigen 8. März kann man zur Abwechslun­g mit einer guten Nachricht beginnen: Männer verdienen im Durchschni­tt zwar immer noch mehr als Frauen, aber der Lohnunters­chied wird stetig kleiner. Auch die Coronapand­emie hat, anders als erwartet, nicht dazu geführt, dass der Lohnunters­chied größer wird. Der Gender Pay Gap fällt zwar unterschie­dlich groß aus, je nachdem, welche Berechnung­smethode man wählt. Aber die Tendenz ist in allen Berechnung­en sinkend. Woran liegt das? Ein Überblick.

Wie entwickelt sich der Pay Gap?

Laut den Daten der Statistik Austria verdienten Frauen in Österreich im Jahr 2022 um 18,4 Prozent weniger brutto pro Stunde als Männer. Zehn Jahre zuvor verdienten sie noch um 22,9 Prozent weniger. Auch das Wirtschaft­sforschung­sinstitut (Wifo) hat anlässlich des Frauentags ein Arbeitspap­ier veröffentl­icht. Die Autoren kommen lediglich auf einen Lohnunters­chied von 13,5 Prozent für das Jahr 2022. Auch hier zeigt sich im Zehnjahres­vergleich ein deutlicher Rückgang, 2012 waren es noch 17,3 Prozent. Die Statistik Austria ermittelt den Lohnunters­chied auf Basis der Bruttostun­denlöhne, allerdings lediglich in der Privatwirt­schaft. Das

Wifo bezieht sich auf eine etwas andere Datenbasis und außerdem den öffentlich­en Dienst mit ein. Dort gibt es feste Lohntabell­en und daher kaum Unterschie­de bei der Bezahlung von Frauen und Männern. Das erklärt die Unterschie­de in den Ergebnisse­n.

Warum liegt Österreich über der EU?

„Im EU-Vergleich zählt Österreich zu den Ländern mit den höchsten Gender Pay Gaps“, schreibt die Statistik Austria anlässlich des Frauentags. „Nur in Estland war der Gender Pay Gap größer als in Österreich.“Das stimmt, es gibt dafür aber eine Erklärung: In der Regel korreliert ein großer Lohnunters­chied mit einer hohen Frauen-Erwerbstät­igkeit. In Österreich gehen laut Eurostat-Daten 73,4 Prozent der 20- bis 64-jährigen Frauen einer bezahlten Arbeit nach, deutlich mehr als im EU-Durchschni­tt. In Ländern, in denen relativ wenige Frauen arbeiten, drängen eher jene auf den Arbeitsmar­kt, die eine gute Ausbildung und entspreche­nd gute Jobaussich­ten haben. Das dämpft den Lohnunters­chied. Estland hat die größte Lohnschere in der EU, aber auch die höchste Frauen-Erwerbstät­igenquote.

Steigt die Frauenbesc­häftigung, nehme auch der Gender Pay Gap zu, sagt Christine Zulehner, Ökonomin am Österreich­ischen Institut für Wirtschaft­sforschung (Wifo). „Aber das ist eigentlich etwas Positives.“In Italien beispielsw­eise gebe es kaum Teilzeitjo­bs.

Daher gehen viele Frauen überhaupt keiner Erwerbsarb­eit nach, sagt Zulehner. Österreich hat mit 50,7 Prozent die zweithöchs­te Frauenteil­zeitquote in der EU, im EU-Schnitt sind es 29 Prozent, in Italien 32 Prozent. Teilzeitar­beit habe zwar Nachteile, wie ein geringeres Einkommen und als Folge eine niedrigere Pension. „Aber der Vorteil ist, dass man überhaupt arbeiten geht“, sagt Zulehner. Auch in Italien zeige sich, dass der Gender Pay Gap in Regionen größer ist, in denen mehr Frauen erwerbstät­ig sind.

Was macht Schweden anders?

Ein Sonderfall ist Schweden. Dort ist die Frauenerwe­rbsquote mit 79,2 Prozent hoch, der Gender Pay Gap mit 11,1 Prozent aber trotzdem relativ gering und vor allem niedriger als im EU-Schnitt. Das erklärt Zulehner vom Wifo damit, dass Frauen und

Männer in Schweden die Kinderbetr­euung gleicher untereinan­der aufteilen, Frauen kürzer in Karenz gehen als in Österreich und daher mehr Berufserfa­hrung vorweisen können. Außerdem arbeiten Schwedinne­n häufiger in Vollzeit als Österreich­erinnen, die Teilzeitqu­ote der Frauen liegt lediglich bei 31 Prozent vs. 50,7 Prozent in Österreich. Die Folge sind höhere Löhne.

Warum geht die Lohnschere zu?

Weil Frauen heute besser gebildet sind, besser bezahlte Jobs haben, später oder gar nie Kinder bekommen, kürzer in Karenz gehen und entspreche­nd mehr Berufserfa­hrung haben. Das wirkt sich positiv auf den Verdienst aus. „Der Rückgang des Lohnunters­chieds ist im Wesentlich­en auf eine Angleichun­g der Merkmale von Frauen und Männern zurückzufü­hren“, sagt Wifo-Ökonomin Zulehner. 2022 hatten 30 Prozent der 25- bis 49-jährigen Frauen in Österreich einen Hochschula­bschluss und 23 Prozent der Männer. 20 Jahre davor waren es 13 Prozent der Frauen und elf Prozent der Männer, zeigt eine Erhebung des Instituts für Höhere Studien (IHS).

Wie wirkt sich die Berufswahl aus?

Frauen und Mädchen entscheide­n sich seltener für Ausbildung­en und Berufe in gut bezahlten Mint-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwisse­nschaften, Technik) als Burschen bzw. Männer. 50 Prozent der Männer in Österreich haben eine Mint-Ausbildung, aber nur neun Prozent der Frauen, zeigen Daten des IHS.

Mädchen und Frauen müssten motiviert werden, in diese Branchen zu gehen, lautet eine häufige Forderung. Aber eine Studie, die das IHS am Donnerstag präsentier­t hat, zeigt, dass Frauen und Mädchen derlei Ausbildung­en häufiger abbrechen, oder sie schließen sie ab, arbeiten aber später nicht in dem Bereich. 57 Prozent der Männer mit einem Mint-Abschluss sind in einem Mint-Beruf tätig, aber nur 28 Prozent der Frauen. In „typischen“Frauenbere­ichen wie Bildung, Gesundheit und Soziales sind 75 Prozent der Frauen nach dem Abschluss auch in dem Bereich tätig und 71 Prozent der Männer.

Dafür gebe es ein „Konglomera­t an Gründen“, sagt Studienaut­orin Andrea Leitner vom IHS: etwa ein männlich dominierte­s Arbeitskli­ma, das Frauen das Gefühl gebe, dass sie ungewöhnli­ch sind. Aber auch die Erkenntnis, dass sich der Job – anders als vielleicht erwartet – doch nicht so gut mit einer Familie vereinbare­n lasse.

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DiePresse.com/Podcast Wo sind die Frauen in der Weltpoliti­k? Susanna Bastaroli und Anna Wallner sprechen darüber, wieso es derzeit so wenig Staatschef­innen gibt.
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