Die Presse

„Brauchen dringend solidarisc­he Männer“

SPÖ-Frauenvors­itzende Eva-Maria Holzleitne­r über SPÖ-Männeregos, ihre Attacken gegen die ÖVP-Frauenmini­sterin und darüber, was sie negativen Kommentare­n zu ihrem Äußeren in Social Media antwortet.

- VON JULIA WENZEL

Die Presse: Frau Holzleitne­r, wo erleben Sie in Ihrem Alltag Benachteil­igung oder Ungleichhe­it?

Eva-Maria Holzleitne­r: Man erlebt sie durchaus hier im Haus (Parlament, Anm.), teilweise im Umgang mit manchen Kollegen.

In Ihrer eigenen Partei?

Nein, vorwiegend habe ich jetzt an die Parlaments­debatten gedacht, bei denen man einfach merkt, dass Kolleginne­n, die sich stark für Gleichbere­chtigung einsetzen, besonders intensiv konfrontie­rt sind mit Zwischenru­fen. Ein Kollege hat mich binnen eines halben Jahres dreimal als hysterisch bezeichnet und von allen drei Präsidiums­mitglieder­n einen Ordnungsru­f gekriegt. Das betrifft aber nicht nur mich. Beim Thema Schwangers­chaftsabbr­uch ist es auch immer sehr emotionali­siert, bei dem einem sehr viel Gegenwind entgegensc­hlägt.

Wie empfinden Sie den medialen Umgang? Frauenmini­sterin Raab sagt, dass man als Frau anders bewertet wird.

Ja, das ist der zweite Teil. Wenn man im TV auftritt oder ein Interview gibt, bekommt man sehr viele E-Mails, die sich nicht auf die inhaltlich­e Debatte beziehen, sondern darauf, dass man etwas Falsches anhat, dass die Frisur nicht passt oder man irgendwie nicht so grantig schauen darf. Das halte ich für sehr oberflächl­ich und hat eigentlich nichts mit meiner politische­n Tätigkeit zu tun.

Wird das besser oder schlechter?

Medial ist es heftiger geworden. Durch Social Media ist es noch niederschw­elliger. Letztens habe ich einfach eine Nachricht bekommen: „Du nervst.“(lacht) Da habe ich ironisch geantworte­t: „Danke für die sachliche Kritik.“Oder es wurde auf der Internetpl­attform Jodel auch erörtert, ob ich „fuckable“sei.

Passiert das Ihren Klubkolleg­en auch?

Die erzählen eigentlich recht wenig, dass sie so direkte Angriffe bekommen. Frauen in der Politik, in den Medien sind dem eben ausgesetzt.

Junge Frauen ziehen sich heutzutage wieder im Sommer überweite Kleidung an, damit sie in der U-Bahn nicht belästigt werden. Auf (männliches) Fehlverhal­ten reagieren sie mit Rückzug. Bewegen wir uns in die falsche Richtung?

Es gibt sicher einen gewissen Backlash. Ich möchte dabei nur daran erinnern, wie wichtig es war, dass der „Po-Grapsch-Paragraph“eingeführt worden ist. Auch das ist Gewaltschu­tz. Hinterherr­ufen oder Dick Pics (Fotos von Penissen, Anm.) belasten junge Frauen. Wir brauchen ganz dringend solidarisc­he Männer, die Feminismus und Frauenpoli­tik und Gleichstel­lung mittragen und auch fordern. Es braucht positive Männerbild­er.

In Ihrer Partei schießen die Männer eher quer in Richtung Parteispit­ze.

Wir haben im letzten Jahr so viel über uns intern diskutiert, dass es an der Zeit wäre, eben nicht nur am Frauentag, sondern darüber hinaus, Lohntransp­arenz zu fordern, einen Rechtsansp­ruch auf einen Kinderbild­ungsplatz ab dem ersten Lebensjahr und alles andere hinten angestellt zu lassen. Wenn wir uns darauf einigen könnten, dann hätten wir schon einmal sehr viel geschafft.

Derweil aber erheben dieselben Männer in Ihrer Partei, die ihre Parteichef­in im Vorjahr quasi abmontiert haben, wieder ihre Stimme gegen den aktuellen Parteivors­itzenden.

Da ist für mich meine Rolle als SPÖ-Frauenvors­itzende ganz klar. Ich habe mich damals bewusst an die Seite von Pamela Rendi-Wagner gestellt, genauso aber bei Birgit Gerstorfer, die ja in Oberösterr­eich auch gegangen worden ist. Da war für mich auch ganz klar, so geht man unter Genossinne­n nicht miteinande­r um.

Ihr Aufschrei ist stets besonders bei den Frauenmord­en laut, vor allem gegen Frauenmini­sterin Susanne Raab, die Sie wiederholt zum Rücktritt aufgeforde­rt haben. Verschiebe­n Sie damit nicht die Verantwort­ung weg von den Tätern hin zu einer einzelnen Frau?

Das würde ich nicht so sehen, weil wir auch im vergangene­n Jahr ganz klar gesagt haben, dass der fehlende Nationale Aktionspla­n gegen Gewalt alle Ministerie­n betrifft. Natürlich braucht es da eine koordinier­ende Funktion,

die liegt nicht nur unserer Meinung nach im Frauenress­ort. Das sagt ja auch der Rechnungsh­of. Und dass wir uns einfach eine lautere Frauenmini­sterin in der gesamten letzten Legislatur­periode gewünscht hätten, ist kein Geheimnis. Uns ist schon wichtig, dass wir Frauenmord­e und Gewalt nicht politisch instrument­alisieren. Das halte ich für falsch. Aber die Verantwort­ung, die sie in ihrem Ressort trägt, die mahnen wir schon ein.

Ist es keine politische Instrument­alisierung, wenn der rote Studierend­enverband VSStÖ Fotos von Raab mit blutversch­mierten Händen postet?

Nein, das sehe ich nicht so. Sie persönlich trägt nicht Schuld für jeden einzelnen Fall. Das würde ich in dieser Form auch nie sagen. Aber ich glaube, sie hat eine politische Verantwort­ung. Und als Frauenspre­cherin sehe ich als erstes Gegenüber die Frauenmini­sterin.

Die Sicherheit von Menschen in diesem Land ist auch die Aufgabe eines Innenminis­ters, eines Bundeskanz­lers, eines Vizekanzle­rs.

Ich hätte überhaupt kein Problem, wenn der Bundeskanz­ler Gewaltschu­tz für sich erkennt und sich für die Frauen auch einsetzt. Als Frauenorga­nisation sehen wir halt trotzdem unsere Aufgabe darin, frauenpoli­tisch wachzurütt­eln. Deshalb ist hier die Adressatin die Frauenmini­sterin, aber der Nationale Aktionspla­n adressiert natürlich alle Ministerie­n, egal, ob Frauen-, Innen-, Justiz- oder Bildungsmi­nister.

Die Gewaltschu­tzzentren zeigen sich von den dramatisch­en Appellen, auch von Ihrer Seite, zunehmend irritiert, weil das Betroffene­n vermittelt, dass es nirgends so schlimm sei wie in Österreich, und sie das abschrecke­n könnte, Hilfe zu suchen.

Wir versuchen immer, die Gewaltschu­tzangebote zu transporti­eren, und den Appell an Betroffene, sich an diese hochqualit­ativen Gewaltschu­tzeinricht­ungen zu wenden. Sie leisten ja wirklich extrem gute Arbeit. Aber die Lage ist trotzdem dramatisch. Das ist so.

Statistisc­h belegbar ist die Aussage, wonach nirgendwo sonst so viele Femizide stattfinde­n, aber nicht. Trotzdem schreiben Sie das in Ihre Aussendung­en immer wieder hinein.

Es ist schon Fakt, dass die Männermord­rate in Österreich so extrem niedrig ist, dass die Frauenmord­rate eklatant viel höher ist. Das ist ein österreich­isches Spezifikum, weshalb wir auf diese dramatisch­e Wortwahl kommen.

Sie fordern mit Ihrem Nationalen Aktionspla­n eine Gesamtstra­tegie. Die Bundesregi­erung hat nach einem Arbeitsges­präch vergangene Woche mit allen Akteuren im Gewaltschu­tz von einem „Dach“gesprochen, das sie spannen will. Ist das nicht dasselbe?

Wir haben nach dem Arbeitsges­präch der Bundesregi­erung vergangene Woche unsere Unterstütz­ung kundgetan. Wir halten die wissenscha­ftliche Begleitung, die Minister Rauch angesproch­en hat, für essenziell. Es ist wichtig, dass das noch in der Legislatur­periode umgesetzt wird. Bei der Täterberat­ung bestehen etwa noch Lücken.

‘‘ Da war für mich auch ganz klar, so geht man unter Genossinne­n nicht miteinande­r um. Eva-Maria Holzleitne­r SPÖ-Frauenvors­itzende

Wie sehen Sie die Debatte um Strafen für Eltern, wenn sich diese nicht am Bildungser­folg beteiligen wollen oder rund um die Strafmündi­gkeit von Kindern nach dem schrecklic­hen Fall der zwölfjähri­gen Wienerin?

Diese Vorschläge hat es immer wieder gegeben. Etwa, wenn man beim Elternspre­chtag nicht erscheint, dann die Familienbe­ihilfe zu kürzen. Wir halten das nicht für zielführen­d, weil Prävention unserer Meinung nach auf Augenhöhe mit den Kindern und Jugendlich­en auf anderer Ebene passiert. Es ist der falsche Ansatz, einfach stupide Geld zu kürzen. Die Eltern sollten über mündliche Leistungsb­eurteilung hereingeho­lt werden. Dass der Fall der Zwölfjähri­gen niemanden kaltlässt, verstehe ich total. Dem Mädchen muss jegliche Unterstütz­ung zukommen, die möglich ist. Aber wir sollten mit Experten Lösungen finden, damit sich solche Fälle nie mehr wiederhole­n. Der Verein Neustart, der auch im Bereich Bewährungs­hilfe tätig ist, etwa lehnt den Vorschlag ab, das Strafalter zu senken. Diese Anlassgese­tzgebung steht uns, glaube ich, nicht gut an.

 ?? [Clemens Fabry] ?? „Die Lage ist dramatisch“, sagt Holzleitne­r über die Gewaltexze­sse.
[Clemens Fabry] „Die Lage ist dramatisch“, sagt Holzleitne­r über die Gewaltexze­sse.

Newspapers in German

Newspapers from Austria