„Brauchen dringend solidarische Männer“
SPÖ-Frauenvorsitzende Eva-Maria Holzleitner über SPÖ-Männeregos, ihre Attacken gegen die ÖVP-Frauenministerin und darüber, was sie negativen Kommentaren zu ihrem Äußeren in Social Media antwortet.
Die Presse: Frau Holzleitner, wo erleben Sie in Ihrem Alltag Benachteiligung oder Ungleichheit?
Eva-Maria Holzleitner: Man erlebt sie durchaus hier im Haus (Parlament, Anm.), teilweise im Umgang mit manchen Kollegen.
In Ihrer eigenen Partei?
Nein, vorwiegend habe ich jetzt an die Parlamentsdebatten gedacht, bei denen man einfach merkt, dass Kolleginnen, die sich stark für Gleichberechtigung einsetzen, besonders intensiv konfrontiert sind mit Zwischenrufen. Ein Kollege hat mich binnen eines halben Jahres dreimal als hysterisch bezeichnet und von allen drei Präsidiumsmitgliedern einen Ordnungsruf gekriegt. Das betrifft aber nicht nur mich. Beim Thema Schwangerschaftsabbruch ist es auch immer sehr emotionalisiert, bei dem einem sehr viel Gegenwind entgegenschlägt.
Wie empfinden Sie den medialen Umgang? Frauenministerin Raab sagt, dass man als Frau anders bewertet wird.
Ja, das ist der zweite Teil. Wenn man im TV auftritt oder ein Interview gibt, bekommt man sehr viele E-Mails, die sich nicht auf die inhaltliche Debatte beziehen, sondern darauf, dass man etwas Falsches anhat, dass die Frisur nicht passt oder man irgendwie nicht so grantig schauen darf. Das halte ich für sehr oberflächlich und hat eigentlich nichts mit meiner politischen Tätigkeit zu tun.
Wird das besser oder schlechter?
Medial ist es heftiger geworden. Durch Social Media ist es noch niederschwelliger. Letztens habe ich einfach eine Nachricht bekommen: „Du nervst.“(lacht) Da habe ich ironisch geantwortet: „Danke für die sachliche Kritik.“Oder es wurde auf der Internetplattform Jodel auch erörtert, ob ich „fuckable“sei.
Passiert das Ihren Klubkollegen auch?
Die erzählen eigentlich recht wenig, dass sie so direkte Angriffe bekommen. Frauen in der Politik, in den Medien sind dem eben ausgesetzt.
Junge Frauen ziehen sich heutzutage wieder im Sommer überweite Kleidung an, damit sie in der U-Bahn nicht belästigt werden. Auf (männliches) Fehlverhalten reagieren sie mit Rückzug. Bewegen wir uns in die falsche Richtung?
Es gibt sicher einen gewissen Backlash. Ich möchte dabei nur daran erinnern, wie wichtig es war, dass der „Po-Grapsch-Paragraph“eingeführt worden ist. Auch das ist Gewaltschutz. Hinterherrufen oder Dick Pics (Fotos von Penissen, Anm.) belasten junge Frauen. Wir brauchen ganz dringend solidarische Männer, die Feminismus und Frauenpolitik und Gleichstellung mittragen und auch fordern. Es braucht positive Männerbilder.
In Ihrer Partei schießen die Männer eher quer in Richtung Parteispitze.
Wir haben im letzten Jahr so viel über uns intern diskutiert, dass es an der Zeit wäre, eben nicht nur am Frauentag, sondern darüber hinaus, Lohntransparenz zu fordern, einen Rechtsanspruch auf einen Kinderbildungsplatz ab dem ersten Lebensjahr und alles andere hinten angestellt zu lassen. Wenn wir uns darauf einigen könnten, dann hätten wir schon einmal sehr viel geschafft.
Derweil aber erheben dieselben Männer in Ihrer Partei, die ihre Parteichefin im Vorjahr quasi abmontiert haben, wieder ihre Stimme gegen den aktuellen Parteivorsitzenden.
Da ist für mich meine Rolle als SPÖ-Frauenvorsitzende ganz klar. Ich habe mich damals bewusst an die Seite von Pamela Rendi-Wagner gestellt, genauso aber bei Birgit Gerstorfer, die ja in Oberösterreich auch gegangen worden ist. Da war für mich auch ganz klar, so geht man unter Genossinnen nicht miteinander um.
Ihr Aufschrei ist stets besonders bei den Frauenmorden laut, vor allem gegen Frauenministerin Susanne Raab, die Sie wiederholt zum Rücktritt aufgefordert haben. Verschieben Sie damit nicht die Verantwortung weg von den Tätern hin zu einer einzelnen Frau?
Das würde ich nicht so sehen, weil wir auch im vergangenen Jahr ganz klar gesagt haben, dass der fehlende Nationale Aktionsplan gegen Gewalt alle Ministerien betrifft. Natürlich braucht es da eine koordinierende Funktion,
die liegt nicht nur unserer Meinung nach im Frauenressort. Das sagt ja auch der Rechnungshof. Und dass wir uns einfach eine lautere Frauenministerin in der gesamten letzten Legislaturperiode gewünscht hätten, ist kein Geheimnis. Uns ist schon wichtig, dass wir Frauenmorde und Gewalt nicht politisch instrumentalisieren. Das halte ich für falsch. Aber die Verantwortung, die sie in ihrem Ressort trägt, die mahnen wir schon ein.
Ist es keine politische Instrumentalisierung, wenn der rote Studierendenverband VSStÖ Fotos von Raab mit blutverschmierten Händen postet?
Nein, das sehe ich nicht so. Sie persönlich trägt nicht Schuld für jeden einzelnen Fall. Das würde ich in dieser Form auch nie sagen. Aber ich glaube, sie hat eine politische Verantwortung. Und als Frauensprecherin sehe ich als erstes Gegenüber die Frauenministerin.
Die Sicherheit von Menschen in diesem Land ist auch die Aufgabe eines Innenministers, eines Bundeskanzlers, eines Vizekanzlers.
Ich hätte überhaupt kein Problem, wenn der Bundeskanzler Gewaltschutz für sich erkennt und sich für die Frauen auch einsetzt. Als Frauenorganisation sehen wir halt trotzdem unsere Aufgabe darin, frauenpolitisch wachzurütteln. Deshalb ist hier die Adressatin die Frauenministerin, aber der Nationale Aktionsplan adressiert natürlich alle Ministerien, egal, ob Frauen-, Innen-, Justiz- oder Bildungsminister.
Die Gewaltschutzzentren zeigen sich von den dramatischen Appellen, auch von Ihrer Seite, zunehmend irritiert, weil das Betroffenen vermittelt, dass es nirgends so schlimm sei wie in Österreich, und sie das abschrecken könnte, Hilfe zu suchen.
Wir versuchen immer, die Gewaltschutzangebote zu transportieren, und den Appell an Betroffene, sich an diese hochqualitativen Gewaltschutzeinrichtungen zu wenden. Sie leisten ja wirklich extrem gute Arbeit. Aber die Lage ist trotzdem dramatisch. Das ist so.
Statistisch belegbar ist die Aussage, wonach nirgendwo sonst so viele Femizide stattfinden, aber nicht. Trotzdem schreiben Sie das in Ihre Aussendungen immer wieder hinein.
Es ist schon Fakt, dass die Männermordrate in Österreich so extrem niedrig ist, dass die Frauenmordrate eklatant viel höher ist. Das ist ein österreichisches Spezifikum, weshalb wir auf diese dramatische Wortwahl kommen.
Sie fordern mit Ihrem Nationalen Aktionsplan eine Gesamtstrategie. Die Bundesregierung hat nach einem Arbeitsgespräch vergangene Woche mit allen Akteuren im Gewaltschutz von einem „Dach“gesprochen, das sie spannen will. Ist das nicht dasselbe?
Wir haben nach dem Arbeitsgespräch der Bundesregierung vergangene Woche unsere Unterstützung kundgetan. Wir halten die wissenschaftliche Begleitung, die Minister Rauch angesprochen hat, für essenziell. Es ist wichtig, dass das noch in der Legislaturperiode umgesetzt wird. Bei der Täterberatung bestehen etwa noch Lücken.
‘‘ Da war für mich auch ganz klar, so geht man unter Genossinnen nicht miteinander um. Eva-Maria Holzleitner SPÖ-Frauenvorsitzende
Wie sehen Sie die Debatte um Strafen für Eltern, wenn sich diese nicht am Bildungserfolg beteiligen wollen oder rund um die Strafmündigkeit von Kindern nach dem schrecklichen Fall der zwölfjährigen Wienerin?
Diese Vorschläge hat es immer wieder gegeben. Etwa, wenn man beim Elternsprechtag nicht erscheint, dann die Familienbeihilfe zu kürzen. Wir halten das nicht für zielführend, weil Prävention unserer Meinung nach auf Augenhöhe mit den Kindern und Jugendlichen auf anderer Ebene passiert. Es ist der falsche Ansatz, einfach stupide Geld zu kürzen. Die Eltern sollten über mündliche Leistungsbeurteilung hereingeholt werden. Dass der Fall der Zwölfjährigen niemanden kaltlässt, verstehe ich total. Dem Mädchen muss jegliche Unterstützung zukommen, die möglich ist. Aber wir sollten mit Experten Lösungen finden, damit sich solche Fälle nie mehr wiederholen. Der Verein Neustart, der auch im Bereich Bewährungshilfe tätig ist, etwa lehnt den Vorschlag ab, das Strafalter zu senken. Diese Anlassgesetzgebung steht uns, glaube ich, nicht gut an.