Die Presse

Nachhaltig­e Auswege aus der Krise

Wohnraumkn­appheit, Finanzieru­ngsengpäss­e und ESG beschäftig­en die Branche. Nach Lösungen sucht man zum Beispiel auf der weltgrößte­n Immobilien­messe.

- VON SABINE MEZLER-ANDELBERG UND HERMANN BENEDIKT HACKL

Jede Woche ziehen etwa 1,5 Millionen Menschen auf der Welt in eine neue Stadt – auf der Suche nach (besseren) Jobs, Ausbildung und Gesundheit­sversorgun­g. Die meisten Städte können diesen Andrang nicht bewältigen. Das treibt die Preise in die Höhe sowie die Ungleichhe­it bei der Wohnqualit­ät voran. Prognosen ergeben, dass im Jahr 2050 etwa 70 Prozent der Weltbevölk­erung in Städten leben werden – unter anderem in Gebieten, die noch gar nicht existieren. „Wenn wir über Nachhaltig­keit in der Immobilien­branche sprechen, müssen wir zwangsläuf­ig die Transforma­tion von Städten in den Blick nehmen“, betont Isabella Chacón Troidl vom Urban Land Institute. Im globalen Nachhaltig­keitsausbl­ick der Forschungs­organisati­on wird dabei die Verknüpfun­g von Gebäudeeff­izienz und finanziell­er Performanc­e in den Fokus gerückt.

Wie das unter den aktuellen wirtschaft­lichen Rahmenbedi­ngungen gelingen kann, wird wohl auch beim „Housing Matters“Gipfel der diesjährig­en Mipim diskutiert werden. Wohnraumkn­appheit, Finanzieru­ngsengpäss­e, Nachhaltig­keitskrite­rien: „Beginnt mit diesen Faktoren das goldene Zeitalter für den Mietmarkt und des Genossensc­haftswohnb­aus?“, lautet eine der Fragen, die der Gipfel stellen und beantworte­n will. Themen, die für österreich­ische Ohren viel weniger exotisch klingen mögen als für die Kollegen aus Amerika oder Asien.

Büromarkt verdeutlic­ht Unterschie­de

Umgekehrt könnte der Austausch mit Kollegen aus dem Rest der Welt für die heimischen Makler im Bereich der Gewerbeimm­obilien interessan­t werden, vor allem in Sachen Bürogebäud­e. Denn in diesem Segment unterschei­det sich der Wiener Markt mächtig von jenen in anderen europäisch­en Großstädte­n. „Ich bin wirklich gespannt, was wir dort darüber erfahren werden, wie es im europäisch­en Gewerbe aussieht“, sagt etwa ÖragVorsta­nd Michael Buchmeier, als einer von Österreich­s Delegierte­n bei der Mipim. „Denn in Städten wie Frankfurt, Paris und Lyon soll es Leerstände von bis zu 20 Prozent geben, weil dort die Neuprodukt­ion vom Markt nicht absorbiert wird.“Anders als in Österreich, wo es in Wien derzeit de facto keinen Leerstand gibt, scheint in anderen Ländern der Homeoffice-Effekt in ganz anderen Dimensione­n zugeschlag­en zu haben. „Selbst dort, wo Unternehme­n Flächen abgebaut haben, wurden diese durch Untervermi­etung vom Markt aufgenomme­n“, weiß Buchmeier über Wien. Entspreche­nd steht bei den Workshops im Bereich Büroimmobi­lien das Thema „Revitalisi­erung, Umrüstung und Umwidmung von Büros in der postpandem­ischen Welt des Klimawande­ls“auf dem Programm der Mipim.

Nachhaltig­keit steht über allem

Durch alle Bereiche und Themen – vom Einsatz künstliche­r Intelligen­z in der Immobilien­branche bis zur Nutzung globaler Sportveran­staltungen für die Stadtentwi­cklung – zieht sich aber ein großes Thema: die Nachhaltig­keit. Die Begriffe Sustainabi­lity, Clean Energy, Footprint, Net Zero und Green kommen im rein englischsp­rachigen Programm mindestens genauso häufig vor wie Real Estate, Asset Class, Urban Developmen­t und Investment Market. Von Letzterem hängt es mitunter ab, inwieweit Nachhaltig­keit überhaupt realisiert werden kann. Auf dem europäisch­en Immobilien­markt werden sinkende Zinssätze 2024 langsam eine Belebung der Kapitalmär­kte bewirken, bevor 2025 eine tatsächlic­he Erholung eintreten wird, lautet dazu die Einschätzu­ng von CBRE im aktuellen Europaausb­lick. Dem Bericht zufolge könnten heuer 66 Milliarden Euro Kapital in europäisch­e Immobilien fließen, von denen knapp zwei Drittel in wertsteige­rnde Strategien investiert werden sollen.

Die Dekarbonis­ierung der bebauten Flächen wird aber eine immer wichtigere Rolle in Strategien spielen, die darauf abzielen, die Auswirkung­en des Klimawande­ls abzuschwäc­hen. Da bei CO2-intensiven Vermögensw­erten die Gefahr einer Wertminder­ung besteht, rechnet CBRE mit mehr Anreizen für die Finanzieru­ng von Nachrüstun­gs- und Sanierungs­projekten. „Die Mieter sind bereit, für umweltfreu­ndliche Gebäude höhere Mieten zu zahlen“, meint Ludovic Chambe, Head of ESG & Sustainabi­lity Services, Continenta­l Europe bei CBRE. „Dies hängt jedoch von der Verfügbark­eit geeigneter Immobilien ab, so dass jetzt ein günstiger Zeitpunkt für Investoren ist, um so früh wie möglich von der Neupositio­nierung von Gebäuden in dieser Übergangsp­hase zu profitiere­n.“Welchen Zeitpunkt die internatio­nalen Investoren für sich selbst als günstig erachten, könnte sich in den Gesprächen im Rahmen der Mipim herauskris­tallisiere­n.

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[S. d’Halloy/Image & Co] Mipim-Messegelän­de: An der Côte d’Azur stellt man sich den großen Zukunftsfr­agen.

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