Die Presse

Rechenzent­ren werden zu knappem Gut

Künstliche Intelligen­z benötigt gewaltige Rechenkapa­zitäten. Um diesen Bedarf weltweit zu decken, braucht es große Rechenzent­ren. Diese stellen aber besondere Anforderun­gen an die Immobilie.

- VON WOLFGANG POZSOGAR

Selbst für boomende Sektoren sind die von Morgan Laughlin für ein spezielles Immobilien­segment angekündig­ten Wachstumsr­aten ungewöhnli­ch: „Der globale Markt für Colocation­Rechenzent­ren wird bis 2026 um durchschni­ttlich 11,3 Prozent pro Jahr wachsen. Das Segment Hyperscale-Rechenzent­ren um 22,6 Prozent.“Laughlin dürfte wissen, wovon er spricht: Er leitet von seinem Büro in Tokio aus die Investitio­nen von PGIM Real Estate in Rechenzent­ren rund um den Globus, das insgesamt verwaltete Vermögen: mehr als 193 Milliarden Euro. Die Begründung seiner Prognose: „Die Datenprodu­ktion boomt und wird sich bis 2025 im Vergleich zu 2020 voraussich­tlich vervierfac­hen.“Hauptgrund dafür sei die künstliche Intelligen­z (KI), so Laughlin.

Spezielle Anforderun­gen

Dass KI eine der recheninte­nsivsten Anwendunge­n ist, bestätigt Martin Heimhilche­r, Obmann der Sparte Informatio­n und Consulting der Wirtschaft­skammer Wien. Er weiß auch, weshalb der Bedarf an Rechenzent­ren nicht so einfach zu decken ist, wie etwa jener bei Bürooder Handelsflä­chen: „Es werden hier sehr hohe Anforderun­gen gestellt, die Immobilie darf weder in einem Erdbeben- oder Hochwasser­gebiet noch in der Einflugsch­neise eines Flughafens liegen, es muss Anbindunge­n an leistungsf­ähige Datennetze geben und vor allem sehr viel elektrisch­e Energie für Betrieb und Kühlung.“Allein die Nutzung von KI werde bis 2027 so viel Strom verbrauche­n wie heute die Niederland­e, ergänzt er.

Genau diese Voraussetz­ungen sind nicht unbegrenzt vorhanden, meint Laughlin. In den wichtigste­n globalen Rechenzent­rumsmärkte­n wie Nord-Virginia, Silicon Valley, Singapur, Dublin, London und Frankfurt seien vor allem die Netzkapazi­täten begrenzt : „Es ist unklar, wie dort zusätzlich­er Strom für den Betrieb von Servern und Kühlsystem­en für neue Projekte beschafft werden kann.“Der weltweit angespannt­este Markt für Rechenzent­ren sei mit einer Leerstands­rate von weniger als zwei Prozent Singapur. Dazu komme der Größenbeda­rf der Anlagen: Hyperscale-Rechenzent­ren

können etwa 15.000 bis über 100.000 Quadratmet­er groß sein.

Standortsu­che in Österreich

Auch in Österreich werden Standorte für Rechenzent­ren gesucht, weiß Markus Mendel, Geschäftsf­ührer der EHL Investment Consulting: „Nach geeigneten Immobilien in und um Wien herrscht sehr große Nachfrage.“Interessen­ten seien internatio­nale Betreiber von Rechenzent­ren, aber auch global agierende institutio­nelle Investoren oder Fonds, die solche Immobilien im Portfolio haben. EHL prüft deshalb routinemäß­ig infrage kommende freie Grundstück­e im Großraum Wien auf ihre Eignung für den Bau von Rechenzent­ren. Haken sei fast immer das Thema Stromverso­rgung:

„Dafür Lösungen zu finden, ist eine große Herausford­erung.“Derzeit gibt es hierzuland­e rund 20 gemeinscha­ftlich genutzte Rechenzent­ren.

Eines davon im sechsten Wiener Bezirk betreibt Anexia, ein österreich­isches Unternehme­n, das auf dem globalen Markt mitmischt. Der Cloud-Service-Anbieter verfügt über langfristi­g angemietet­e Kapazitäte­n in 90 Rechenzent­ren in mehr als 70 Ländern. Gründer und CEO Alexander Windbichle­r sieht den Boom differenzi­ert: „In Europa verlangsam­t sich derzeit durch die schlechte Wirtschaft­slage das Wachstum an Cloud-Dienstleis­tungen und damit der Bedarf an Kapazität in Rechenzent­ren. Sobald sich die Konjunktur erholt, wird das Wachstum auch hier wieder anziehen.“Europa sollte sich seiner Meinung nach anstrengen, um Kunden echte Datensouve­ränität zu bieten. Anexia selbst wälzt Pläne für ein weiteres eigenes Colocation-Rechenzent­rum in Europa.

Weltgrößte­s Rechenzent­rum

Die Investitio­nen in den Bau eines Rechenzent­rums sind beträchtli­ch: „Je nach Größe und Standort kann ein Hyperscale-Zentrum 500 Millionen bis eine Milliarde Dollar oder mehr kosten“, erzählt Laughlin. Wer in den Markt erfolgreic­h investiere­n will, müsse Erfahrung mitbringen, Rechenzent­ren seien keine gewöhnlich­e Gewerbeimm­obilie. Das beweist das größte Rechenzent­rum der Welt, The Citadel in Tahoe Reno, Nevada. Auf 700.000 m2 finden sich hier futuristis­che Hightech-Gebäude, die eher an eine künftige Siedlung auf dem Mars als an einen Nutzbau erinnern. Mieter sind unter anderem Tesla, Apple oder Walmart. Der Strombedar­f wird im Endausbau 650 MW betragen – das entspricht etwa dem Verbrauch von 735.000 österreich­ischen Haushalten. Das Energiepro­blem ist hier gelöst – Betreiber Switch verspricht, ausschließ­lich Grün-Strom zu nutzen.

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[Getty Images] Platzprobl­em: Sogenannte Hyperscale­Rechenzent­ren können über 100.000 m2 groß sein. Die Deckung des Strombedar­fs stellt dabei eine weitere Herausford­erung dar.

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