Rechenzentren werden zu knappem Gut
Künstliche Intelligenz benötigt gewaltige Rechenkapazitäten. Um diesen Bedarf weltweit zu decken, braucht es große Rechenzentren. Diese stellen aber besondere Anforderungen an die Immobilie.
Selbst für boomende Sektoren sind die von Morgan Laughlin für ein spezielles Immobiliensegment angekündigten Wachstumsraten ungewöhnlich: „Der globale Markt für ColocationRechenzentren wird bis 2026 um durchschnittlich 11,3 Prozent pro Jahr wachsen. Das Segment Hyperscale-Rechenzentren um 22,6 Prozent.“Laughlin dürfte wissen, wovon er spricht: Er leitet von seinem Büro in Tokio aus die Investitionen von PGIM Real Estate in Rechenzentren rund um den Globus, das insgesamt verwaltete Vermögen: mehr als 193 Milliarden Euro. Die Begründung seiner Prognose: „Die Datenproduktion boomt und wird sich bis 2025 im Vergleich zu 2020 voraussichtlich vervierfachen.“Hauptgrund dafür sei die künstliche Intelligenz (KI), so Laughlin.
Spezielle Anforderungen
Dass KI eine der rechenintensivsten Anwendungen ist, bestätigt Martin Heimhilcher, Obmann der Sparte Information und Consulting der Wirtschaftskammer Wien. Er weiß auch, weshalb der Bedarf an Rechenzentren nicht so einfach zu decken ist, wie etwa jener bei Bürooder Handelsflächen: „Es werden hier sehr hohe Anforderungen gestellt, die Immobilie darf weder in einem Erdbeben- oder Hochwassergebiet noch in der Einflugschneise eines Flughafens liegen, es muss Anbindungen an leistungsfähige Datennetze geben und vor allem sehr viel elektrische Energie für Betrieb und Kühlung.“Allein die Nutzung von KI werde bis 2027 so viel Strom verbrauchen wie heute die Niederlande, ergänzt er.
Genau diese Voraussetzungen sind nicht unbegrenzt vorhanden, meint Laughlin. In den wichtigsten globalen Rechenzentrumsmärkten wie Nord-Virginia, Silicon Valley, Singapur, Dublin, London und Frankfurt seien vor allem die Netzkapazitäten begrenzt : „Es ist unklar, wie dort zusätzlicher Strom für den Betrieb von Servern und Kühlsystemen für neue Projekte beschafft werden kann.“Der weltweit angespannteste Markt für Rechenzentren sei mit einer Leerstandsrate von weniger als zwei Prozent Singapur. Dazu komme der Größenbedarf der Anlagen: Hyperscale-Rechenzentren
können etwa 15.000 bis über 100.000 Quadratmeter groß sein.
Standortsuche in Österreich
Auch in Österreich werden Standorte für Rechenzentren gesucht, weiß Markus Mendel, Geschäftsführer der EHL Investment Consulting: „Nach geeigneten Immobilien in und um Wien herrscht sehr große Nachfrage.“Interessenten seien internationale Betreiber von Rechenzentren, aber auch global agierende institutionelle Investoren oder Fonds, die solche Immobilien im Portfolio haben. EHL prüft deshalb routinemäßig infrage kommende freie Grundstücke im Großraum Wien auf ihre Eignung für den Bau von Rechenzentren. Haken sei fast immer das Thema Stromversorgung:
„Dafür Lösungen zu finden, ist eine große Herausforderung.“Derzeit gibt es hierzulande rund 20 gemeinschaftlich genutzte Rechenzentren.
Eines davon im sechsten Wiener Bezirk betreibt Anexia, ein österreichisches Unternehmen, das auf dem globalen Markt mitmischt. Der Cloud-Service-Anbieter verfügt über langfristig angemietete Kapazitäten in 90 Rechenzentren in mehr als 70 Ländern. Gründer und CEO Alexander Windbichler sieht den Boom differenziert: „In Europa verlangsamt sich derzeit durch die schlechte Wirtschaftslage das Wachstum an Cloud-Dienstleistungen und damit der Bedarf an Kapazität in Rechenzentren. Sobald sich die Konjunktur erholt, wird das Wachstum auch hier wieder anziehen.“Europa sollte sich seiner Meinung nach anstrengen, um Kunden echte Datensouveränität zu bieten. Anexia selbst wälzt Pläne für ein weiteres eigenes Colocation-Rechenzentrum in Europa.
Weltgrößtes Rechenzentrum
Die Investitionen in den Bau eines Rechenzentrums sind beträchtlich: „Je nach Größe und Standort kann ein Hyperscale-Zentrum 500 Millionen bis eine Milliarde Dollar oder mehr kosten“, erzählt Laughlin. Wer in den Markt erfolgreich investieren will, müsse Erfahrung mitbringen, Rechenzentren seien keine gewöhnliche Gewerbeimmobilie. Das beweist das größte Rechenzentrum der Welt, The Citadel in Tahoe Reno, Nevada. Auf 700.000 m2 finden sich hier futuristische Hightech-Gebäude, die eher an eine künftige Siedlung auf dem Mars als an einen Nutzbau erinnern. Mieter sind unter anderem Tesla, Apple oder Walmart. Der Strombedarf wird im Endausbau 650 MW betragen – das entspricht etwa dem Verbrauch von 735.000 österreichischen Haushalten. Das Energieproblem ist hier gelöst – Betreiber Switch verspricht, ausschließlich Grün-Strom zu nutzen.