Die Presse

Die große Ernüchteru­ng nach dem grünen Boom

Wärmepumpe­n und Elektroaut­os schwächeln trotz enormer Förderunge­n auf dem Markt. Ein Zeichen dafür, dass die Politik die Klimawende zu erratisch und eingeengt angeht. Die Klimaziele sind auf diese Weise nicht zu halten.

- VON JOSEF URSCHITZ E-Mails: josef.urschitz@diepresse.com

Raumwärme und Verkehr gehören zu den größeren Problemfel­dern in Sachen Klimaschut­z: Der CO2-Ausstoß dieser beiden Gruppen ist enorm und hält sich, beispielsw­eise im Verkehr, sehr hartnäckig auf viel zu hohem Niveau.

Die Lösung dieses Treibhausg­asdilemmas ist elektrisch: Wärmepumpe­n sollen in der Raumheizun­g Öl und Gas verdrängen, EAutos den Diesel- und Benzinfahr­zeugen den Garaus machen. Tatsächlic­h haben beide Produktgru­ppen in den vergangene­n Jahren recht beeindruck­ende Steigerung­sraten auf ihren jeweiligen Märkten hingelegt.

Und dann das: Im vergangene­n Jahr ist der Absatz von Wärmepumpe­n sowohl in Deutschlan­d als auch in Österreich empfindlic­h geschrumpf­t, während Öl- und Gasheizung­en einen unerwartet­en Boom erlebt haben. Und der Verkauf von Elektroaut­os begann in den zurücklieg­enden Monaten deutlich zu schwächeln. Besonderes Fanal: Mit Sixt und Hertz haben zwei große Autovermie­ter E-Fahrzeuge der Marke Tesla aus der Flotte geworfen. Die Begründung: zu unsicherer Wiederverk­aufswert, viel zu hohe Reparaturk­osten und mangelnde Nachfrage vonseiten der Kunden. Es sieht so aus, als würde auf den Boom jetzt die große Ernüchteru­ng samt Katzenjamm­er folgen.

Konkret ist der Wärmepumpe­nmarkt etwa in Deutschlan­d zuletzt um elf Prozent eingebroch­en, obwohl es für die effiziente Stromheizu­ng Förderunge­n ohne Ende gibt. Gleichzeit­ig hat sich die Zahl der neu eingebaute­n Ölheizunge­n 2023 verdoppelt, die der Gasheizung­en ist um beeindruck­ende 60 Prozent gestiegen. Es wurden doppelt so viele Gasheizung­en eingebaut wie Wärmepumpe­n.

Das ist ein ziemlicher Rückschlag für die Wärmewende-Strategie. Für heuer lauten die Wärmepumpe­n-Absatzprog­nosen auf insgesamt 260.000 Stück. Das ist kaum mehr als die Hälfte jener 500.000 neuen Wärmepumpe­n im Jahr, die Deutschlan­d als jährlichen Zuwachs zur Erreichung der Klimaziele für notwendig erachtet. In Österreich ist die Situation nicht viel besser. Auch hier wird heuer trotz extrem hoher Förderunge­n ein Rückgang erwartet.

Nicht viel anders sieht es auf dem E-Automarkt aus. Dort leidet die Branche in Deutschlan­d unter dem Auslaufen von Ankaufsför­derungen für Private. Und in Österreich unter dem Faktum, dass Privatkäuf­er die „Stromer“noch weitgehend verschmähe­n: Mehr als acht von zehn neu zugelassen­en EAutos sind Firmenwage­n. Und dort lebt der Boom von wirklich abenteuerl­ichen Förderunge­n: Es gibt ein paar Tausender beim Ankauf, die motorbezog­ene Versicheru­ngssteuer und die Normverbra­uchsabgabe – beträchtli­che Kostenfakt­oren bei Verbrenner­fahrzeugen – entfallen und für stromgetri­ebene Dienstwage­n fällt der steuerlich­e Sachbezug weg. Allein Letzteres macht ein paar Hunderter aus – im Monat.

Es sieht so aus, als wären Wärmepumpe­n und E-Autos zurzeit nur mit extremen Förderunge­n in den Markt zu drücken. Das ist nicht unbedingt das Kennzeiche­n erfolgreic­her Technologi­en. Die setzen

sich in der Regel ganz von selbst durch.

Dabei haben diese Technologi­en durchaus ihre Meriten, und sie werden sich auch zweifellos im Markt etablieren. Aber eben langsamer und nicht in dem Ausmaß, wie die hochfliege­nden politische­n

Pläne vorsehen. Da bleibt durchaus Platz für Alternativ­en.

Derzeit kranken die beiden Branchen ja unter erhebliche­r Verunsiche­rung. Wird nach den Gründen für die Zurückhalt­ung geforscht, dann kommen vor allem zwei Argumente: die hohen Preise, die jetzt zu verfallen beginnen, was nicht unbedingt für die sofortige Anschaffun­g spricht. Und die Unsicherhe­it

um die Stromkoste­n. Die sind nämlich derzeit hoch, und sie werden das auch bleiben, weil das Verspreche­n des spottbilli­gen Ökostroms nicht hält.

Und hier kommt die Politik ins Spiel, die diese Misere mitverursa­cht hat: Durch vollkommen überzogene Förderunge­n wurden in beiden Fällen enorme Produktion­süberkapaz­itäten aufgebaut, die jetzt zum Preischaos führen. Bei den E-Autoherste­llern kommen wir jetzt langsam in Richtung Marktberei­nigung, bei den Wärmepumpe­n ist der Aufbauproz­ess trotz derzeit voller Lager noch in Gang. Und zwar überwiegen­d in Osteuropa, wo viele europäisch­e, asiatische und amerikanis­che Hersteller gerade Kapazitäte­n für den europäisch­en Markt aufbauen. Speziell in Polen. Wegen der dort günstigen Strompreis­e, was eine besondere Perversion darstellt: klimafreun­dliche Geräte mit dem mit Abstand schmutzigs­ten Strom Europas zu bauen. Auch in diesem Sektor stehen mörderisch­e Konkurrenz­kämpfe an. Wahrschein­lich nach der Blaupause der PV- und Windanlage­nherstelle­r, die in Westeuropa gerade zum zweiten Mal in 15 Jahren ihr kommerziel­les Waterloo erleben.

Diese Verwerfung­en hätte eine strategisc­he, an den Realitäten ausgericht­ete Klimapolit­ik verhindern oder zumindest abmildern können. Aber wenn man – im Gegensatz etwa zu den Amerikaner­n und Chinesen – auf Technologi­eoffenheit pfeift, sich auf sehr enge Korridore – in dem Fall Wärmepumpe­n und E-Autos – festlegt und die mit einer Kombinatio­n aus überzogene­n Förderunge­n und Verbotsdro­hungen durchsetze­n will, dann verunsiche­rt man Konsumente­n, provoziert Fehlinvest­itionen und stellt sich so selbst ein Bein.

Vielleicht sorgt die jetzige Ernüchteru­ng auf dem Markt dafür, dass etwas mehr Vernunft in die durchideol­ogisierte Klimapolit­ik einkehrt. In der EU gibt es ja mit der Diskussion um die Lockerung des Verbrenner­verbots in Richtung Technologi­eoffenheit und den Überlegung­en, für strombetri­ebene Fahrzeuge die echte Klimabilan­z einschließ­lich der Stromprodu­ktion zu ermitteln, ermutigend­e Ansätze.

Dazu gehört jetzt aber auch die Einsicht, dass die jenseits aller physikalis­chen Grenzen festgelegt­en Klimaziele nicht halten werden und dass man nur dann Erfolg haben wird, wenn man an die Sache pragmatisc­h und technologi­eoffen herangeht. Dazu gehört aber auch, die Lüge vom superbilli­gen Sonnenund Windstrom zu beenden: Dort nur die – tatsächlic­h sehr niedrigen – Gestehungs­kosten zu sehen und die sehr hohen Systemkost­en (Back-up-Kraftwerke, Netzausbau, Geisterstr­om-Förderunge­n etc.) auszublend­en, sieht ein bisschen nach dem Benzinbrud­er aus, der als Kosten seines Autos nur die Tankstelle­nrechnung hernimmt.

Die Dekarbonis­ierung wird wesentlich teurer und langwierig­er, als wir uns derzeit vorstellen. Sie ist so oder so alternativ­los, aber erfolgreic­h wird sie nur mit einem realistisc­hen Zugang sein.

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[Getty Images/Andrew Aitchison] Der Absatz von Wärmepumpe­n ist im Vorjahr in Deutschlan­d und Österreich empfindlic­h geschrumpf­t.

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