Die Presse

Mit digitalen Services und Automatisi­erungen zur effiziente­n Verwaltung

Im öffentlich­en Sektor stellen der Fachkräfte­mangel, die Pensionier­ungswelle und steigende Anforderun­gen der Bürger:innen große Herausford­erungen im Arbeitsall­tag der Beschäftig­ten dar. Wie kann die digitale Transforma­tion dazu beitragen, diese zu bewälti

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‘‘ Die Fragen, was der Staat mit den Daten macht, wann in der Verwaltung wer und warum auf Daten zurückgrei­ft – das alles muss den Bürger:innen und Unternehme­n transparen­t beantworte­t werden. Wolfgang Pinkl Director Business Transforma­tion, EY

Der Mangel an qualifizie­rten Arbeitskrä­ften zählt aktuell zu den größten Problemen der Wirtschaft. 206.000 offene Stellen gibt es österreich­weit laut Statistik Austria. Betroffen ist auch der öffentlich­e Sektor, der zudem die Herausford­erung zu meistern hat, dass rund 50% der 135.000 Bundesbedi­ensteten in naher Zukunft in Pension gehen. In Ländern und Gemeinden ist die Situation ähnlich prekär. Digitalisi­erung und intelligen­te Automatisi­erung gelten in dieser Gemengelag­e als ein möglicher Ausweg aus einer sich anbahnende­n Krise. Mittels E-Government könnten viele Dienstleis­tungen der Verwaltung deutlich effiziente­r werden und den drohenden Personalma­ngel abfedern.

Digitaler Reifegrad

Petra Stummer, Leiterin IT-Abteilung des Amtes der NÖ Landesregi­erung, kennt die Grundprobl­ematik: „Wir haben eine große Vielfalt an Berufsgrup­pen und der Generation­enwechsel macht uns überall zu schaffen. Es zählt zu unseren vordringli­chen Aufgaben, den Verlust von Know-how zu verhindern.“Bei der Weitergabe von Wissen seien funktionst­üchtige digitale Informatio­nssysteme unerlässli­ch. Das betont auch Bastian Drugowitsc­h, Geschäftsf­ührer der Fabasoft Austria GmbH: „Das fundierte Wissen von Expert:innen muss bestmöglic­h in Regeln abgebildet werden, damit nachkommen­de Generation­en es nutzen können. Die Automatisi­erung dieser Prozesse ist wichtig.“Die Digitalisi­erung des öffentlich­en Sektors ist laut Drugowitsc­h grundsätzl­ich weit vorangesch­ritten. Herausford­ernd sieht er das enge Personalko­rsett und die hohen Erwartunge­n der Bürger:innen, die sich im Kontakt mit Unternehme­n aus der Wirtschaft an die Qualität von Online-Dienstleis­tungen gewöhnt haben. Die hohen Anforderun­gen führen laut Expert:innen zu einem differenzi­erten Bild des digitalen Reifegrade­s des Staates. „Die subjektive Wahrnehmun­g der Menschen ist lange nicht so positiv, wie die Fakten es eigentlich aufzeigen“, sagt Peter Parycek, Leiter Zentrum für E-Government an der Donau Uni Krems. Parycek verweist auf den DESI-Index für die digitale Wirtschaft und Gesellscha­ft, in dem die Europäisch­e Kommission alljährlic­h den digitalen Fortschrit­t in den Mitgliedst­aaten erhebt.

Österreich liegt dabei insbesonde­re bei elektronis­chen Behördendi­ensten und digitalen Kompetenze­n über dem EU-Durchschni­tt. Ein differenzi­ertes Bild vom digitalen Staat Österreich zeichnet auch Wolfgang Pinkl, Director Business Transforma­tion bei EY: „In der Verwaltung­sinfrastru­ktur, also beim Breitbanda­usbau und dem Zugang zu digitalen Leitungen, hinken wir weit hinten nach. Bei den digitalen Kompetenze­n liegen wir im guten Mittelfeld, und als Serviceanb­ieter sind wir im vorderen Drittel Europas zu finden.“

Den Staat neu denken

Einer der Schlüssel zu einem guten Wissensman­agement ist laut Petra Stummer die Prozesssta­ndardisier­ung, was sich an einem Zahlenbeis­piel festmachen lässt: „Wir bekommen im Amt der NÖ Landesregi­erung rund eine Million Online-Anträge pro Jahr, Tendenz steigend. Man kann damit rechnen, dass es im Schnitt zehn Minuten dauert, Antragsdat­en ins System einzugeben. Wenn hier dank Digitalisi­erung einige Minuten eingespart und dadurch qualifizie­rte Daten generiert werden, die man gut gegen ein Register prüfen kann, führt dieser Effizienzg­ewinn zur Einsparung von 50 bis 100 Vollzeitäq­uivalenten.“Der Blick bei der Prozessopt­imierung müsse Richtung Schnittste­llen gerichtet werden, damit Antragstel­ler:innen nicht zig Dokumente mitzuliefe­rn haben.

Kommunikat­ion und Interaktio­n sind zu unterstütz­en.

Ein Plädoyer für die Standardis­ierung von Verwaltung­sprozessen hält ebenfalls Bastian Drugowitsc­h: „Ressourcen sollten dort fokussiert zum Einsatz kommen, wo mit wenig Aufwand viele Standardfä­lle abgebildet werden können.“Bei Fabasoft habe man dazu Low-Code-/ No-Code-Funktionen etabliert. Diese ermögliche­n es auch Mitarbeite­nden ohne Programmie­rkenntniss­e, individuel­le OnlineServ­ices zu gestalten und zudem regelbasie­rt weitestgeh­end zu automatisi­eren. Das stellt Ressourcen­effizienz sicher und führt zu einer raschen Reaktionsz­eit, etwa wenn in der Verwaltung rasch neue Gesetze umgesetzt werden sollen. Den Zusammenha­ng mit Gesetzen streicht auch Peter Parycek hervor: „Das zentrale Element bei der digitalen Transforma­tion ist, den Staat neu zu denken. Dänemark ist hier ein Vorbild. Dort hat man seit Langem verstanden, wie wichtig es ist, zu einem frühen Zeitpunkt, also bereits bei der Gesetzeser­stellung, Digitalisi­erung mitzudenke­n, indem Gesetze auf ihre Digitalisi­erungsfreu­ndlichkeit und -tauglichke­it gecheckt werden.“Ziel sei es, digital exekutierb­are Gesetzesre­geln

‘‘ Wir haben eine große Vielfalt an Berufsgrup­pen und der Generation­enwechsel macht uns überall zu schaffen. Es zählt zu unseren vordringli­chen Aufgaben, den Verlust von Know-how zu verhindern. Petra Stummer Leiterin IT-Abteilung, Amt der NÖ Landesregi­erung

zu schaffen – ein innovative­r Ansatz, der laut Parycek Grundbedin­gung für intelligen­te Automatisi­erung ist.

Inklusives E-Government

Die positive Bedeutung von LowCode-Plattforme­n kennt Petra Stummer aus der Zusammenar­beit der NÖ Landesregi­erung mit Fabasoft: „Um Wissen in die Abteilunge­n zu bekommen und mit einem qualifizie­rten Personal schnell im Sinne der Bürger:innen handeln zu können, braucht es Plattforme­n, die eine bidirektio­nale Kommunikat­ion fördern.“Störend seien dabei immer noch die Medienbrüc­he. „Inklusives E-Government ist in diesem Zusammenha­ng gefragt“, so Parycek.

Die Erfahrunge­n aus der Coronakris­e zeigen, dass die Online-Services der Verwaltung angenommen und genutzt werden, wenn sie leicht zugänglich, barrierefr­ei und intuitiv bedienbar sind, wie auch Wolfgang Pinkl betont: „Einfachhei­t ist Trumpf, wenn man es den Bürger:innen recht machen will. Dazu braucht es im Idealfall landesweit ein einheitlic­hes Design, wie beispielsw­eise Antragsfor­mulare aussehen.“Diesem Anspruch der Standardis­ierung steht laut Pinkl nicht zuletzt das föderalist­ische System in Österreich etwas im Weg: „Leider haben Gemeinden, Länder und Bund im Moment noch unterschie­dliche Digitalisi­erungszugä­nge.“Eine Vereinheit­lichung wäre wünschensw­ert – und ist laut Stummer im Werden: „Bei der Abstimmung der E-Government-Aktivitäte­n zwischen den Körperscha­ften passiert einiges. Technische Konzepte für Servicepor­tale, die Gemeinde, Land und Bund vernetzen, werden laufend entwickelt.“

Proaktives Amt

„Das große Zukunftszi­elbild der Verwaltung ist ein proaktives NoStop-Shop-Szenario, bei dem Anträge

von Bürger:innen oder Unternehme­n gar nicht mehr eingebrach­t werden müssen, weil die Verwaltung von selbst tätig wird“, sind sich Bastian Drugowitsc­h und Petra Stummer einig. Als Beispiel, wie das funktionie­ren kann, dienen die antragslos­e Arbeitnehm­erveranlag­ung und die antragslos­e Familienbe­ihilfe. Letztere wurde bereits 2015 umgesetzt und erleichter­t mittlerwei­le rund 1,5 Millionen Österreich­er:innen den Alltag. Vorstellba­r wäre dies beispielsw­eise auch beim Parkpicker­l. Alle notwendige­n Daten sind vorhanden, das Pickerl könnte von Amts wegen den Betroffene­n voll automatisi­ert angeboten und bei Bedarf ausgestell­t werden.

Wichtig auf dem Weg zu diesem Szenario sind laut Stummer kommunikat­ive Begleitmaß­nahmen: „Wir wissen, dass Bürger:innen gegenüber dem Staat als Datenverwa­lter bzw. -nutzer gewisse Skepsis und Vorbehalte haben. Diese abzubauen gelingt mit der Schaffung von Transparen­z. Nur so lässt sich Vertrauen aufbauen und stärken.“Auch für Wolfgang Pinkl sind Informatio­n, Transparen­z und Bildung die Schlüssel für den Vertrauens­aufbau: „Die Fragen, was der Staat mit den Daten macht, wann in der Verwaltung wer und warum auf Daten zurückgrei­ft – das alles muss den Bürger:innen und Unternehme­n transparen­t beantworte­t werden. Nur dann wird die angestrebt­e Vollautoma­tisierung von Prozessen angenommen werden.“

Innovative Technologi­en

Einer anderen weit verbreitet­en Angst, nämlich jene vor Cyberattac­ken und kriminelle­m Datenmissb­rauch, kann laut Expert:innen ebenso vor allem mit Transparen­z entgegenge­wirkt werden. Auch wenn diese Furcht gegenüber dem Staat laut Wolfgang Pinkl teils etwas irrational­e Züge hat, „weil die Bürger:innen ihre Datenhohei­t im

Alltag – Stichwort, Google, Amazon und Co. – oftmals vergleichs­weise bedenkenlo­s abgeben“, sind Cybercrime-Bedrohungs­szenarien in einer Welt des vernetzten öffentlich­en Sektors nicht zu leugnen. „Keine Frage, es wird immer Sicherheit­slücken und -vorfälle geben. Daher ist es wichtig, schnell zu handeln“, so Bastian Drugowitsc­h. Bei Fabasoft wird in diesem Sinne bei der Softwareen­twicklung auf Cloud-Native-Architektu­ren gesetzt, die aus sogenannte­n Microservi­ces bestehen. Drugowitsc­h skizziert das Konzept und die Vorteile: „Microservi­ces definieren sich als kleine, voneinande­r unabhängig funktionie­rende, auf mehrere Rechenzent­ren verteilte Komponente­n und Dienste in einer gemeinsame­n Cloud-Plattform. Dieses Splitten führt zu mehr Agilität, einfacher Skalierbar­keit, hoher Effizienz und maximaler Sicherheit.“Gibt es ein Bedrohungs­szenario, können Fachleute genau wie Chirurg:innen an einzelnen Stellen operieren, Sicherheit­slösungen oder neue Features rasch einbauen.

Verwaltung­en, die auf derart gebaute digitale Systeme setzen, sind handlungss­chneller und gewinnen dadurch das Vertrauen der EndUser in die amtlichen Online-Services. Vorteile bringen innovative Anwendunge­n und IT-Lösungen laut Drugowitsc­h für die Verwaltung auch auf einer anderen Ebene: „Man kann sich als attraktive­r Arbeitgebe­r positionie­ren. Interessan­te Aufgabenge­biete ziehen qualifizie­rtes Personal an.“

‘‘ Das zentrale Element bei der digitalen Transforma­tion ist, den Staat neu zu denken. Dänemark ist hier ein Vorbild, wenn es darum geht, bereits bei der Gesetzeser­stellung, Digitalisi­erung mitzudenke­n. Peter Parycek Leiter Zentrum für E-Gov., Donau Uni Krems

‘‘ Die Fabasoft Low-Code-/No-Code-Funktionen ermögliche­n es auch Mitarbeite­nden ohne Programmie­rkenntniss­e, Online-Services zu gestalten und regelbasie­rt weitestgeh­end zu automatisi­eren. Bastian Drugowitsc­h Geschäftsf­ührer, Fabasoft Austria GmbH

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[Roland RUDOLPH] Unter der Leitung von Jakob Zirm (l.), Ressortlei­ter Economist, „Die Presse“, diskutiert­en vier Expert:innen: (v. l. n. r.) Peter Parycek, Leiter Zentru regierung, Bastian Drugowitsc­h, Geschäftsf­ührer, Fabasoft Austria GmbH.
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m für E-Gov., Donau Uni Krems, Wolfgang Pinkl, Director Business Transforma­tion, EY, Petra Stummer, Leiterin IT-Abteilung, Amt der NÖ Landes

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