Die Presse

Das rosa Sparbuch reicht nicht

Die Ungleichhe­it zwischen Männern und Frauen setzt sich im Geldleben fort. Es ist höchste Zeit, dies zu ändern.

- VON GERDA HOLZINGER-BURGSTALLE­R debatte@diepresse.com

Gendermedi­zinische Studien enthüllen, dass Frauen immer noch systematis­ch schlechter­e medizinisc­he Versorgung als Männer erhalten, da Letztere oft als Standard galten. Und das, obwohl es mehr Frauen auf der Welt gibt. Die Schlechter­stellung hat teilweise dramatisch­e Folgen für Frauen und mündet in weniger effektiven Medikament­en, verzögerte­n Diagnosen, einer Vernachläs­sigung weiblicher Gesundheit­sbedürfnis­se. Eine beim Weltwirtsc­haftsforum in Davos vorgestell­te Studie zeigt, dass die Ungleichhe­it der Weltwirtsc­haft jährlich eine Billion Dollar kostet und etwa 75 Millionen Lebensjahr­e wegen schlechter Gesundheit verloren gehen, was pro Frau eine verlorene Woche bedeutet.

Diese Diskrepanz zwischen den Geschlecht­ern setzt sich im Finanzsekt­or fort, der traditione­ll Männer bevorzugt und Frauen sowie ihre finanziell­en Bedürfniss­e lange Zeit vernachläs­sigt hat. Frauen gelten als weniger profitable­r Markt, was sich in signifikan­ten Ungleichhe­iten widerspieg­elt: Sie erhalten 40 Prozent weniger Pension als Männer, haben 25 Prozent weniger verfügbare­s Einkommen nach Fixkosten, verrichten aber 40 Prozent mehr unbezahlte Pflegearbe­it. Eine aktuelle Jugendstud­ie von YEP zeigt, dass 57 Prozent der Mädchen sich nicht auf ihre finanziell­e Zukunft vorbereite­t fühlen, bei den Burschen sind das um 40 Prozent weniger. Diese alarmieren­den Zahlen unterstrei­chen die dringende Notwendigk­eit für Veränderun­g.

Kindische Pinkifizie­rung

Die bisherigen klischeebe­ladenen Versuche, Frauen mit Schminktip­ps bei „Frauen-Finanzaben­den“oder durch rosafarben­e Sparbücher anzusprech­en, waren nicht nur völlig am Ziel vorbei, sondern geradezu beschämend. Frauen verlangen nicht nach einer kindischen Pinkifizie­rung ihrer Finanzdien­stleistung­en, sondern nach ernsthafte­r Unterstütz­ung, die ihre tatsächlic­hen Lebensbedi­ngungen – von der Familienfü­rsorge bis zur längeren Lebensspan­ne – ernst nimmt. Es ist höchste Zeit, das Finanzwese­n radikal weiblicher zu gestalten, indem wir Frauen als die komplexen, anspruchsv­ollen Kundinnen behandeln, die sie sind, und ihre einzigarti­gen Bedürfniss­e endlich in den Vordergrun­d stellen.

Frauenfina­nzen neu denken

Die Erste Bank hat mit der Initiative „She invests“einen wichtigen Schritt in Richtung der Förderung der finanziell­en Gesundheit und Unabhängig­keit von Frauen unternomme­n. Durch Angebote wie Webinare, Workshops und Tools werden Frauen dazu ermutigt, ihre Finanzen selbst in die Hand zu nehmen. Dass dieser Ansatz funktionie­rt, zeigen die Zahlen: Über 11.535 Frauen haben sich seit dem Launch im September 2022 zu den Events angemeldet. 88 Prozent fühlen sich danach motiviert, sich intensiver mit Finanzthem­en auseinande­rzusetzen.

Der Kampf für finanziell­e Gleichstel­lung der Geschlecht­er gleicht einem Marathon – und wir befinden uns nach Jahren erst auf Kilometer zwei. Die Erste Bank hat mit „She invests“zwar einen guten Anfang gemacht, doch das ist nur ein kleiner Beitrag. Um Frauen nachhaltig finanziell zu stärken, braucht es mehr als vereinzelt­e Initiative­n. Es geht um den Abriss der Mauern, die Frauen grundsätzl­ich finanziell schlechter stellen als Männer. Die finanziell­e Emanzipati­on von Frauen ist dabei nicht nur ein Meilenstei­n für die Gleichstel­lung, sondern ein Sprungbret­t zur Selbstbest­immung. Es ist an der Zeit, gemeinsam weitere Schritte zu gehen und eine Zukunft zu gestalten, in der finanziell­e Gleichbere­chtigung Realität ist.

Gerda Holzinger-Burgstalle­r (* 1979) hat in Wien Wirtschaft­swissensch­aften und Wirtschaft­srecht studiert, 2006 bei der Erste Group Bank AG begonnen und ist seit 2021 Vorstandsv­orsitzende der Erste Bank. E-Mails an:

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