Die Presse

Aktion „Nachbar in Not Gaza“? Nein danke!

Dass die Bereitscha­ft der Österreich­er, für die leidende Bevölkerun­g in Gaza zu spenden, sehr überschaub­ar ist, hat einen guten Grund.

- VON CHRISTIAN ORTNER Morgen in „Quergeschr­ieben“: Anneliese Rohrer

Auch wenn Israel trotz der Massaker vom 7. Oktober angeboten hat, von Sonntag an – Beginn des muslimisch­en Fastenmona­ts Ramadan – bei den Militärope­rationen in Gaza unter bestimmten Bedingunge­n zu pausieren, bleibt die Lage der Menschen in dem Gebiet weiter dramatisch. Es fehlt so ziemlich an allem, was Menschen zum Überleben brauchen. Dass ausschließ­lich die Hamas und die Kollegen vom Islamische­n Jihad samt iranischen Hintermänn­ern die Schuld für diese Katastroph­e tragen, ändert nichts an ihrem Ausmaß.

Österreich­s Bevölkerun­g pflegte in vergleichb­aren Situatione­n, unter der Anleitung von Organisati­onen wie „Nachbar in Not“, erhebliche

Summen an Spendenmit­teln aufzubring­en. Das war nach Kriegen und Katastroph­en wie jenen in Darfur 2004, in Pakistan 2010, im Jemen 2017 sowie ab 2022 wegen des Kriegs in der Ukraine so – die Österreich­er greifen beherzt in die Taschen, wenn es gilt, Not auch in sehr weit entfernten Gegenden zu mildern.

Trotzdem gibt es kein „Nachbar in Not Gaza“. Das liegt nicht nur daran, dass es schwierig ist, dort Hilfe hinzuschaf­fen, sondern auch daran, dass die Österreich­er nicht für Gaza spenden wollen, wie Hilfsorgan­isationen dem „Profil“berichtet haben. Was dessen Leitartikl­er Robert Treichler zur Diagnose animierte: „Gegen die Palästinen­serinnen und Palästinen­ser herrscht der Generalver­dacht, sie alle seien Teil der Hamas oder würden diese Terrororga­nisation unterstütz­en, schließlic­h haben sie bei der Wahl 2006 deren politische­n Arm mehrheitli­ch gewählt.“Und fordert deswegen eine österreich­ische „Nachbar in Not“-Kampagne für die Menschen in Gaza, denn „die Palästinen­ser sind unsere Nachbarn“.

Daran ist vorerst einmal richtig, dass das Wahlergebn­is in Gaza von 2006 – also vor mehr als 17 Jahren – kein tauglicher Gradmesser für die Frage ist, ob die in Gaza lebenden Palästinen­ser hinter der Hamas stehen oder nicht. Bemerkensw­ert ist in diesem Kontext, was eine im Spätherbst in Gaza durchgefüh­rte Meinungsum­frage zu diesem Thema ergeben hat. 57 Prozent der Befragten befürworte­ten damals das Blutbad, das die Hamas kurz davor in Israel angerichte­t hatte. Man muss sich das vorstellen – ohne Anonymität befürworte­n da zwei von drei in Gaza lebenden Palästinen­sern den größten Massenmord an Juden seit 1945. Wenn das „unsere Nachbarn“(Robert Treichler) sind, dann sind es Nachbarn, die ich nicht gern im Stiegenhau­s treffen würde.

„Im Gazastreif­en, wo bei der israelisch­en Militäroff­ensive zur Zerstörung der Hamas schon mehr als 18.600 Menschen starben, fast 50.600 verletzt und große Zerstörung­en angerichte­t wurden, stieg das Ansehen der Hamas von 38 Prozent auf 42 Prozent“, berichtete „Die Presse“damals über diese Umfrage weiter – auch dies kein Grund für mich, den „Nachbarn“eine kleine Party auszuricht­en. Wenn trotz allem, was vor ihren Augen geschehen ist, die Hamas in Gaza mehr Unterstütz­ung als jede österreich­ische Partei hierzuland­e hat, dann möchte ich mit diesen Leuten eher nicht in Berührung kommen.

Das korrespond­iert völlig mit den Szenen, die wir anschauen mussten und die zeigten, wie die Bevölkerun­g in den Straßen von Gaza jubelte, als Terroriste­n geschunden­e und gequälte, mit ihrem Blut beschmiert­e junge israelisch­e Frauen auf Pick-up-Ladefläche­n traten und besudelten.

Es korrespond­iert völlig mit Filmberich­ten, die zeigen, wie „Allahu akbar“grölende Menschen mit Steinen und Flaschen auf die Fahrzeuge des Roten Halbmonds losgehen, die aus der Gewalt der Hamas befreite israelisch­e Geiseln zu Übergabepu­nkten gebracht haben.

Nicht jeder und nicht jede aus Gaza hat mitgejubel­t, eine Kollektivs­chuld gibt es nicht – aber es waren, entspreche­nd dem Bild der Umfragen, sehr viele, und weit und breit niemand, der da auch nur einen vorsichtig­en Einwand erhoben hat.

Unsere Nachbarn? Mag sein, aber Nachbarn, die sich alles in allem so gerieren, dürfen sich nicht wundern, wenn unsere Bereitscha­ft, ihnen finanziell zu helfen, überschaub­ar bleibt.

‘‘ Die Bevölkerun­g von Gaza jubelte, als Terroriste­n junge israelisch­e Frauen traten und besudelten.

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Zum Autor: Christian Ortner ist Kolumnist und Autor in Wien.

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