Der Aufstieg der Kommunisten
Nach Graz könnte die KPÖ bald auch Salzburg regieren. Was das für eine Stadt bedeutet – und welches Programm (auch) dahintersteckt, vom EU-Austritt bis zum Venezuela-Vorbild.
Von einer Weltrevolution ist auf der Facebook-Seite des derzeit wohl gefragtesten Kommunisten des Landes keine Rede, auch nicht von der zwingenden Notwendigkeit eines „gewaltsamen Umsturzes aller bisherigen Gesellschaftsordnung“, wie Karl Marx es einst im „Manifest der Kommunistischen Partei“geschrieben hat. Dafür sieht man Kay-Michael Dankl als Faschingsprinzen verkleidet bei der Ankündigung, „die Salzburger Wohnungspolitik aus ihrem Dornröschenschlaf wachzuküssen“; man sieht Dankl, wie er schneebedeckte Bäume schüttelt, für die Volkshochschule Pinzgauer Nidei mit Sauerkraut nach Rezept seiner Oma kocht, kürzere Oberleitungsbus-Taktungen fordert und spazierend in Selfmade-Handyvideos gegen teure Wohnprojekte auftritt.
All das scheint anzukommen: Nachdem Dankls Kommunisten im Vorjahr mit knapp zwölf Prozent erstmals seit dem Jahr 1949 in den Salzburger Landtag eingezogen sind, hat der 35-Jährige nun reelle Chancen auf den Bürgermeistersessel. Eine von der ÖVP beauftragte Umfrage weist Dankl, der bis zum Rauswurf 2017 Chef der Jungen Grünen war und einst an internationalen Debattierwettbewerben teilgenommen hat, in einer wahrscheinlichen Stichwahl sogar als Favoriten aus. Damit könnte just die bürgerliche Bastion Salzburg nach Graz die zweite Landeshauptstadt mit einem kommunistischen Bürgermeister werden.
Und dann? Am Grazer Beispiel lässt sich zur Halbzeit der Legislaturperiode ganz gut festmachen, was folgt, wenn die Kommunisten an die Macht kommen. Die Revolution ist ausgeblieben, Bürgermeisterin Elke Kahr sucht es sich auch mit dem bürgerlichen Establishment nicht zu verscherzen, nur wenige Monate nach ihrem Amtsantritt empfing sie sogar den historischen Klassenfeind in Form des niederländischen Königspaars im Grazer Rathaus. Kahr setzt nicht auf die große Disruption, sondern vor allem auf mitunter kleinteilige Sozialpolitik – vor allem beim Thema Wohnen.
Fokus auf Wohnen
Ein Auszug: Die Stadt baut und saniert im großen Stil Gemeindewohnungen, die Anforderungen für den Bezug einer solchen wurden gesenkt. Zudem wurden allerhand Sozialleistungen erhöht, die „Sozialcard“– ein Prestigeprojekt Kahrs, das finanzschwachen Grazern Vergünstigungen vom Öffi-Ticket bis zum Theater und diverse Zuschüsse ermöglicht – wurde massiv ausgeweitet. Es wird eine neue Zentralküche gebaut, in einem Pilotprojekt versucht man die Anstellung pflegender Angehöriger nach burgenländischem Vorbild, die Klubförderung wurde indes gesenkt. Bei dem von der KPÖ gestarteten Lennymarkt können sich sozial Schwache Gratisfutter für ihre Haustiere abholen, zudem verteilen die KPÖ-Mandatare – wie auch in Salzburg – weiter einen Großteil ihrer Politikerbezüge, um auf eigene Faust Geld unbürokratisch zu vergeben.
In der Koalition soll die Stimmung gut sein, die Chancen auf eine Wiederwahl sind intakt – dafür gibt es gröbere Budgetprobleme: Ein Jahr nach der kommunistischen Machtübernahme warnte der Stadtrechnungshof gar vor der Zahlungsunfähigkeit der Stadt, es folgten wechselseitige Schuldzuweisungen zwischen der KPÖ und der vor ihr regierenden ÖVP. Jetzt, nach zweieinhalb Jahren, bilanziert die KPÖ, dass „trotz hinterlassenen Budgetlochs im Rahmen der begrenzten Möglichkeiten einiges auf den Weg gebracht werden konnte, was der Mehrheit der Menschen nützt“. Kurt Hohensinner, Chef der Grazer ÖVP, sieht das anders: Die KPÖ-Regierung habe „für viele nur Ernüchterung gebracht“, er kritisiert vor allem die „Klientelpolitik im Sozialbereich“.
Das inhaltliche Fundament mag im zeitgenössischen Kommunalkommunismus kaschiert werden, doch mitunter wird es bei der KPÖ auch stramm ideologisch – und politisch radikal.
Im geltenden Programm der steirischen KPÖ findet sich etwa folgende zentrale Zielsetzung: „Die Aufhebung des kapitalistischen Eigentums an den großen Produktionsmitteln ist die entscheidende Grundvoraussetzung, um den Sozialismus aufzubauen.“Dafür sei auch „die politische Entmachtung der Kapitalistenklasse Voraussetzung“.
„Widerstand aufbauen“
Und: „Banken, Versicherungen und die Schlüsselbereiche der Wirtschaft und der Daseinsvorsorge gehören in die öffentliche Hand“, die „arbeitenden Menschen müssen Widerstand aufbauen“und so fort. Mit der EU sei all das nicht vereinbar: „Länder, die perspektivisch einen Ausbruchsversuch in Richtung Sozialismus versuchen könnten, müssen die EU verlassen.“Für „sozialen Fortschritt“sei mehr „Handlungsspielraum der Nationalstaaten“vonnöten, und „das ist mit einer Mitgliedschaft in der EU unvereinbar“.
Vorbild für die KPÖ, die Kahr-Lebensgefährte und KPÖ-Vordenker Franz Stephan Parteder einmal „Kind der russischen Oktoberrevolution 1917“genannt hat, ist dem Programm zufolge unter anderem das verarmte Venezuela. Als Programmkommissar scheint im Manifest der steirischen Kommunisten ein gewisser Werner Murgg auf, der für Wirbel gesorgt hat, da er 2019 noch „in der Volksrepublik Donezk“russischen Separatisten gratuliert und einmal die Ukraine als „Krüppelnation“bezeichnet hat. Obwohl sogar die Koalitionspartner der Dunkelroten seinen Rücktritt gefordert haben, bleibt er bis zum Ende der Periode Landtagsabgeordneter. Und KayMichael Dankl? Er sieht die steirischen Genossen zwar als Vorbild, spricht sich aber gegen einen EU-Austritt aus – und erklärt, dass er „mit Diktaturen nichts am Hut hat“.