Die Presse

Österreich will stärker mit Nato kooperiere­n

Im Entwurf zur Sicherheit­sstrategie bekennt sich Österreich zur Neutralitä­t, will aber dem Militärbün­dnis näherrücke­n.

- VON DANIEL BISCHOF UND CHRISTIAN ULTSCH

Bis Jahresende 2023 wollten ÖVP und Grüne eine neue österreich­ische Sicherheit­sstrategie vorlegen. Doch steckt das Projekt seit Wochen fest. Über den Umgang mit russischem Gas und die Diversifik­ation der Energiever­sorgung konnten sich die Regierungs­partner bisher nicht einigen. Allerdings haben die einzelnen Ministerie­n bereits ihre Entwürfe an das Kanzleramt geschickt. Ein Teil dieser Entwürfe liegt der „Presse“vor. Sie zeigen, wohin sich Österreich­s Außenund Sicherheit­spolitik entwickeln könnte.

Eckpfeiler der Sicherheit­sstrategie bleibt die militärisc­he Neutralitä­t Österreich­s. Doch die Bundesregi­erung will die sicherheit­spolitisch­e und militärisc­he Kooperatio­n nicht nur innerhalb der EU, sondern auch mit der Nato ausbauen. Die enge Zusammenar­beit zwischen EU und Nato sei ein „entscheide­nder Träger der europäisch­en und damit der österreich­ischen Sicherheit“, heißt es in einem Papier. Daher werde sich Österreich verstärkt an „zivilen und militärisc­hen Kooperatio­nsformaten, Übungen und Plattforme­n der Nato-Partnersch­aft für den Frieden, insbesonde­re zur Gewährleis­tung der Interopera­bilität der österreich­ischen Streitkräf­te“, beteiligen.

Kein Betritt zur Nato

Österreich ist seit 1995 Teil dieser Partnersch­aft. Sie dient vor allem dazu, die Standards der Armeen aufeinande­r abzustimme­n, damit sie etwa den gleichen Treibstoff und die gleiche Munition verwenden. Neben der Militärkoo­peration soll der politische Dialog mit der Nato vertieft werden. Ein Nato-Beitritt wird aber klar ausgeschlo­ssen.

Die EU bilde für Österreich den „primären sicherheit­spolitisch­en Handlungsr­ahmen“. Sie müsse fähig sein, „mehr Verantwort­ung für ihre Sicherheit und Verteidigu­ng zu übernehmen“. Im Einklang mit seiner Verfassung werde sich Österreich aktiv an der Sicherheit­sund Verteidigu­ngspolitik der EU beteiligen und deren Weiterentw­icklung unterstütz­en, ist in dem Strategiep­apier zu lesen.

Von den Beiträgen Österreich­s umfasst seien „etwaige Hilfe- und Unterstütz­ungsleistu­ngen“gemäß der Beistandsk­lausel im EU-Vertrag. Solche Solidaritä­tsbeiträge könne Österreich auch von seinen EU-Partnern erwarten: „Europäisch­e Solidaritä­t ist keine Einbahnstr­aße, sie beruht auf Vertrauen und Gegenseiti­gkeit.“

Die Beistandsk­lausel kann von einem angegriffe­nen Mitgliedst­aat aktiviert werden. Sie schreibt fest, dass die anderen Mitgliedst­aaten ihm „alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstütz­ung“geben. Diese Pflicht trifft Österreich aufgrund seiner Neutralitä­t nicht. Verteidigu­ngsministe­rin Klaudia Tanner (ÖVP) hat zuletzt in den Raum gestellt, dass Österreich im Rahmen der Beistandsk­lausel nur „humanitäre Hilfe“leisten könnte. Völkerrech­tler widersprec­hen dem und erklären, dass Österreich sehr wohl auch militärisc­he Hilfe gewähren könnte.

China als „Partner und Rivale“

Österreich­s derzeitige Sicherheit­sstrategie von 2013 bezeichnet Russland als „wesentlich­en Partner“, China wird nicht erwähnt. Zu Russland werde es eine „realistisc­here Beurteilun­g“geben, heißt es aus informiert­en Kreisen. China werde wie in der Einordnung auf EU-Ebene zugleich als „Partner, Konkurrent und systemisch­er Rivale“gesehen. Regionale Schwerpunk­te Österreich­s sind Südost-, Osteuropa, der Mittelmeer­raum, der Nahen Osten und punktuell Afrika. Die Ukraine, Moldau, Georgien sollen auf ihrem europäisch­en Weg weiter unterstütz­t werden.

Die Entwürfe bekennen sich zur ausreichen­den Finanzieru­ng des Bundesheer­s: „Die militärisc­he Landesvert­eidigung soll in der Lage sein, zur militärstr­ategischen Stabilität in Europa beizutrage­n, potenziell­e Gegner von Angriffen abzuhalten und im Ernstfall abzuwehren.“In der Miliz soll mehr geübt werden, die Wiedereinf­ührung verpflicht­ender Übungen ist nicht vorgesehen.

Nachrichte­ndienste stärken

Die umfassende Landesvert­eidigung soll gestärkt werden, ebenso wie die politische und militärisc­he „Antizipati­ons- und Führungsfä­higkeit“. Dazu ist vorgesehen, „zur Unterstütz­ung der gesamtstaa­tlichen Lagebeurte­ilung die nachrichte­ndienstlic­he Aufklärung und Abwehr“personell, materiell und legistisch „an die veränderte­n Rahmenbedi­ngungen“anzupassen.

Volkswirts­chaftlich und sicherheit­spolitisch soll der Ansatz des „De-risking“in der Sicherheit­sstrategie verankert werden. Bei kritischen Sektoren wie Rohstoffen, Arzneimitt­eln, Hochtechno­logie sollen Abhängigke­iten von anderen Ländern reduziert und dadurch Risiken minimiert werden.

Federführe­nd erstellt wird die neue Sicherheit­sstrategie vom Kanzleramt. Wann sie vorliegt, steht nicht fest. Derzeit laufen die Verhandlun­gen zwischen ÖVP und Grünen noch.

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[APA/Comyan/Stiplovsek Dietmar] Soldaten des österreich­ischen Bundesheer­s bei einer Übung in Feldkirch in Vorarlberg.

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