Ex-Fußballkommentator greift in Portugal rechtsaußen an
Bei den Neuwahlen am Sonntag spielt André Ventura mit seiner rechtspopulistischen Partei Chega im Dreikampf um die Macht mit.
Wien/Lissabon. Seit einem Jahr schon hängen Plakate mit dem Konterfei André Venturas in Portugal, auf denen der Chef der Rechtspopulisten eine „Reinigung“des Landes propagiert. Chega – „Es ist genug“– heißt die Partei, die er vor fünf Jahren gegründet hat und die bei den Neuwahlen am Sonntag nach Erfolgen bei den Regionalwahlen auf den Azoren und Madeira ihren Siegeszug fortsetzen dürfte. 50 Jahre nach der Nelkenrevolution steht dem Elf-Millionen-Volk ein Umbruch des politischen Systems ins Haus, wie dies in den meisten EU-Staaten längst Normalität ist.
Beim landesweiten Debüt 2019 erzielte Chega 1,3 Prozent, nun rechnen Meinungsforscher mit bis 20 Prozent. Damit würde sie sich als dritte Kraft etablieren – und als Zünglein an der Waage zwischen den beiden Blöcken, den bis dato regierenden Sozialisten und dem konservativen Bündnis Aliança Democrática (AD).
Zugute kommen den Rechtspopulisten eine Protest- und Streikwelle im öffentlichen Sektor und eine grassierende Jugendarbeitslosigkeit von 24 Prozent. Unter anderem die hohen Mietpreise – Nebeneffekt des Tourismusbooms, der das Land unter Führung der sozialistischen Partei (PS) aus der Wirtschaftskrise geführt hat – treiben die Portugiesen auf die Straße.
Im Korruptionsstrudel
Die Chega profitiert indessen auch von einer Serie an Korruptionsaffären der beiden Großparteien. Die Sozialisten gerieten im Herbst in den Strudel eines Korruptionsskandals, der die Regierung implodieren ließ. Premier António Costa trat zurück, beteuerte aber zugleich seine Unschuld. Zu Recht: Denn er wurde Opfer eines Justizirrtums. Die Ermittler hatten António Silva Costa, seinen Wirtschaftsminister, ins Visier genommen und den Namen falsch weitergegeben. Die Vorwürfe stürzten in sich zusammen. Doch Präsident Marcelo Rebelo de Sousa setzte für den 10. März Neuwahlen an.
Die PS wählte Pedro Nuno Santos zum Spitzenkandidaten, obwohl der frühere Infrastrukturminister zuvor selbst über eine Affäre gestolpert war. Trotz eines Sparkurses hatte er einem Aufsichtsratsmitglied der nationalen Fluglinie TAP eine hohe Abfertigung gezahlt. Im Wahlkampf lieferte sich der Sohn aus reichem Haus mit der explizit linken Gesinnung einen Dreikampf mit Luís Montenegro, dem ADChef, und Ventura. Dabei ging es auch um die Frage, wer mit den verpönten Rechtspopulisten eine Koalition eingehen würde.
Sowohl Santos als auch Montenegro schlossen ein Bündnis aus, sie peilen eine Minderheitsregierung an – keine Seltenheit in Portugal. Im TV-Duell attackierte Montenegro den Chega-Chef als „Fremdenfeind, Rassisten und Demagogen“. Dabei kommt André Ventura aus den Reihen Montenegros, aus der konservativen Volkspartei, die in Portugal paradoxerweise die Bezeichnung Sozialdemokratische Partei (PSD) trägt.
One-Man-Show
Ventura, einst Priesterseminarist und populärer Fußballkommentator, wandte sich von der PSD ab. Ventura hat Chega zur One-ManShow umfunktioniert, via soziale Medien spricht er die junge Generation an. Ältere lockt er mit seinem harten Kurs gegen Migranten. Im Programm tritt er für die Todesstrafe und chemische Kastration von Serienvergewaltigern ein. Im Gegensatz zu anderen europäischen Rechtspopulisten ist Ventura dezidiert proeuropäisch und ein Unterstützer der Ukraine. Unter seinen größten Fans finden sich brasilianische Immigranten, und Ex-Präsident Jair Bolsonaro hat sogar eine Wahlempfehlung für Ventura abgegeben.