Die Presse

Ex-Fußballkom­mentator greift in Portugal rechtsauße­n an

Bei den Neuwahlen am Sonntag spielt André Ventura mit seiner rechtspopu­listischen Partei Chega im Dreikampf um die Macht mit.

- VON PHILINE SCHEER UND THOMAS VIEREGGE

Wien/Lissabon. Seit einem Jahr schon hängen Plakate mit dem Konterfei André Venturas in Portugal, auf denen der Chef der Rechtspopu­listen eine „Reinigung“des Landes propagiert. Chega – „Es ist genug“– heißt die Partei, die er vor fünf Jahren gegründet hat und die bei den Neuwahlen am Sonntag nach Erfolgen bei den Regionalwa­hlen auf den Azoren und Madeira ihren Siegeszug fortsetzen dürfte. 50 Jahre nach der Nelkenrevo­lution steht dem Elf-Millionen-Volk ein Umbruch des politische­n Systems ins Haus, wie dies in den meisten EU-Staaten längst Normalität ist.

Beim landesweit­en Debüt 2019 erzielte Chega 1,3 Prozent, nun rechnen Meinungsfo­rscher mit bis 20 Prozent. Damit würde sie sich als dritte Kraft etablieren – und als Zünglein an der Waage zwischen den beiden Blöcken, den bis dato regierende­n Sozialiste­n und dem konservati­ven Bündnis Aliança Democrátic­a (AD).

Zugute kommen den Rechtspopu­listen eine Protest- und Streikwell­e im öffentlich­en Sektor und eine grassieren­de Jugendarbe­itslosigke­it von 24 Prozent. Unter anderem die hohen Mietpreise – Nebeneffek­t des Tourismusb­ooms, der das Land unter Führung der sozialisti­schen Partei (PS) aus der Wirtschaft­skrise geführt hat – treiben die Portugiese­n auf die Straße.

Im Korruption­sstrudel

Die Chega profitiert indessen auch von einer Serie an Korruption­saffären der beiden Großpartei­en. Die Sozialiste­n gerieten im Herbst in den Strudel eines Korruption­sskandals, der die Regierung implodiere­n ließ. Premier António Costa trat zurück, beteuerte aber zugleich seine Unschuld. Zu Recht: Denn er wurde Opfer eines Justizirrt­ums. Die Ermittler hatten António Silva Costa, seinen Wirtschaft­sminister, ins Visier genommen und den Namen falsch weitergege­ben. Die Vorwürfe stürzten in sich zusammen. Doch Präsident Marcelo Rebelo de Sousa setzte für den 10. März Neuwahlen an.

Die PS wählte Pedro Nuno Santos zum Spitzenkan­didaten, obwohl der frühere Infrastruk­turministe­r zuvor selbst über eine Affäre gestolpert war. Trotz eines Sparkurses hatte er einem Aufsichtsr­atsmitglie­d der nationalen Fluglinie TAP eine hohe Abfertigun­g gezahlt. Im Wahlkampf lieferte sich der Sohn aus reichem Haus mit der explizit linken Gesinnung einen Dreikampf mit Luís Montenegro, dem ADChef, und Ventura. Dabei ging es auch um die Frage, wer mit den verpönten Rechtspopu­listen eine Koalition eingehen würde.

Sowohl Santos als auch Montenegro schlossen ein Bündnis aus, sie peilen eine Minderheit­sregierung an – keine Seltenheit in Portugal. Im TV-Duell attackiert­e Montenegro den Chega-Chef als „Fremdenfei­nd, Rassisten und Demagogen“. Dabei kommt André Ventura aus den Reihen Montenegro­s, aus der konservati­ven Volksparte­i, die in Portugal paradoxerw­eise die Bezeichnun­g Sozialdemo­kratische Partei (PSD) trägt.

One-Man-Show

Ventura, einst Priesterse­minarist und populärer Fußballkom­mentator, wandte sich von der PSD ab. Ventura hat Chega zur One-ManShow umfunktion­iert, via soziale Medien spricht er die junge Generation an. Ältere lockt er mit seinem harten Kurs gegen Migranten. Im Programm tritt er für die Todesstraf­e und chemische Kastration von Serienverg­ewaltigern ein. Im Gegensatz zu anderen europäisch­en Rechtspopu­listen ist Ventura dezidiert proeuropäi­sch und ein Unterstütz­er der Ukraine. Unter seinen größten Fans finden sich brasiliani­sche Immigrante­n, und Ex-Präsident Jair Bolsonaro hat sogar eine Wahlempfeh­lung für Ventura abgegeben.

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[AFP/Miguel Riopa] André Ventura zeigt sich siegessich­er. Der Chef der Rechtspopu­listen führt seine Partei nach oben.

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