„Österreicher sind konservativer“
Betriebe, die nicht auf künstliche Intelligenz (KI) setzen, werden vom Markt verdrängt, sagt Robert Kaup. Der Tietoevry-Chef erklärt, wie der Einsatz von KI im Betrieb gelingen kann.
Dass die Finnen ihr Bankwesen schon digitalisiert haben, als in Österreich noch kein Mensch über Internetbanking sprach, liegt auch an der Geografie des nordischen Lands. Denn auf rund 338.000 Quadratkilometern – eine Fläche viermal so groß wie jene Österreichs – hat das Land mit rund fünfeinhalb Millionen Menschen deutlich weniger Einwohner als Österreich mit rund neun Millionen. Bei einer so geringen Bevölkerungsdichte lassen sich Bankdienstleistungen kaum über ein dichtes Filialnetz erbringen.
Aber nicht nur deshalb war Finnland, neben den skandinavischen Ländern mit ihrer ähnlichen Geografie, Vorreiter bei der Digitalisierung des Bankwesens, wie Robert Kaup gegenüber der „Presse“betont. Sondern es liegt laut dem Österreich-Chef des börsenotierten norwegisch-finnischen ITDienstleisters Tietoevry auch an der Kultur im Norden, dass man dort offener an neue Technologien herangehe als hierzulande. So seien die nordischen Länder auch beim Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) europäische Vorreiter.
Druck zu optimieren
„Österreicher sind konservativer“, sagt Kaup. „In den Nordics wird mehr über Möglichkeiten gesprochen als über Risiken, Gefahren und Datenschutz.“Diese Möglichkeiten im Zusammenhang mit KI sind beträchtlich, etwa wenn es darum
geht, Prozesse zu optimieren. „Der Optimierungsdruck ist groß“, so Kaup. „Nicht nur auf die Kunden, sondern auch auf uns selbst.“Bei Tietoevry geht es etwa um Themen wie die Automatisierung einfacher Programmierprozesse.
Top-down funktioniert nicht
Wobei es nicht einfach ist, die Optimierungspotenziale im eigenen Unternehmen zu finden. Eine erste Hürde sei mitunter bereits, Topmanager von den Möglichkeiten künstlicher Intelligenz zu überzeugen. Denn wer einem System wie Chat GPT die falschen Fragen stellt, bekommt keine zufriedenstellenden Antworten. Wenn die KI einen schlechten ersten Eindruck hinterlässt, hat sie es fortan schwerer, Eingang in die Unternehmensprozesse zu finden.
Wobei es grundsätzlich nicht ratsam ist, sensible Betriebsinformationen in Systeme wie Chat GPT zu füttern. „Wir schlagen immer vor, mit künstlicher Intelligenz zu experimentieren“, sagt Kaup. Da gehe es zuerst darum, ein eigenes, sicheres KI-System zur Verfügung zu stellen, das Mitarbeitende in unterschiedlichsten Positionen ausprobieren können. Beim Experimentieren kristallisieren sich dann meist mögliche Anwendungen heraus, und es wird auch klar, welche Daten und Informationen vielleicht noch fehlen, um Prozesse zu optimieren.
„Es ist wichtig, einen Consulting-Ansatz zu fahren und den Prozess zu begleiten“, betont Kaup, denn es gebe keine generische Antwort auf die Frage, wie KI sich optimal einsetzen lässt.
Was laut Kaup nicht funktioniert, sind Top-down-Ansätze. Nicht nur, weil die Chef-Etage vielleicht gar nicht weiß, wo das größte Potenzial für KI-Lösungen liegt, sondern auch, weil es die Akzeptanz vonseiten der Belegschaft erschwert. Wenn Mitarbeitende bereits mit KI experimentiert haben, sehen sie diese eher als Hilfe anstatt als Bedrohung.
Das Thema KI bleibt
Dass künstliche Intelligenz Arbeitsplätze vernichten wird, glaubt Kaup nicht. Mitarbeitende würden nicht durch KI ersetzt, sondern durch Mitarbeitende, die KI nutzen. Genauso würden Unternehmen, die nicht auf KI setzen, durch solche ersetzt, die die Technologie für sich zu nutzen lernen. „Künstliche Intelligenz wird noch über Jahre das dominante Thema sein“, ist sich der Tietoevry-Chef sicher.
Mit Tietoevry, das Anfang 2020 aus dem Zusammenschluss von Tieto aus Finnland und Evry aus Norwegen entstanden ist, will Kaup in Österreich weiterwachsen. Zwischen 2019 und 2022 konnte man Umsatz und Zahl der Beschäftigten verdoppeln, aber die maue Konjunktur spürt auch der IT-Dienstleister. Aktuell beschäftigt Tietoevry, das bis 2030 Geschlechterparität bei seinen Mitarbeitenden erreichen will, in Österreich rund 300 Mitarbeiter. „Wir merken, dass diverse Teams länger für Entscheidungen brauchen, aber dafür bessere Entscheidungen treffen“, erklärt Kaup.