Was Firmenübernahmen antreibt
Die wirtschaftliche Lage ist trüb, das führt auch zu weniger Firmenübernahmen. Es gibt aber Ausnahmen. Vor allem im Bereich künstliche Intelligenz ist die Nachfrage groß.
Das vergangene Jahr war kein leichtes für viele Unternehmen. Vielerorts schrumpft die Wirtschaft. Die stark gestiegenen Zinsen sind nicht der einzige Grund, warum die Firmen einen Gang zurückschalten – vor allem, was Unternehmensfusionen (M&A) betrifft.
Aber es gibt Ausnahmen. Ein Stichwort: künstliche Intelligenz (KI). Sechs von zehn Industrieunternehmen würden gerade gezielt nach Firmen mit KI-Expertise suchen, ergab eine Umfrage des Managementberaters Horváth. Befragt wurden 150 Managerinnen und Manager von produzierenden Unternehmen in der D-A-CH-Region. „Aktuell wird vor allem nach KIund Digitalisierungstechnologien Ausschau gehalten, die signifikante Kosten- und Effizienzvorteile bringen“, sagt Christoph Kopp, Industrieexperte bei Horváth.
Der Markt fordert Tempo
Ein Beispiel lieferte im Vorjahr Andritz: Der Technologiekonzern kaufte Imagine That, ein in Kalifornien ansässiges Unternehmen für Simulationssoftware.
Es geht aber nicht nur um KIThemen. „Es ist Technologisierung im Allgemeinen, wonach Unternehmen gerade Ausschau halten“, sagt Konrad Gröller, Partner bei der Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer in Wien. Vergangenes Jahr etwa hat er Nippon Express beim Kauf von Cargo Partners beraten, einer Transaktion im Volumen von 1,4 Mrd. Euro. Der Trend zur Technologisierung sei zwar nicht unbedingt neu. Unternehmen müssten heutzutage jedoch weitaus schneller handeln, sagt Gröller. „Was vor ein paar Jahren State of the Art war, kann heute Steinzeit sein.“
Neue Kompetenzen so schnell aufzubauen, wie es der Markt fordert – damit tun sich Unternehmen derzeit schwer, sagt Kopp. „Durch den beschleunigten technologischen Wandel mit teils disruptiven Innovationen ist es oft gar nicht mehr möglich, in allen relevanten Bereichen Schritt zu halten.“Bei Automotive etwa betreffe das alles rund um die Elektrifizierung von Antrieben sowie Digitalisierung.
Neun von zehn Unternehmen finden es wichtig, ihr Portfolio stärker zu hinterfragen und strategisch anzupassen. Aber: Zwischen Wunsch und Wirklichkeit klafft eine Lücke. So unternimmt nur jede fünfte Firma eine Akquistion laut Firmenstrategie, bei weiteren 40 Prozent spielen strategische Überlegungen immerhin eine Rolle. Der Rest agiert opportunistisch, sozusagen impulsiv.
Einen weiteren Treiber, den Gröller im täglichen Geschäft sieht, sind Unternehmenskäufe rund um das Thema Nachhaltigkeit. Einerseits sei Kapital für nachhaltige Investments günstiger zu bekommen, andererseits zwingen auch Regulierungen Firmen dazu, das eigene Portfolio anzupassen. „Ein wesentlicher Treiber sind da besonders Innovationen im Bereich
Energiewirtschaft. Das sind global gerade absolute Trends.“
Eine Schlussfolgerung aus der Horváth-Studie: „Unsicherheit ist die neue Normalität.“Unternehmen, die sich schneller anpassen, werden langfristig erfolgreicher sein, sagt Gröller. „Je agiler, desto stabiler.“
Standort Europa im Nachteil
Und wie schlägt sich Europas Industrie dabei? Laut Kopp investieren europäische Konzerne zunehmend außerhalb Europas und bauen anderswo Beschäftigung auf. „Das liegt einerseits an dem zunehmend schlechter werdenden Industriestandort ‚westliches‘ Zentraleuropa (Deutschland, Österreich, Anm.).“Andererseits wolle man näher am Kunden außerhalb Europas sein und global unabhängiger von Lieferrestriktionen und geopolitischen Verwerfungen werden.
Auch Gröller konstatiert, dass Europa als Standort an Fahrt verliert – Unternehmen seien hier im Vergleich zu den USA und Asien oft stärker durch Regulatorik gefordert. „Damit will ich nicht sagen, dass jede einzelne Regulatorik falsch ist“, so Gröller, die Überlegungen dahinter seien durchwegs gut. Dennoch seien sie in der Summe zu belastend. „Im Bereich grüne Wirtschaft war Europa vor mehreren Jahren noch absolut federführend.“Inzwischen sei man Dritter hinter den USA und Asien. „Wenn es darum geht, zum Beispiel eine Gigafabrik für Batterien für EAutos zu bauen, dann dauert es in Europa vielleicht sechs Jahre bis zum Spatenstich. Wenn die Regierung in China dahinter ist, beginnen sie morgen zu bauen.“