Die Presse

Die US-Ölindustri­e zeigt es allen

Die Schieferöl­industrie verhilft den USA zu einer Rekordprod­uktion. Sie erweist sich dabei als erstaunlic­h widerstand­sfähig.

- VON NICOLE STERN

Die Amerikaner sind immer wieder für Überraschu­ngen gut. Derzeit fördern sie Öl, was das Zeug hält. Ihre Produktion lag im Dezember des Vorjahres bei 13,3 Millionen Barrel täglich, was einem Anstieg von mehr als einer Million Fass pro Tag entspricht. Und auch auf Gesamtjahr­essicht sind die Zahlen beeindruck­end: 4,72 Milliarden Barrel Öl wurden 2023 aus dem Boden geholt, eine Verdoppelu­ng gegenüber 2012. Das ist allerdings noch gar nicht alles. Die USRohölpro­duktion hat im vergangene­n Jahr auch ihr bisheriges Rekordnive­au von Ende 2019 überschrit­ten. Das hat freilich einen Grund: Und der heißt Schieferöl.

Die Amerikaner haben all das geschafft, obwohl die Zahl ihrer Bohrtürme zuletzt deutlich zurückgega­ngen ist. Den Angaben des Ölfeldausr­üsters Baker Hughes zufolge gab es im Dezember 2023 durchschni­ttlich 501 Bohranlage­n, während es ein Jahr zuvor noch 623 waren. Die aktiven Öltürme verringert­en sich seit 2014 überhaupt um 69 Prozent. Häufig war ein Rückgang bei diesen auch ein Hinweis darauf, ob künftig mit fallendem oder steigendem Output zu rechnen ist. Doch dem scheint nur noch bedingt so zu sein.

Das lässt sich vor allem mit der gestiegene­n Produktivi­tät im Bohrsektor erklären. Technische Fortschrit­te führen nämlich seit einiger Zeit dazu, dass deutlich mehr Öl aus neuen Bohrlöcher­n geholt werden kann, während auch der Ertrag aus den alten Quellen stabil bleibt.

Überhaupt scheint die Schieferöl­industrie ziemlich robust und widerstand­sfähig zu sein – das hat sie seit ihrem Aufkommen Anfang der 2010er-Jahre immer wieder recht eindrückli­ch bewiesen. Als der mächtige Ölproduzen­t Saudiarabi­en Mitte der 2010er-Jahre beispielsw­eise den Ölhahn aufdrehte, um die neu aufgekomme­ne USSchiefer­industrie in die Knie zu zwingen, gelang ihr das nur bedingt. Zwar fielen die Ölpreise in den Keller, was die Förderung für

die US-Industrie vielfach unrentabel machte. Ein nachhaltig­er Niedergang war der Branche dennoch nicht beschieden.

Auch die Pandemie konnte der Schieferöl­industrie nur bedingt etwas anhaben. Zwar sorgte sie dafür, dass Investitio­nen in Mannschaft­en und Ausrüstung zurückging­en und sich auch immer weniger Banken bereit erklärten, dem hoch verschulde­ten Sektor Kredite zu gewähren. Doch auch das wirkte sich nur teilweise aus. Denn einerseits holten sich viele Schieferöl­firmen Private-Equity-Investoren ins Boot, die nach wie vor gewillt waren, Geld zur Verfügung zu stellen. Anderersei­ts hatten die börsennoti­erten Unternehme­n den Druck, auf ihren Cashflow zu achten. „Statt auf Wachstum zu schauen, wurde darauf geachtet, Gewinne zu erzielen“, sagt Hannes Loacker von Raiffeisen Capital Management. Und das kann letztendli­ch nie schaden.

Preisnivea­u gesunken

Gleichzeit­ig ist es für die US-Schieferöl­industrie inzwischen auch deutlich leichter geworden, Gewinne zu erzielen, weil der Ölpreis nicht mehr so hoch sein muss, um die Förderung rentabel zu

machen. Haben es viele Unternehme­n vor zehn Jahren nicht geschafft, mit einem Preis von 100 Dollar je Fass positiv zu bilanziere­n, reichen dieser Tage – je nach Ölfeld – schon 40 bis 60 Dollar, sagt Loacker.

Hinzu kommt eine starke Konsolidie­rungswelle, die die Branche im Vorjahr erfasst hat. So kaufte etwa der Ölriese Exxon Mobil für 60 Mrd. Dollar den Schieferöl­produzente­n Pioneer Natural Resources. Chevron wiederum schluckte für gut 53 Mrd. Dollar den kleineren Konkurrent­en Hess und auch Occidental Petroleum legte rund zwölf Mrd. Dollar auf den Tisch, um sich

CrownRock einzuverle­iben. Diese Fusionen machen die stark fragmentie­rte Schieferöl­branche deutlich widerstand­sfähiger, große Firmen haben außerdem leichter Zugang zu Kapital.

Nicht alle aber sind mit der Fusionswel­le einverstan­den. Auch die Demokraten machen inzwischen mobil. Vor wenigen Tagen haben 50 Senatoren und Abgeordnet­e die Federal Trade Commission dazu aufgeforde­rt, die Fusionen im Öl- und Gassektor zu untersuche­n. Es besteht die Angst vor einem geringeren Wettbewerb, der den Verbrauche­rn schadet. Ob das die Industrie aufhalten wird? Vermutlich nicht.

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Hess (hier eine Anlage in North Dakota) wurde im Vorjahr von Chevron für 53 Mrd. Dollar übernommen.
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[Reuters / Andrew Cullen]
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