Francis Poulencs Telefon-Tragödie, frisch gerahmt
Das Musiktheater an der Wien präsentierte „La voix humaine“mit Anna Caterina Antonacci in der Halle E.
Französisches Chanson, Jazz, der Stil Igor Strawinskys, Romantik, (tonale) Moderne – all das sind die Koordinaten, zwischen denen sich Francis Poulencs Musik aufspannt. „La Voix du Poulenc“, ein Abend in der Halle E des Museumsquartiers, stellte zwei Vokalwerke und seine „Sinfonietta“vor. Letztere ist ein gutes Beispiel dafür, wie der Komponist mit leichtfüßiger Tonsprache die Grenzen zwischen Unterhaltungsmusik und „ernster“Musik aufbrach. Mitreißende Tanzrhythmen, die auch an Gershwin denken lassen, wechseln mit schwelgerischen Passagen ab.
Dirigent Michael Balke bewies am Pult des Wiener Kammerorchesters ein gutes Händchen für Timing und Gewichtung. Er kostete just das Aufmüpfige an diesem Werk aus und betonte, wie sich Poulenc nie lang mit einzelnen Themen auseinandersetzte, sondern variantenreich das kreierte, was eben absichtlich – trotz Form und Länge – nur eine Sinfonietta werden sollte, keine Symphonie.
Cocteaus Frauenporträts
Gegen eine solche hätte wohl auch Dichter Jean Cocteau etwas gehabt, Poulencs Verbündeter in der Künstlerformation „Groupe des Six“. Dessen Monolog „La Voix humaine“verarbeitete Poulenc Ende der 1950er-Jahre zu einer Ein-PersonenOper: Die Tragödie einer Frau, die von ihrem Geliebten verlassen wurde, in Form eines – enervierend oft unterbrochenen – Telefongesprächs. Die 40-minütige „Tragédie lyrique“läuft hauptsächlich rezitativisch ab, nur wenige ariose Momente bietet Poulenc. Sopranistin Anna Caterina Antonacci ließ mit facettenreicher Stimme das Bild einer verzweifelten Frau entstehen, inklusive der bedrückenden Zwischentöne, wo der Text nicht die ganze Wahrheit vermittelt. Wo sie ihren ehemaligen Geliebten im Glauben lassen möchte, dass sie die Trennung gut überwindet, erzählen die Klänge von Enttäuschung und Aufgewühltheit.
Die Inspirationsquelle für „La Voix humaine“wie auch für „La Dame de MonteCarlo“war Poulencs Muse, die Sopranistin Denise Duval. Die kurze Gesangsszene aus der „Dame“stellte man an den Anfang des Konzerts. Auch hier arbeiteten Antonacci und das Orchester die Finessen von Poulencs musikalischem Humor heraus.