Die Presse

Schluss mit grünen Märchenstu­nden

„Misthaufen“bewahren uns nicht vor dem Import von Kreml-Gas. Der Gesetzesen­twurf braucht Nachbesser­ung.

- VON ELISABETH ZEHETNER Elisabeth Zehetner ist seit 2022 Geschäftsf­ührerin des Thinktanks Oecolution Austria. E-Mails an: debatte@diepresse.com

Nach langem und zähem Ringen erblickte endlich der Entwurf zum Erneuerbar­es-Gas-Gesetz in einem Ministerra­tsvortrag das Licht der Welt. Gerade weil grüne Gase eine zentrale Rolle zur Erreichung der Klimaziele spielen können, verdient das gesetzlich­e Vorhaben besondere Aufmerksam­keit – und eine nüchterne Analyse mit Blick auf seine erwartbare­n Effekte für unsere Unabhängig­keit von russischem Gas, für die notwendige Dämpfung der Preise und für Effizienz bei der CO2-Einsparung.

Unabhängig­keit: Das Erneuerbar­es-Gas-Gesetz wurde unter dem Motto „Kraftwerk beim Misthaufen statt Gaswerk beim Kreml“präsentier­t. Das klingt gut, ist aber ein grünes Märchen. Die Zahlen sprechen eine andere Sprache: 2023 ist die inländisch­e Jahresprod­uktion von Gas um zehn Prozent auf rund 6,3 TWh gesunken. Insgesamt wurden 76 TWh Gas 2023 in Österreich verbraucht. 2023 wurden rund 140 GWh Biomethan ins Erdgasnetz eingespeis­t. Damit wären 0,14 TWh Gas aus den viel zitierten Misthaufen gewonnen – ein Tropfen auf dem heißen Stein. Bis 2030 sollen 7,5 TWh aus erneuerbar­em österreich­ischem Gas kommen – das wäre die 55-fache Menge von heute. Damit decken wir bestenfall­s zehn Prozent des bis dahin prognostiz­ierten Verbrauchs ab.

Gas-Unabhängig­keit von Russland erfordert vor allem, dass Gaslieferu­ngen aus anderen Ländern nach Österreich technisch sicher möglich sind. Für eine regelmäßig­e Nutzung der deutschen oder italienisc­hen Routen sind Erweiterun­gen und Umrüstunge­n der vorhandene­n Leitungen erforderli­ch.

Preisdämpf­ung: Der Gesetzesvo­rschlag enthält eine Art Beimischun­gszwang. Konkret müssen die Energiever­sorger bis 2030 sicherstel­len, dass sie ihre Kunden mit mindestens 9,75 Prozent an grünem Gas versorgen. Kann der Energieanb­ieter die Beimischun­gsmenge nicht erfüllen, dann muss er eine Ausgleichz­ahlung in der Höhe von 15 Cent pro Kilowattst­unde (kWh) bezahlen. Da aktuell nur 14 österreich­ische Biogasanla­gen ihr grünes Gas in das Gasnetz einspeisen und zum Nachweis der Quotenerfü­llung laut dem vorliegend­en Gesetzesen­twurf ausschließ­lich in Österreich produziert­es, erneuerbar­es Gas herangezog­en werden kann, werden die Energiever­sorger wohl von Beginn an mit Strafzahlu­ngen konfrontie­rt sein. Bis zum Jahr 2030 ist nach Kalkulatio­n des Fachverban­des Gas Wärme mit Mehrkosten von in Summe 3,6 Milliarden Euro zu rechnen. Kosten, die wohl an die Haushaltsu­nd Gewerbekun­den weitergege­ben werden – und die Energiepre­ise und folglich auch die Inflation weiter in die Höhe treiben.

Effiziente CO2-Einsparung:

Die vorgesehen­e CO2-Reduktion 2024 bis 2030 beträgt 4,2 Mio. Tonnen. Das Klimaminis­terium selbst rechnet in seiner Folgekoste­nabschätzu­ng im Entwurf mit Mehrkosten für Gasverbrau­cher zwischen 2024 und 2030 von 1,25 bis 1,83 Mrd. Euro. Dieses Szenario rechnet sehr wahrschein­liche Strafzahlu­ngen gar nicht ein.

Allein in diesem Szenario liegen die Kosten der CO2-Vermeidung bei 298 bis 436 Euro je Tonne. Berechnet man die Ausgleichz­ahlungen mit ein, dann kostet die vermiedene Tonne CO2 sogar 875 Euro. Ob das effizient ist, darüber muss man angesichts eines CO2-Preises nach EU ETS von aktuell 57 Euro je Tonne nicht lang nachdenken.

Das Thema der grünen Gase ist zu wichtig für grüne Märchenstu­nden. „Misthaufen“bewahren uns definitiv nicht vor dem Import von Kreml-Gas. Was dringend ansteht, ist eine realistisc­he und vernünftig­e Nachbesser­ung des Gesetzesen­twurfs. Es gibt viel zu tun, um die Potenziale grüner Gase für mehr Unabhängig­keit, wirksame Preisdämpf­ung und Klimaschut­z-Effizienz richtig zu nutzen.

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