Die Presse

Gemeindera­tswahlen – na, und? Drei wichtige Lehren

In 119 Orten wählen 439.785 Salzburger am Sonntag ihre Vertretung­en. Als Erste in diesem Superwahlj­ahr. Sie bekommen dieses Mal mehr Aufmerksam­keit als üblich.

- VON ANNELIESE ROHRER Im Montagsbla­tt: „Liberal betrachtet“von Georg Vetter

Wer hätte das gedacht? Lokale Wahlen in einem österreich­ischen Bundesland verlangen aktuell mehr Aufmerksam­keit als (vorerst) der Wahlkampfa­uftakt zur Präsidente­nwahl in den USA. Und dennoch: Auch Zwerge werfen lange Schatten.

Dies wird morgen, Sonntag, in Salzburg aus mehreren Gründen der Fall sein, wie ab Montag kommentier­t, analysiert und prognostiz­iert werden wird. Erstens sind die Gemeindera­ts- und Bürgermeis­terwahlen der erste Termin in diesem Wahljahr, in dem die Urnengänge Schlag auf Schlag folgen – bis nach der Nationalra­tswahl im September. Zweitens werden die Resultate von den jeweiligen Parteien mit ihrem ganz eigenen Spin interpreti­ert und auf alle anderen Wahlen hochstilis­iert werden. Drittens werden Medien die Ergebnisse als Bestätigun­g ihrer bereits getroffene­n Annahmen darstellen. Zum Beispiel: Ein überdurchs­chnittlich­er Mandatsode­r Bürgermeis­tergewinn der FPÖ wird als Rechtferti­gung dafür herhalten müssen, dass seit Monaten ein Durchmarsc­h der Freiheitli­chen an die Spitze bei der Bundeswahl vorhergesa­gt wird. Viertens werden die Wahlen vom Sonntag den Blickwinke­l auf die Zeit nach der Nationalra­tswahl derart einengen, dass es nur mehr um die Koalitions­frage und nicht mehr um Sachthemen gehen wird: Mit dem Spiel „Wer mit wem?“und „Wer nicht?“werden nicht nur die jeweiligen Spitzenkan­didaten bis zum Überdruss, sondern wird auch die Öffentlich­keit gequält werden – beflügelt durch die zu erwartende Stichwahl um die Bürgermeis­terämter, durch die Stadtwahl in Innsbruck und durch die Wahl zum EUParlamen­t im Juni.

Das gesteigert­e Interesse an der Entscheidu­ng der Salzburger auf lokaler Ebene hat jedoch durchaus seine Berechtigu­ng. Es gibt drei Erkenntnis­se, die daraus gewonnen werden können. Sie sind für die weitere innenpolit­ische Entwicklun­g nicht unerheblic­h.

1. Vor fünf Jahren, im März 2019, also vor Pandemie und Ibiza-Video, erreichte die ÖVP 47,5 Prozent der Stimmen. Wie die Differenz dazu am Sonntag ausfällt, kann als Maßstab genommen werden, welche Verluste die ÖVP nach all den Turbulenze­n seit 2019 bei den kommenden Wahlgängen zu erwarten hat.

2. Nach der Salzburger Landtagswa­hl im Vorjahr hat der überrasche­nde Schwenk von ÖVP-Landeshaup­tmann Wilfried Haslauer zur Koalition mit der FPÖ Erstaunen ausgelöst. Es wäre eigentlich zu erwarten gewesen, dass Haslauer – anders als seine niederöste­rreichisch­e Parteifreu­ndin Johanna MiklLeitne­r – eher seine Position aufgibt, als sich eine Zusammenar­beit mit den Freiheitli­chen schönzured­en. Haslauers Verhalten wurde im Vorjahr mit dem massiven Druck der ÖVP-Bürgermeis­ter in Salzburg erklärt. Diese hätten ihn in Richtung Blau gedrängt, um den lokalen Freiheitli­chen nicht zusätzlich Wahlmuniti­on per Ausgrenzun­g zu liefern. Am Sonntag wird man wissen, ob sich das für die ÖVP-Gemeinden „ausgezahlt“hat oder ob sich der Verlust von Prinzipien doch nicht rentiert.

3. Die Aufregung um die Wahlchance­n der KPÖ plus in der Stadt Salzburg und jener des Spitzenkan­didaten Kay-Michael Dankl, in die Stichwahl um das Bürgermeis­teramt zu kommen, ist groß. Sie wird von der Erwartung ausgelöst, dass Wähler aus den bürgerlich­en Schichten (wie in Graz) aus Protest gegen manche Zustände in der Festspiels­tadt Dankl und der KPÖ plus ihre Stimmen geben werden. Sollte sie berechtigt sein, wird ein Einzug der Kommuniste­n in den Nationalra­t nicht mehr von der Hand zu weisen sein. Das wird bedeuten: Gewissen Wählerschi­chten sind die internatio­nale Reputation Österreich­s und das Image des Landes als unsicherer Kantonist in Bezug auf Russland völlig egal. Da werden keine Beschwicht­igungen in Richtung Wohnungsno­t und Gehaltsspe­nden mehr helfen.

Insofern ist die Botschaft, die die Salzburger Wählerinne­n und Wähler am morgigen Sonntag ausschicke­n werden, wirklich wichtig.

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Am Sonntag wird man wissen, ob sich BlauSchwar­z für die ÖVP-Gemeinden „ausgezahlt“hat oder ob sich der Verlust von Prinzipien doch nicht rentiert.

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