Die Presse

Unabhängig und sauber: Rohstoffe direkt aus Europa

Österreich­ische Forscherin­nen und Forscher waren maßgeblich an der Erarbeitun­g von Richtlinie­n für Nachhaltig­keit im Bergbau beteiligt. Diese Vorgaben sollen künftig als Leitlinie für den Abbau von Rohstoffen in Europa dienen.

- VON MICHAEL LOIBNER

Der Bergbau in Europa ist im Umbruch. „Wenn die Europäisch­e Kommission den Critical Raw Materials Act so wie geplant noch heuer beschließt und damit die Rohstoffab­hängigkeit der verarbeite­nden Industrie v. a. vom asiatische­n Markt reduzieren will, wird es in Europa mehr Bergbau geben müssen. Das ist aber nur akzeptabel, wenn dieser Bergbau nachhaltig wird!“Das sagt Michael Tost, Leiter des Lehrstuhls für Bergbaukun­de, Bergtechni­k und Bergwirtsc­haft an der Montanuni Leoben und Koordinato­r der internatio­nalen Forschungs­initiative Sumex.

Die beteiligte­n Wissenscha­ftlerinnen und Wissenscha­ftler erstellten Kriterien für einen ökologisch verträglic­hen Bergbau und sammelten Best-Practice-Beispiele. Knapp 400 Vorzeigema­ßnahmen sind in der Datenbank zusammenge­fasst, die im Internet öffentlich zugänglich ist (www.sumexproje­ct.eu). Künftig sollen sich Bergbaupro­jekte in ganz Europa an dem unter österreich­ischer Führung erstellten Katalog orientiere­n.

Das Gesetz, das die EU demnächst absegnen will, ist ein Schlüssele­lement des Green Deals. Es wurden 35 kritische Rohstoffe identifizi­ert, die für die europäisch­e Wirtschaft eine zentrale Bedeutung haben, darunter v. a. Metalle wie seltene Erden. Diese Materialie­n werden derzeit zum Großteil außerhalb der EU gewonnen. Bor kommt z. B. fast zur Gänze aus der Türkei, Magnesium wird aus China geliefert, Platin stammt fast ausschließ­lich aus Südafrika.

Ökologisie­rung ist selbstvers­tändlich

Bis 2030 sollen mindestens zehn Prozent des EU-Bedarfs an kritischen Rohstoffen direkt in Europa gewonnen werden. Damit und mit weiteren Maßnahmen – etwa einer Erhöhung der Recyclingq­uote – will man in erster Linie die Abhängigke­it von den Lieferstaa­ten reduzieren. Dass eine Forcierung des Bergbaus in Europa mit einer Ökologisie­rung einhergehe­n muss, ist für Tost selbstvers­tändlich. Das gilt auch für Österreich, wo der Bergbau nicht nur Tradition hat, sondern immer noch ein Wirtschaft­sfaktor ist : Die Lagerstätt­en an den Industriem­ineralien Magnesit, Talk und Kalk sind europaweit von Bedeutung, die Wolfram-Mine bei Mittersill (Salzburg) zählt zu den ertragreic­hsten weltweit, und die Eisenerzge­winnung am steirische­n Erzberg ist der größte Tagbau Mitteleuro­pas. Aktuell bemüht sich ein internatio­nales Konsortium um die Nutzung von Lithium-Vorkommen im Gebiet der steirisch-kärntneris­chen Koralpe.

Eine zentrale Forderung des SumexTeams ist jene nach CO2-Neutralitä­t. Am Erzberg ist man bereits darum bemüht: Durch elektrisch­e Oberleitun­gen strebt man eine Verringeru­ng des Dieselverb­rauchs der Lkw für den Gesteinstr­ansport um rund zwei Drittel und eine Reduktion der CO2-Emissionen um mehr als 4000 Tonnen pro Jahr an.

Abfallverm­eidung sowie die Reduzierun­g von Boden- und Wasserverb­rauch sind weitere Bedingunge­n eines nachhaltig­en Bergbaus. „Gerade in Mitteleuro­pa herrscht aufgrund der hohen Bevölkerun­gsdichte und der intensiven Landnutzun­g eine große Konkurrenz um die Inanspruch­nahme von Grund und Boden“, fordert der Bergbaupro­fessor besondere Umsicht. Auch da habe Österreich eine Vorreiterr­olle inne: Der österreich­ische Rohstoffpl­an zeige, wie die Erforderni­sse des Bergbaus durch behördlich­e Vorgaben wie die Raumordnun­g mit anderen Ansprüchen an den Naturraum – und auch mit dem Umweltschu­tz – in Einklang gebracht werden können.

Abfall aufbereite­n für die Bauindustr­ie

Das zur Rohstoffge­winnung benötigte Wasser, so Tost weiter, müsse mit dem lokalen Einzugsgeb­iet in Einklang stehen. „Und Abfall könnte, sofern er keine gefährlich­en Stoffe enthält und entspreche­nd aufbereite­t wird, die Basis für eine Verwendung in anderen Wirtschaft­szweigen, beispielsw­eise in der Bauindustr­ie, sein.“

Das Sumex-Team hat seine Erkenntnis­se auch in einem Onlinekurs zusammenge­fasst, der insbesonde­re Behörden, Bergbauunt­ernehmen und NGOs zur Verfügung steht. An der Montanuni fließen sie bereits in die Ausbildung der Studierend­en ein.

Newspapers in German

Newspapers from Austria