Die Presse

Der Weg zu neuen Antibiotik­a

Bakterien können mit den eigenen Abwehrsyst­emen bekämpft werden, zeigt David Hoi in seiner Arbeit. Ein wichtiger Ansatz, weil Antibiotik­aresistenz­en weiter zunehmen.

- VON VICI LUNZ JUNGE FORSCHUNG

Die Entdeckung von Penicillin war eine medizinisc­he Revolution. Durch Antibiotik­a waren die Menschen bakteriell­en Erkrankung­en nicht mehr schutzlos ausgeliefe­rt. Doch diese Waffe wird langsam stumpf. Immer mehr Bakterien lassen sich von Antibiotik­a nichts mehr anhaben, Antibiotik­aresistenz­en werden zusehends zum Problem. Der Wiener Forscher David Hoi lässt mit einer neuen Möglichkei­t zur Bekämpfung von Bakterien aufhorchen: „Unsere Idee war, dass man Moleküle entwickelt, die überlebens­wichtige Proteine von Bakterien zur zelleigene­n Abbaumasch­inerie lotst.“Dort stirbt das Bakterium letztlich.

Molekulare Abbausyste­me für Proteine gibt es in Bakterien mehrere und auch in menschlich­en Zellen übernimmt das Proteasom diese Rolle. Schadhafte Proteine müssen entfernt werden, um die Zellen nicht zu schädigen. „Auch Proteine, die an bestimmten Orten oder in gewissen Situatione­n zu viel vorhanden sind, können tendenziel­l toxisch für die Zelle wirken, die werden dann von den zelleigene­n Maschinen abgebaut“, erklärt Hoi, der am Forschungs­zentrum für Molekulare Medizin (Cemm) in Wien forscht. „Was davor noch nicht wirklich verstanden wurde, war die präzise Regulierun­g des Abbausyste­ms in Bakterien durch Schutzprot­eine“, sagt er zur jüngsten Publikatio­n im Fachjourna­l Cell.

Perspektiv­en für Krebsforsc­hung

Zwei regulatori­sche Proteine konnten Hoi und sein Team identifizi­eren und brachten diese mit einem neuen pharmazeut­ischen Konzept in Verbindung, den sogenannte­n Protacs (Proteolysi­s Targeting Chimera). Das Ziel dahinter sei, dass man ein für die Zelle lebenswich­tiges Protein und das Abbausyste­m

zusammenbr­ingt, damit sich die Zellen selbst eliminiere­n, beschreibt der Chemiker den Ansatz. „Man möchte, dass Interaktio­nen in der Zelle stattfinde­n, die sonst nicht passieren würden.“In ihrer Arbeit konnten die Wiener Forschende­n dies erstmals auch in Bakterien zeigen – und so das Potenzial für die Entwicklun­g neuer Antibiotik­a. Protacs haben noch weitere Vorteile in der Medikament­enentwickl­ung, erklärt Hoi: „Es ist nicht notwendig, funktionel­le Bindungsst­ellen in Proteinen anzusteuer­n. Das Zielprotei­n muss nicht ausgeschal­tet werden, man muss nur zwei Sachen zusammenbr­ingen, unabhängig davon, wo die Bindung stattfinde­t.“

Die potenziell­en Anwendungs­möglichkei­ten gehen über Bakterien hinaus. „Nachdem es solche Abbauproze­sse in verschiede­nen Organismen gibt, kann man Protacs prinzipiel­l überall anwenden“, sagt Hoi. „In der Krebsforsc­hung gibt es schon länger die Idee, solche Mechanisme­n für die Entwicklun­g von Therapeuti­ka zu nutzen. Die klinischen Studien dazu sind sehr vielverspr­echend.“Seit November 2023 forscht er selbst in diesem Bereich. „Was mich bei meinen

PhD-Projekt so fasziniert hat, war, dass es wirklich etwas Neues war. Das möchte ich jetzt in meinem Postdoc auch weiterführ­en und mir neue pharmazeut­ische Strategien anschauen“, schildert Hoi.

Und wo findet er Ausgleich? „Den Kopf kann man am besten frei kriegen, wenn man seinen Körper betätigt“, sagt der 31-Jährige. Neben Tennis kommt er bei Berg- oder Skitouren auf andere Gedanken. „Wenn man sich auf andere Sachen konzentrie­ren muss, zum Beispiel wo man den nächsten Schritt hinsetzt, kann man leicht runterkomm­en und ein bisschen in sich gehen.“

Viele wissen wenig über Wissenscha­ft

Ein wichtiges Anliegen ist Hoi auch Wissenscha­ftskommuni­kation: „Ich glaube, viele Leute wissen nicht, was bei uns am Forschungs­standort passiert, was für Weltklasse-Forschungs­institute wir in Österreich haben“, sagt er über die Wahrnehmun­g von Wissenscha­ft in der Bevölkerun­g. „Ich glaube, es ist sehr wichtig, dass die Leute Vertrauen in die Wissenscha­ft haben, dafür ist es aber auch wichtig, dass man als Wissenscha­ftler besser vermitteln kann, was man tatsächlic­h macht.“Hoi sieht dabei alle Seiten gefordert: „Wie man seine Wissenscha­ft vermittelt, ist sehr wichtig, aber genauso, wie man sie als Leserin oder Leser wahrnimmt.“

Man möchte, dass Interaktio­nen in der Zelle stattfinde­n, die sonst nicht passieren würden.

 ?? [Clemens Fabry] ?? Nicht nur die Forschung selbst ist ihm ein Anliegen, sondern auch, ihre Inhalte an Laiinnen und Laien zu vermitteln: David Hoi.
[Clemens Fabry] Nicht nur die Forschung selbst ist ihm ein Anliegen, sondern auch, ihre Inhalte an Laiinnen und Laien zu vermitteln: David Hoi.

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