Von Reben und Kellern
Die Kellergassen im Weinviertel sind eine kulturgeschichtliche Besonderheit. Sie bieten Einblicke in den Weinbau, Verkostungen und auch einmal Übernachtungsmöglichkeit.
Der Weinschrank im Presshaus ist gut bestückt, mit Weißen wie Roten, der lauschige Abend auf der Terrasse ließe sich mit einem weiteren Glaserl also noch lang gut aushalten. Wäre da nicht das Gewitter, das zum Reingehen drängt. Geschützt von der breiten Fensterfront lässt sich der Umtrunk gemütlich fortsetzen, Blick in den Weingarten und auf das Blitzspektakel am Himmel inbegriffen. Am Morgen danach stehen schon alle Zutaten fürs Frühstück im Presshaus bereit, von den Gastgebern in Heinzelmännchen-Manier geliefert, nur der Tisch unter dem großen Nussbaum ist noch zu decken. Ab und zu heißt es, vorbeifahrende Radler in der Kellergasse freundlich zu grüßen, sonst gibt es in dem Moment keine Aufgaben mehr, außer die Ruhe und Beschaulichkeit, den Blick über die Landschaft aus Rebzeilen, Feldern, Wäldern, auf Kirch- und Aussichtstürme in der Ferne zu genießen.
Eingeschränkte Nutzung
Der Wein ist eines der Hauptargumente für den Urlaub im Weinviertel. Und die Kellergassen, die sogenannten Dörfer ohne Rauchfang sind dabei eine charmante Besonderheit. Deren ehemalige Produktionsund Lagerstätten werden heutzutage hauptsächlich als Museen, Partyräume, Heurigen, Vinotheken und rund ums Jahr auch als Kulisse für Weinfeste genutzt, bewohnt dürfen sie nicht werden. Da aber zum einen Unterkünfte in dieser Region, die besonders bei Radfahrern und Kulinarik-Interessierten beliebt ist, fehlen, zum anderen es sehr schade wäre, die alten Presshäuser und Keller verfallen zu lassen, hat das Land Niederösterreich diese Regelung vor wenigen Jahren etwas gelockert: Die schlichten, dennoch schmucken Häuschen dürfen nun auch (und nur) zum touristischen Zweck umgebaut und vermietet werden.
Wohnen beim Wein
Eines dieser Objekte gehört Andreas und Bernadette Weber vom BioWeingut Weber und befindet sich in der Kellergasse von Roseldorf in der Gemeinde Sitzendorf an der Schmida im westlichen Weinviertel (Bezirk Hollabrunn). Zwei moderne, mit viel Holz gestaltete „Weinberg-Suiten“mit Terrasse im oberen Stock nach hinten hinaus und ein gemütlicher Aufenthaltsbereich im Presshaus in Richtung Straße bieten Platz für insgesamt vier Personen, die mit jedmöglichem Komfort „mitten im Wein“übernachten wollen.
Die Weinproduktion selbst findet schon lang im zeitgemäßen Betrieb im Ort statt, für den Keller war kein direkter Bedarf mehr. „Unseren Betrieb, der aus Weinbau und Landwirtschaft besteht, gibt es seit vielen Generationen“, erzählt Andreas Weber. Die rund zehn Hektar große Weinbaufläche wird streng biologisch betrieben. „Und das schon seit 20 Jahren durch meinen Vater – da hab ich noch den Wein mit Cola gemischt“, sagt er mit einem Grinser. Mittlerweile weiß er es besser und ist als Winzer auf regionaltypische sortenreine Weine wie Grünen Veltliner, Welschriesling und Blauen Portugieser spezialisiert, die hier in den luftig hellen Räumen auch gleich verkostet werden können – oder in der Weinsuite in der Kellergasse.
Gleich neben dem umgebauten Keller befindet sich im Übrigen die Spritzerrast der Familie Maurer, ebenfalls in einem ehemaligen Presshaus. Eine gute Einkehrmöglichkeit, um sich einen Spritzer, Saft oder eine Jause herzurichten oder auch gleich Produkte vom Biohof einzukaufen.
Harte Arbeit, schöne Keller
Über die Arbeitswelt und Kulturgeschichte der Winzer lässt sich bei einer Führung in einer Kellergasse etwas erfahren. In der Nähe prägen auch die Gemeinde Zellerndorf, nur wenige Kilometer vom Grenzübergang nach Tschechien entfernt, Weinbau, Winzerhöfe, Heurige und Weinkeller. Hier befindet sich mit 1,2 Kilometern eine der längsten Kellergassen im Weinviertel, die Maulavern.
Kellergassenführerin Cornelia Schönhofer, die ebenfalls mit ihrem Mann einen Weinbaubetrieb im Ort führt, erklärt nicht nur den ungewöhnlichen Namen (aus dem Alt- beziehungsweise Mittelhochdeutschen Bezeichnungen für „Grenze“sowie „Gericht“), sondern auch, welche baulichen und arbeitstechnisch wichtigen Besonderheiten die etwa 100 locker
der Straße gereihten Keller aus dem 18. und 19. Jahrhundert, davon 75 Presshäuser und 25 Vorkappel, also die Vorräume zur Kellerröhre, ausmachen. Aufmerksame TV-Seher können dabei vielleicht erkennen, dass in der Gasse Szenen für die Fernsehserie „Julia – eine ungewöhnliche Frau“Anfang der 2000er-Jahre mit Christiane Hörbiger gedreht wurden.
„Wenn beim Keller eine Tür offen ist, kann man auch hineingehen und mit den Leuten etwas trinken“, sagt sie außerdem. Gepresst – in kleinen Mengen – wird hier aber nur noch in sechs Kellern. Die professionelle Verarbeitung und Lagerung finden nicht in den oft sehr tiefliegenden und über viele Stufen erreichbare Kellerröhren, sondern eben außerhalb in den modernen Betrieben statt. Hauptsorten sind auch hier der Grüne Veltliner nebst Sauvignon Blanc, Gelbem Muskateller und Chardonnay sowie Blauem Portugieser.
Schnörkellos archaisch
Einer der ersten Keller in der Gasse wird als Kellermuseum genutzt, wo sich die Besucher über die harte Arbeit anno dazumal informieren können. Obwohl die einzelnen Bauten von einfacher Architektur aus Lehmziegeln und -wänden, mit Hand verputzt und weiß gekalkt, oft mit grünen oder blauen Türen, ohentlang ne viele Schnörkel sind, sieht doch jeder einzelne Keller anders aus. „Schaut euch die Türen an, die Beschläge, Griffe und die unterschiedlichen Muster im Holz, einmal ist es eine Sonne, eine Raute oder Sterne.“Ein perfekter Abschluss nach der Erkundungstour ist eine deftige Jause mit Weinverkostung in einer Laube mit weitem Blick in die Weinberge.
200 Bilder in der Röhre
Nicht nur die Keller, auch die Kellergassen sind unterschiedlich. Im Ort Straning-Grafenberg etwa dominieren – im Gegensatz zu Zellerndorfs einstöckigen Gebäuden – große Keller, schon richtige Häuser, mit zwei bis drei Geschoßen. Hier wie dort wurden im oberen Bereich einst Heu und Stroh gelagert, die „Schätze“, also der Wein, hingegen unterirdisch.
Ein außergewöhnlicher Keller befindet sich in Röschitz. In dem seit 200 Jahren in der Familie Kornelia und Ludwig Weber befindlichen Keller in der Pulkauer Straße hat einst Urgroßvater Ludwig Weber begonnen, diverse Motive in die Lehmwände zu schnitzen. „Er war Laie, hat sich das selbst erarbeitet und einfach mit einem Taschenfeitel begonnen“, erzählt Kornelia Weber bei einer kurzen Führung. Etwa 200 Bilder sind zu bestaunen, Motive aus der griechischen und römischen Mythologie, biblische Szenen, Künstler, Politiker, Adelige, Angehörige und so weiter. Und jede Generation der Familie hat bis in die 1980er-Jahre weiter beigetragen oder die Bilder zumindest erhalten.
In die Zukunft schauen
Röschitz selbst ist eine hübsche Marktgemeinde an den Ausläufern des Manhartsbergs gelegen mit Schwerpunkt Weinbau und rund 20 Winzern. Der Ort kann auch mit einer recht schönen historischen Kellergasse, der Röschitzer MarktwegKellergasse, aufwarten, die viele Fotomotive bietet, und auch bei Gelegenheit ein Achterl. Selbst wenn man nicht gerade danach sucht, kann es passieren, dass man bei einem Spaziergang in Räumlichkeiten gelockt und trinktechnisch versorgt wird.
Von der historischen Kellergasse und dabei über drei nebeneinanderliegende ehemalige Keller führt seit Kurzem ein öffentlicher Zugang zum neu gebauten Weingut Gruber Röschitz. Das traditionsreiche Weingut mitten im Ort wird seit 2012 von drei Geschwistern, Maria Wegscheider, Christian und Ewald Gruber, geführt und hat einen zukunftsweisenden Standort. Es wurde „in den Berg hineingegraben“, wie Maria Wegscheider es beschreibt. Seit 2013 hat sich das familiäre Team auf rein biologische und (seit 2016) biozertifizierte Weine spezialisiert. Produktion und Lagerung in diesem Ausmaß brauchen aber nicht wenig Platz, so kam der Plan für den nachhaltigen Bau mit Keller in acht Metern Tiefe, Lehmputz und Lehmdecke, natürlicher Kühlung, Fotovoltaikanlage, begrüntem Dach, hellen Räumen für den Shop, Verkostungen und Veranstaltungen.
Was heißt hier Kellerkatze?
Weiter südlich, Richtung Wien, lockt auch noch die Sitzendorfer Kellergasse in Hollabrunn. Hier begibt man sich auf die „Spuren der Kellerkatze“, auch bei geführten Spaziergängen auf dem Kellerkatzenweg. An mehr als 20 Stationen verraten Tafeln und Installationen zudem Interessantes über die Kellergasse und was es mit besagter Kellerkatze, dem Symbol für den Weinbau, auf sich hat. Einerseits lautet die Mär, dass sich Katzen immer auf das beste Weinfass setzen sollen, andererseits ist damit der flaumige grün-schwarze Schimmelpilz gemeint, der sich in optimalen Kellertemperaturen und -verhältnissen bildet. Zumindest, solang Wein gelagert wird. In den modernen Unterkünften der Kellergassen wird natürlich gern darauf verzichtet.