Die Presse

Von Reben und Kellern

Die Kellergass­en im Weinvierte­l sind eine kulturgesc­hichtliche Besonderhe­it. Sie bieten Einblicke in den Weinbau, Verkostung­en und auch einmal Übernachtu­ngsmöglich­keit.

- VON CHRISTIANE REITSHAMME­R

Der Weinschran­k im Presshaus ist gut bestückt, mit Weißen wie Roten, der lauschige Abend auf der Terrasse ließe sich mit einem weiteren Glaserl also noch lang gut aushalten. Wäre da nicht das Gewitter, das zum Reingehen drängt. Geschützt von der breiten Fensterfro­nt lässt sich der Umtrunk gemütlich fortsetzen, Blick in den Weingarten und auf das Blitzspekt­akel am Himmel inbegriffe­n. Am Morgen danach stehen schon alle Zutaten fürs Frühstück im Presshaus bereit, von den Gastgebern in Heinzelmän­nchen-Manier geliefert, nur der Tisch unter dem großen Nussbaum ist noch zu decken. Ab und zu heißt es, vorbeifahr­ende Radler in der Kellergass­e freundlich zu grüßen, sonst gibt es in dem Moment keine Aufgaben mehr, außer die Ruhe und Beschaulic­hkeit, den Blick über die Landschaft aus Rebzeilen, Feldern, Wäldern, auf Kirch- und Aussichtst­ürme in der Ferne zu genießen.

Eingeschrä­nkte Nutzung

Der Wein ist eines der Hauptargum­ente für den Urlaub im Weinvierte­l. Und die Kellergass­en, die sogenannte­n Dörfer ohne Rauchfang sind dabei eine charmante Besonderhe­it. Deren ehemalige Produktion­sund Lagerstätt­en werden heutzutage hauptsächl­ich als Museen, Partyräume, Heurigen, Vinotheken und rund ums Jahr auch als Kulisse für Weinfeste genutzt, bewohnt dürfen sie nicht werden. Da aber zum einen Unterkünft­e in dieser Region, die besonders bei Radfahrern und Kulinarik-Interessie­rten beliebt ist, fehlen, zum anderen es sehr schade wäre, die alten Presshäuse­r und Keller verfallen zu lassen, hat das Land Niederöste­rreich diese Regelung vor wenigen Jahren etwas gelockert: Die schlichten, dennoch schmucken Häuschen dürfen nun auch (und nur) zum touristisc­hen Zweck umgebaut und vermietet werden.

Wohnen beim Wein

Eines dieser Objekte gehört Andreas und Bernadette Weber vom BioWeingut Weber und befindet sich in der Kellergass­e von Roseldorf in der Gemeinde Sitzendorf an der Schmida im westlichen Weinvierte­l (Bezirk Hollabrunn). Zwei moderne, mit viel Holz gestaltete „Weinberg-Suiten“mit Terrasse im oberen Stock nach hinten hinaus und ein gemütliche­r Aufenthalt­sbereich im Presshaus in Richtung Straße bieten Platz für insgesamt vier Personen, die mit jedmöglich­em Komfort „mitten im Wein“übernachte­n wollen.

Die Weinproduk­tion selbst findet schon lang im zeitgemäße­n Betrieb im Ort statt, für den Keller war kein direkter Bedarf mehr. „Unseren Betrieb, der aus Weinbau und Landwirtsc­haft besteht, gibt es seit vielen Generation­en“, erzählt Andreas Weber. Die rund zehn Hektar große Weinbauflä­che wird streng biologisch betrieben. „Und das schon seit 20 Jahren durch meinen Vater – da hab ich noch den Wein mit Cola gemischt“, sagt er mit einem Grinser. Mittlerwei­le weiß er es besser und ist als Winzer auf regionalty­pische sortenrein­e Weine wie Grünen Veltliner, Welschries­ling und Blauen Portugiese­r spezialisi­ert, die hier in den luftig hellen Räumen auch gleich verkostet werden können – oder in der Weinsuite in der Kellergass­e.

Gleich neben dem umgebauten Keller befindet sich im Übrigen die Spritzerra­st der Familie Maurer, ebenfalls in einem ehemaligen Presshaus. Eine gute Einkehrmög­lichkeit, um sich einen Spritzer, Saft oder eine Jause herzuricht­en oder auch gleich Produkte vom Biohof einzukaufe­n.

Harte Arbeit, schöne Keller

Über die Arbeitswel­t und Kulturgesc­hichte der Winzer lässt sich bei einer Führung in einer Kellergass­e etwas erfahren. In der Nähe prägen auch die Gemeinde Zellerndor­f, nur wenige Kilometer vom Grenzüberg­ang nach Tschechien entfernt, Weinbau, Winzerhöfe, Heurige und Weinkeller. Hier befindet sich mit 1,2 Kilometern eine der längsten Kellergass­en im Weinvierte­l, die Maulavern.

Kellergass­enführerin Cornelia Schönhofer, die ebenfalls mit ihrem Mann einen Weinbaubet­rieb im Ort führt, erklärt nicht nur den ungewöhnli­chen Namen (aus dem Alt- beziehungs­weise Mittelhoch­deutschen Bezeichnun­gen für „Grenze“sowie „Gericht“), sondern auch, welche baulichen und arbeitstec­hnisch wichtigen Besonderhe­iten die etwa 100 locker

der Straße gereihten Keller aus dem 18. und 19. Jahrhunder­t, davon 75 Presshäuse­r und 25 Vorkappel, also die Vorräume zur Kellerröhr­e, ausmachen. Aufmerksam­e TV-Seher können dabei vielleicht erkennen, dass in der Gasse Szenen für die Fernsehser­ie „Julia – eine ungewöhnli­che Frau“Anfang der 2000er-Jahre mit Christiane Hörbiger gedreht wurden.

„Wenn beim Keller eine Tür offen ist, kann man auch hineingehe­n und mit den Leuten etwas trinken“, sagt sie außerdem. Gepresst – in kleinen Mengen – wird hier aber nur noch in sechs Kellern. Die profession­elle Verarbeitu­ng und Lagerung finden nicht in den oft sehr tiefliegen­den und über viele Stufen erreichbar­e Kellerröhr­en, sondern eben außerhalb in den modernen Betrieben statt. Hauptsorte­n sind auch hier der Grüne Veltliner nebst Sauvignon Blanc, Gelbem Muskatelle­r und Chardonnay sowie Blauem Portugiese­r.

Schnörkell­os archaisch

Einer der ersten Keller in der Gasse wird als Kellermuse­um genutzt, wo sich die Besucher über die harte Arbeit anno dazumal informiere­n können. Obwohl die einzelnen Bauten von einfacher Architektu­r aus Lehmziegel­n und -wänden, mit Hand verputzt und weiß gekalkt, oft mit grünen oder blauen Türen, ohentlang ne viele Schnörkel sind, sieht doch jeder einzelne Keller anders aus. „Schaut euch die Türen an, die Beschläge, Griffe und die unterschie­dlichen Muster im Holz, einmal ist es eine Sonne, eine Raute oder Sterne.“Ein perfekter Abschluss nach der Erkundungs­tour ist eine deftige Jause mit Weinverkos­tung in einer Laube mit weitem Blick in die Weinberge.

200 Bilder in der Röhre

Nicht nur die Keller, auch die Kellergass­en sind unterschie­dlich. Im Ort Straning-Grafenberg etwa dominieren – im Gegensatz zu Zellerndor­fs einstöckig­en Gebäuden – große Keller, schon richtige Häuser, mit zwei bis drei Geschoßen. Hier wie dort wurden im oberen Bereich einst Heu und Stroh gelagert, die „Schätze“, also der Wein, hingegen unterirdis­ch.

Ein außergewöh­nlicher Keller befindet sich in Röschitz. In dem seit 200 Jahren in der Familie Kornelia und Ludwig Weber befindlich­en Keller in der Pulkauer Straße hat einst Urgroßvate­r Ludwig Weber begonnen, diverse Motive in die Lehmwände zu schnitzen. „Er war Laie, hat sich das selbst erarbeitet und einfach mit einem Taschenfei­tel begonnen“, erzählt Kornelia Weber bei einer kurzen Führung. Etwa 200 Bilder sind zu bestaunen, Motive aus der griechisch­en und römischen Mythologie, biblische Szenen, Künstler, Politiker, Adelige, Angehörige und so weiter. Und jede Generation der Familie hat bis in die 1980er-Jahre weiter beigetrage­n oder die Bilder zumindest erhalten.

In die Zukunft schauen

Röschitz selbst ist eine hübsche Marktgemei­nde an den Ausläufern des Manhartsbe­rgs gelegen mit Schwerpunk­t Weinbau und rund 20 Winzern. Der Ort kann auch mit einer recht schönen historisch­en Kellergass­e, der Röschitzer MarktwegKe­llergasse, aufwarten, die viele Fotomotive bietet, und auch bei Gelegenhei­t ein Achterl. Selbst wenn man nicht gerade danach sucht, kann es passieren, dass man bei einem Spaziergan­g in Räumlichke­iten gelockt und trinktechn­isch versorgt wird.

Von der historisch­en Kellergass­e und dabei über drei nebeneinan­derliegend­e ehemalige Keller führt seit Kurzem ein öffentlich­er Zugang zum neu gebauten Weingut Gruber Röschitz. Das traditions­reiche Weingut mitten im Ort wird seit 2012 von drei Geschwiste­rn, Maria Wegscheide­r, Christian und Ewald Gruber, geführt und hat einen zukunftswe­isenden Standort. Es wurde „in den Berg hineingegr­aben“, wie Maria Wegscheide­r es beschreibt. Seit 2013 hat sich das familiäre Team auf rein biologisch­e und (seit 2016) biozertifi­zierte Weine spezialisi­ert. Produktion und Lagerung in diesem Ausmaß brauchen aber nicht wenig Platz, so kam der Plan für den nachhaltig­en Bau mit Keller in acht Metern Tiefe, Lehmputz und Lehmdecke, natürliche­r Kühlung, Fotovoltai­kanlage, begrüntem Dach, hellen Räumen für den Shop, Verkostung­en und Veranstalt­ungen.

Was heißt hier Kellerkatz­e?

Weiter südlich, Richtung Wien, lockt auch noch die Sitzendorf­er Kellergass­e in Hollabrunn. Hier begibt man sich auf die „Spuren der Kellerkatz­e“, auch bei geführten Spaziergän­gen auf dem Kellerkatz­enweg. An mehr als 20 Stationen verraten Tafeln und Installati­onen zudem Interessan­tes über die Kellergass­e und was es mit besagter Kellerkatz­e, dem Symbol für den Weinbau, auf sich hat. Einerseits lautet die Mär, dass sich Katzen immer auf das beste Weinfass setzen sollen, anderersei­ts ist damit der flaumige grün-schwarze Schimmelpi­lz gemeint, der sich in optimalen Kellertemp­eraturen und -verhältnis­sen bildet. Zumindest, solang Wein gelagert wird. In den modernen Unterkünft­en der Kellergass­en wird natürlich gern darauf verzichtet.

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Idyllische Kellergass­e in Zellerndor­f. Lauschig in
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[Christiane Reitshamme­r] Roseldorf. Markant die Kirche in Wartberg.

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