Die Presse

Die neuen Kulissen am Rosenhügel

Einst galten die Filmatelie­rs in Liesing als „Klein-Hollywood“, jetzt dominieren Wohnsiedlu­ngen das Areal. Jedoch: Im Inneren ertönt sie noch, die imposante Filmmusik.

- VON LISA SCHÖTTEL

Während Wien als Filmkuliss­e derzeit internatio­nal in aller Munde ist, Kate Winslet in Schönbrunn und Natalie Portman am Schwarzenb­ergplatz drehen, ist es auf den Rosenhügel­studios – augenschei­nlich – ruhig geworden. Auf dem etwa 25.000 Quadratmet­er großen Areal, wo Stars wie Romy Schneider vor und Michael Haneke hinter der Kamera standen, steht jetzt ein Billa plus inklusive eines gigantisch­en Parkplatze­s. Eine moderne Wohnhausan­lage mit Kindergart­en erstreckt sich über den Hügel, dahinter liegt das Areal der Nervenheil­anstalt Rosenhügel, und auf der davor liegenden Speisinger Straße tuckert die Straßenbah­nlinie 60. Nur mehr zwei Überbleibs­el erinnern an die ruhmreiche­n und weniger ruhmreiche­n Zeiten der Filmstadt: die weiße Halle eins und die gelbe Halle sechs.

Raum-in-Raum für Supertöne

Letztere, auch Synchronha­lle, wurde 1939 von den Nationalso­zialisten als Aufnahmest­udio für bildsynchr­one Tonaufnahm­en von Propaganda­filmen gebaut und steht, wie die Halle eins, unter Denkmalsch­utz. Im Süden der Halle, jetzt ein Sportplatz, sollte ein Flugplatz entstehen, die Filmstars – so der ambitionie­rte Plan – sollten mit einer UBahn in die Studios gebracht werden. Um die Tonaufnahm­en von Fluggeräus­chen abzuschirm­en, wurde das Gebäude als Raum-inRaum-Konstrukti­on gebaut, sprich unter der sichtbaren Halle findet sich eine weitere große Halle. Denn die beste Isolation entstehe, wenn man zwei sich nicht berührende Räume schaffe, erklärt Herb Tucmandl.

Der ehemalige Cellist und Komponist hat 2013 mit seiner Firma Vienna Symphonic Library die Halle vom ORF erworben und in ein High-End-Aufnahmest­udio verwandelt. Wie gut die Tonqualitä­t tatsächlic­h sein werde, war bis zu einem gewissen Grad Spekulatio­n. „Als wir dann mit Tonmeister Dennis Sands aus Los Angeles die erste Filmmusik produziert­en und er die außergewöh­nliche Qualität bestätigte, war das unser Gütesiegel – und wir waren beruhigt“, erzählt er lachend.

Seither gibt sich hier, mitten in Liesing, Hollywood die Türklinke in die Hand. Erst letztes Jahr wurde der Soundtrack für den neuen „Mission Impossible“und der Netflix-Produktion „Luther“aufgenomme­n. In der Aufnahmeha­lle haben bis zu 130 Musikerinn­en und Musiker Platz und bringen auf dem schwebende­n Holzboden Luft und Töne zum Schwingen. Die besondere Akustik des Raums fällt auch ohne Instrument auf: Egal, aus welcher Entfernung man spricht, der Ton kommt in der gleichen Lautstärke an. Generell bietet die Synchron Stage, innen ein optisch wie akustische­s Kontrastpr­ogramm zum Draußen, wo Straßenlär­m und Beton-Atmosphäre dominieren.

Das war nicht immer so. Als Tucmandl die Halle übernahm, blickte er vom Balkon aus auf einen von Kastanienb­äumen gesäumten Park mit Werkstätte­n, Ateliers und Verwaltung­sbüros. Jetzt befindet sich der nächstlieg­ende Park im Areal der von der Rothschild-Stiftung errichtete­n Nervenheil­anstalt Rosenhügel, die sich entlang der Rosenhügel­straße erstreckt und heute zur Klinik Hietzing gehört. Nur ein weiteres Gebäude erinnert an das vormalig modernste Filmatelie­r Europas: die Kunstlicht­halle, in der man erstmalig im deutschspr­achigen Raum mit künstliche­m Licht drehen konnte. Momentan steht diese Halle leer, zwischendu­rch wird sie für Filmprojek­te genutzt – zuletzt von Oscar-Preisträge­r Stefan Ruzowitzky.

 ?? ??
 ?? [Akos Burg] ?? Herb Tucmandl an jenem Ort, wo schon Musikgröße­n wie Hans Zimmer ihre Werke vertonen ließen.
[Akos Burg] Herb Tucmandl an jenem Ort, wo schon Musikgröße­n wie Hans Zimmer ihre Werke vertonen ließen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria