KI kann durchaus auch Strategie
Künstliche Intelligenz. Für Wissensarbeiter, speziell für Strategen, ändern sich durch den Einsatz von KI-Tools die Aufgaben, sagt WU-Professor Werner H. Hoffmann.
Jetzt ist also auch die Strategiearbeit ein Fall für die künstliche Intelligenz (KI). Erstmals sei es möglich, Wissensarbeit – und Strategiearbeit zähle geradezu prototypisch dazu – zu automatisieren, sagt Werner H. Hoffmann. Er ist Vorstand des Instituts für Strategisches Management an der Wirtschaftsuniversität Wien (WU), Partner der Contrast EY Management Consulting und Mastermind hinter dem Wiener Strategieforum, das am 28. Mai an der WU stattfindet.
KI in der Strategiearbeit, sagt Hoffmann, „das ist nicht ScienceFiction, sondern heute längst möglich“. Mehr noch, sie bringe, sinnvoll eingesetzt, deutliche Produktivitätssteigerungen, sehe allerdings in jeder der drei entscheidenden Phasen – 1. strategische Analyse, 2. Strategieformulierung, 3. Strategieimplementierung & Kommunikation – unterschiedlich aus.
In der ersten Phase können KITools unterstützen, Daten aus diversen Quellen zu sammeln und zu analysieren. Mit dem Ziel, ein Verständnis für Veränderungen bei den Wettbewerbern, Kunden, der Regulatorik oder Technologien und eine solide Datengrundlage zu erhalten.
Dafür können etwa Social-Media-Kanäle, also unstrukturierte Datenquellen, durchkämmt und z. B. auf Kundenbewertungen und -wünsche hin untersucht werden. „Das war zweifellos auch in der Vergangenheit möglich“, sagt Hoffmann, „allerdings nur mit gewaltigem Aufwand – und es dauerte“. Bemerkenswert sei der Produktivitätsgewinn durch schnellere und durchaus auch exaktere Analyse durch KI. Für die Mitarbeitenden heißt es, dass sie sich Recherche und Datensichtungen, das Strukturieren, Clustern und Mustererkennen ersparen können. Nicht aber die kritische Diskussion der Ergebnisse. Was sich anhand der gesammelten Daten ebenfalls einfacher und schneller bewerkstelligen lasse, sei Strategic Foresight, also strategische Früherkennung. Voraussetzung ist eine entsprechend große Datenmenge, aus der KI-Tools schöpfen und anhand derer sie lernen können. Auch diese Idee sei nicht neu, aber die Umsetzung war in der Vergangenheit zu aufwendig und wurde daher kaum systematisch genutzt.
In der zweiten Phase, der Strategieformulierung, ist KI in der Lage, Vorschläge zu liefern – aus den
Mustern, die sie aus den Daten destilliert hat: „Das sind Standardvorschläge, die sich an Strategien der Vergangenheit orientieren“, sagt Hoffmann. „Aber sie sind nicht genuin kreativ. Da sind wir Menschen aufgefordert.“Dennoch sieht er einen Nutzen durch den Einsatz von KI: „Vorlaufende, vorbereitende, repetitive Tätigkeiten fallen weg.“
Auch bei Open-Strategy-Prozessen, wenn zum Beispiel Mitarbeitende und externe Stakeholder in die Strategieformulierung eingebunden sind, können KI-Tools helfen, die Fülle an Ideen und Beiträgen zu strukturieren, zu bewerten und sogar zu kombinieren. Einen entsprechenden Bewertungsraster kann man im Vorfeld mit der KI erarbeiten und trainieren.
Und schließlich in der Implementierungsund Kommunikationsphase kann KI dabei unterstützen, Mails vorzuformulieren und Vorschläge für Updates zur Umsetzung zu verfassen. Dennoch wäre es ein Fehler, die Kommunikation ganz der KI zu überlassen, denn Empathie, Vertrauen und soziale Kompetenz seien menschlich und nicht digitalisierbar. „Damit die Vermittlung der Strategie funktioniert, muss sich ein Mensch hinstellen“, sagt Hoffmann.
Konstruktiv-kritische Haltung
Was Hoffmann außerdem empfiehlt, sind Plausibilitätschecks. Denn es sei nicht ausgeschlossen, dass der Algorithmus der KI mit einem Bias behaftet sei, Beiträge systematisch ausblendet oder systematisch überbewertet. Denn letztlich seien immer Menschen für die Entscheidungen verantwortlich – selbst dann, wenn die KI faktisch entscheide, wie bei der dynamischen Preisgestaltung.
Überhaupt empfiehlt Hoffmann einen konstruktiv-kritischen Umgang mit KI, ohne in die tendenziell fortschrittskritische europäische Haltung zu verfallen, die primär die Probleme und Regulierungsmöglichkeiten im Auge hat. Denn trotz aller Schwächen: Mit KI lasse sich durchaus mehr Tiefgang und Professionalität in die Strategiearbeit bringen. Und: „Wer diese Technologien besser nutzt, hat einen Wettbewerbsvorteil.“