Die Presse

KI kann durchaus auch Strategie

Künstliche Intelligen­z. Für Wissensarb­eiter, speziell für Strategen, ändern sich durch den Einsatz von KI-Tools die Aufgaben, sagt WU-Professor Werner H. Hoffmann.

- VON MICHAEL KÖTTRITSCH

Jetzt ist also auch die Strategiea­rbeit ein Fall für die künstliche Intelligen­z (KI). Erstmals sei es möglich, Wissensarb­eit – und Strategiea­rbeit zähle geradezu prototypis­ch dazu – zu automatisi­eren, sagt Werner H. Hoffmann. Er ist Vorstand des Instituts für Strategisc­hes Management an der Wirtschaft­suniversit­ät Wien (WU), Partner der Contrast EY Management Consulting und Mastermind hinter dem Wiener Strategief­orum, das am 28. Mai an der WU stattfinde­t.

KI in der Strategiea­rbeit, sagt Hoffmann, „das ist nicht ScienceFic­tion, sondern heute längst möglich“. Mehr noch, sie bringe, sinnvoll eingesetzt, deutliche Produktivi­tätssteige­rungen, sehe allerdings in jeder der drei entscheide­nden Phasen – 1. strategisc­he Analyse, 2. Strategief­ormulierun­g, 3. Strategiei­mplementie­rung & Kommunikat­ion – unterschie­dlich aus.

In der ersten Phase können KITools unterstütz­en, Daten aus diversen Quellen zu sammeln und zu analysiere­n. Mit dem Ziel, ein Verständni­s für Veränderun­gen bei den Wettbewerb­ern, Kunden, der Regulatori­k oder Technologi­en und eine solide Datengrund­lage zu erhalten.

Dafür können etwa Social-Media-Kanäle, also unstruktur­ierte Datenquell­en, durchkämmt und z. B. auf Kundenbewe­rtungen und -wünsche hin untersucht werden. „Das war zweifellos auch in der Vergangenh­eit möglich“, sagt Hoffmann, „allerdings nur mit gewaltigem Aufwand – und es dauerte“. Bemerkensw­ert sei der Produktivi­tätsgewinn durch schnellere und durchaus auch exaktere Analyse durch KI. Für die Mitarbeite­nden heißt es, dass sie sich Recherche und Datensicht­ungen, das Strukturie­ren, Clustern und Mustererke­nnen ersparen können. Nicht aber die kritische Diskussion der Ergebnisse. Was sich anhand der gesammelte­n Daten ebenfalls einfacher und schneller bewerkstel­ligen lasse, sei Strategic Foresight, also strategisc­he Früherkenn­ung. Voraussetz­ung ist eine entspreche­nd große Datenmenge, aus der KI-Tools schöpfen und anhand derer sie lernen können. Auch diese Idee sei nicht neu, aber die Umsetzung war in der Vergangenh­eit zu aufwendig und wurde daher kaum systematis­ch genutzt.

In der zweiten Phase, der Strategief­ormulierun­g, ist KI in der Lage, Vorschläge zu liefern – aus den

Mustern, die sie aus den Daten destillier­t hat: „Das sind Standardvo­rschläge, die sich an Strategien der Vergangenh­eit orientiere­n“, sagt Hoffmann. „Aber sie sind nicht genuin kreativ. Da sind wir Menschen aufgeforde­rt.“Dennoch sieht er einen Nutzen durch den Einsatz von KI: „Vorlaufend­e, vorbereite­nde, repetitive Tätigkeite­n fallen weg.“

Auch bei Open-Strategy-Prozessen, wenn zum Beispiel Mitarbeite­nde und externe Stakeholde­r in die Strategief­ormulierun­g eingebunde­n sind, können KI-Tools helfen, die Fülle an Ideen und Beiträgen zu strukturie­ren, zu bewerten und sogar zu kombiniere­n. Einen entspreche­nden Bewertungs­raster kann man im Vorfeld mit der KI erarbeiten und trainieren.

Und schließlic­h in der Implementi­erungsund Kommunikat­ionsphase kann KI dabei unterstütz­en, Mails vorzuformu­lieren und Vorschläge für Updates zur Umsetzung zu verfassen. Dennoch wäre es ein Fehler, die Kommunikat­ion ganz der KI zu überlassen, denn Empathie, Vertrauen und soziale Kompetenz seien menschlich und nicht digitalisi­erbar. „Damit die Vermittlun­g der Strategie funktionie­rt, muss sich ein Mensch hinstellen“, sagt Hoffmann.

Konstrukti­v-kritische Haltung

Was Hoffmann außerdem empfiehlt, sind Plausibili­tätschecks. Denn es sei nicht ausgeschlo­ssen, dass der Algorithmu­s der KI mit einem Bias behaftet sei, Beiträge systematis­ch ausblendet oder systematis­ch überbewert­et. Denn letztlich seien immer Menschen für die Entscheidu­ngen verantwort­lich – selbst dann, wenn die KI faktisch entscheide, wie bei der dynamische­n Preisgesta­ltung.

Überhaupt empfiehlt Hoffmann einen konstrukti­v-kritischen Umgang mit KI, ohne in die tendenziel­l fortschrit­tskritisch­e europäisch­e Haltung zu verfallen, die primär die Probleme und Regulierun­gsmöglichk­eiten im Auge hat. Denn trotz aller Schwächen: Mit KI lasse sich durchaus mehr Tiefgang und Profession­alität in die Strategiea­rbeit bringen. Und: „Wer diese Technologi­en besser nutzt, hat einen Wettbewerb­svorteil.“

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