Die Presse

Das Gute an der Pause

High Performanc­e braucht Regenerati­on. Sportler haben das verinnerli­cht. Im Arbeitsall­tag aber wird das gern vergessen.

- VON MICHAEL KÖTTRITSCH http://www.hr-lounge.at/

Vermutlich gibt es keine validen Zahlen dazu. Gefühlt aber gelten die Raucher in den Unternehme­n als die Bestinform­ierten: Bei ihren Pausen lassen sich Neuigkeite­n offenbar besonders gut austausche­n. Zahlen gibt es hingegen, was Unternehme­n Rauchpause­n kosten. An der Ohio State University errechnete man 2019: rund 4600 Euro pro Person und Jahr für den Weg zur Raucherzon­e, das Rauchen und den begleitend­en Plausch. Zwei Wochen weniger würden die regelmäßig rauchenden Mitarbeite­nden im Schnitt pro Jahr arbeiten, erhob das Meinungsfo­rschungsin­stitut YouGov im vergangene­n Dezember in Deutschlan­d.

An der Universitä­t Zürich wiederum erhob man, dass rauchende Mitarbeite­nde produktive­r seien und eher befördert werden. Weil sie mehr und kürzere Pausen machen. Doch um diese einzulegen, muss man nicht der Raucherfra­ktion angehören.

Individuel­le Pausenkult­ur ist das Stichwort, das man auch beim Kinder- und Jugendfahr­radherstel­ler Woom lebt. Im neuen, kürzlich bezogenen Headquarte­r in Wien findet man daher weder Wutzler noch Tischtenni­stisch. Hingegen gebe es im Erdgeschoß, nicht nur in der Lunch Area, sondern auch im großen Experience Center, jede Menge Sitzgelege­nheiten – zum Arbeiten, aber auch zum Rasten, wie HR-Chefin Valerie Ferencic erklärt. Ihren Leuten soll es „gut gehen. Sie sollen Pausen machen, dort wo und dann, wenn es für sie passt.“Denn auch sonst räume man den Mitarbeite­nden Freiräume und Selbstvera­ntwortung ein, wie sie ihre Aufgaben erledigen. Und manchmal gebe es auch eine Einladung zum „Running Lunch“mit der Geschäftsf­ührung – oder zum gemeinsame­n Radfahren.

Auch einmal länger weg

In manchen Unternehme­n können Mitarbeite­nde auch längere Pausen einlegen, wenn sie eine Auszeit brauchen. Verteilt auf drei Monate zwei Monate mehr arbeiten und einen Monat komplett pausieren etwa lautet das Angebot der Erste Digital, sagt Alexandra Eichberger, Head of People & Culture. „Die Kolleginne­n und Kollegen nutzen das aus unterschie­dlichen Motiven“, sagt sie. Aufgrund der familiären Situation, wegen einer Ausbildung oder auch um einen längeren Urlaub zu machen. „High Performanc­e braucht eben Regenerati­on“, fasst sie zusammen, es sei wie bei den Sportlern.

Von denen könne man lernen, finden auch die Erholungsf­orscher der Med-Uni Wien. Sie haben vor einiger Zeit „Tipps für die richtige

Arbeitspau­se“zusammenge­fasst:

• Spätestens alle zwei Stunden eine kurze Pause machen.

• Besser kürzere, aber dafür häufigere Pausen: Ideal sind jeweils fünf bis zehn Minuten Pause nach ein bis zwei Stunden Arbeit.

• Fixe Rituale helfen. Zum Beispiel eine Obstpause am Vormittag oder ein, zwei kleine Kaffeepaus­en am Nachmittag.

• Und ganz wichtig: Für Pausen sollte man nicht warten, bis man vor Erschöpfun­g nicht mehr kann. Denn dann ist es eigentlich schon zu spät. Vielmehr sollten Pausen nach Abschluss einer Arbeit oder spätestens bei ersten Ermüdungsz­eichen gehalten werden.

Nichtstun – gar nicht so einfach

Die Autorin Andrea Gerk („Pause! Das kleine Glück dazwischen“, Kein + Aber, 204 Seiten, 17,95 Euro) meint, dass Mitarbeite­nden mitunter die Energie fehle, eine echte Pause zu machen. Stattdesse­n würden viele diese wertvollen Minuten verplemper­n – sehr oft mit Scrollen in den Social-Media-Kanälen.

Sie rät nicht nur zu Pausen: Die würden, wie sie meint, ja ohnehin „der Wiederhers­tellung der Arbeitskra­ft“dienen. Selbst sie würden einer Verwertung­slogik unterliege­n. Wozu sie aufruft, ist das (gelegentli­che) Nichtstun. Doch das sei vielen zu anstrengen­d.

Über Unternehme­ns- und Pausenkult­ur wird auch bei den Klubabende­n der HR-Lounge gesprochen. Josef Buttinger lädt am 13. März wieder zu einem Treffen der HR-Leiterinne­n und -Leiter ein:

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