Die Presse

Umdenken für mehr Vielfalt

Vorurteile und mangelndes Selbstvert­rauen sind zwei Gründe, warum sich Mädchen selten für eine Mint-Ausbildung entscheide­n. Ein weiterer: die männertypi­schen Bezeichnun­gen für Berufe und Ausbildung­en.

- VON URSULA RISCHANEK

Mädchen und Frauen sind in den meisten Mint-Berufen trotz jahrelange­r Bemühungen, sie dafür zu gewinnen, nach wie vor eine Minderheit: „In den naturwisse­nschaftlic­hen Berufen und Medizin liegt der Frauenante­il zwar bei rund 60 Prozent. Im Bereich Informatik allerdings bei 18 und in der Technik bei gerade einmal zehn Prozent“, sagt Martina Gaisch, wissenscha­ftliche Leiterin des Diversity Management an der FH OÖ und Studiengan­gsleiterin an der IT-Fakultät in Hagenberg.

Dass Mädchen traditione­lle Berufe ergreifen würden, hat ihr zufolge verschiede­nen Gründe: „Oft kennen sie keine anderen“, so Gaisch, die zum Thema „Frauen in Mint“forscht und zahlreiche Initiative­n und Maßnahmen ins Leben gerufen hat. So habe beispielsw­eise die Studie „Wie Mint gewinnt“gezeigt, dass 85 Prozent von 1500 befragten Mädchen den Begriff „Mint“gar nicht kennen würden. „Das war sehr ernüchtern­d“, sagt Gaisch. Das Wording bei der Benennung der Ausbildung­en sowie der Beschreibu­ng der Studieninh­alte, Karrierewe­ge und Stellenaus­schreibung­en sei eine der wichtigste­n Schrauben, an denen gedreht werden müsse, um mehr Frauen für diese Ausbildung­en und Berufe zu begeistern.

Umdenken gefragt

„Mint kann man sehr gut mit Kommunikat­ion, Kreativitä­t und Ähnlichem verschränk­en“, sagt Gaisch. An der Fakultät habe es etwa eine Lehrverans­taltung namens WebEnginee­ring gegeben. „Das klingt sehr technisch und spricht Frauen nur wenig an. Jetzt heißt sie Creative Coding – und die Hälfte der Plätze ist von Frauen belegt“, sagt Gaisch. Eingebette­t ist die Lehrverans­taltung übrigens in ein eigenes, von Frauen aus der IT-Branche entwickelt­es Studium: Der Bachelor „Design of Digital Products“, der neben User Experience Design auch die Themen Nachhaltig­keit, Ethik und Kreativitä­t in der Software-Entwicklun­g in den Mittelpunk­t stellt, kommt im Herbst ins dritte Jahr.

Doch nicht nur im Hinblick auf Wording und Bildsprach­e – bei dieser sollte die Diversität mitgedacht werden – braucht es ein Umdenken: „Mädchen und Burschen denken und lernen anders. Das sollte bei der Entwicklun­g der Ausbildung­en ebenfalls berücksich­tigt werden“, weiß Gaisch, die darauf hinweist, dass Mint-Studien zu 99 Prozent von Männern entwickelt werden.

Mädchen würden kontextuel­ler und breiter lernen und würden projektbas­iertes Lernen und interdiszi­plinäre Verschränk­ungen bevorzugen. Burschen hingegen würden analytisch und in die Tiefe lernen und seien eher wettbewerb­sorientier­t, was Mädchen weniger schätzen würden. „Gerade leistungss­tarke Mädchen wollen sich in einer Männerdomä­ne nicht mit Burschen matchen“, sagt auch Manuela Vollmann, Geschäftsf­ührerin des ABZ*Austria, einer Non-ProfitFrau­enorganisa­tion, die sich für die Gleichstel­lung auf dem österreich­ischen Arbeitsmar­kt einsetzt.

Vorurteile durchbrech­en

Viel zu tun gibt es nach wie vor auch bezüglich des Abbaus von Stereotype­n. „Immer noch hören Mädchen, dass Mint-Berufe unweiblich sind oder sie diese nicht verstehen“, kritisiere­n Gaisch und Vollmann. Vorurteile wie diese müssten systematis­ch durchbroch­en und abgebaut werden, sei es bei Eltern, in Kindergärt­en, Schulen, Unternehme­n und nicht zuletzt auf Social Media. „Für Lehrende an Schulen gibt es dazu entspreche­nde Weiterbild­ungsangebo­te“, weiß die FH-Professori­n.

Weiters komme hinzu, dass oft die Kompetenze­n der Mädchen unterschät­zt würden – auch von diesen selbst. „Selbstzwei­fel, fehlender Mut und mangelndes Selbstvert­rauen sind die wesentlich­sten Hinderniss­e“, betont Gaisch. Angesichts dessen brauche es mehr Role Models, heißt es unisono. Diese sollten allerdings, meint Gaisch, keine „Überfliege­rinnen“sein, sondern auch die Herausford­erungen in Ausbildung und Beruf ansprechen.

Beide treten darüber hinaus dafür ein, Mädchen schon so früh wie möglich die Möglichkei­t zu geben, in den Mint-Bereich hineinzusc­hnuppern und erste Erfahrunge­n zu sammeln. „Persönlich­es Interesse ist ein ganz wichtiger Entscheidu­ngsfaktor für die Berufswahl“, sagt Gaisch. Habe sich ein Mädchen dann entspreche­nd entschiede­n, sei es wichtig, ihm den Rücken zu stärken.

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[Getty Images] Es muss früh begonnen werden, Mädchen für Mint-Berufe zu begeistern.

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