Portugals Richtungswahl nach Rechts
Sozialisten und Konservative müssen bei der vorgezogenen Wahl mit Verlusten rechnen. Die rechte Chega hofft auf enttäuschte Wähler.
Schafft die rechtspopulistische Chega („Es reicht“) ein zweistelliges Ergebnis? Vor fünf Jahren gegründet, erhielt die Partei nicht einmal zwei Prozent Zustimmung, heute könnte sie die vorgezogene Parlamentswahl in Portugal ordentlich aufmischen. Diverse Umfragen sagten der Chega des ehemaligen Sportkommentators André Ventura bis zu 20 Prozent der Stimmen voraus.
In jedem Fall droht den mehr als acht Jahre regierenden Sozialisten (PS) eine Niederlage. Erste Prognosen sagen mit 30 bis 35 Prozent einen knappen Sieg des konservativen Bündnisses Demokratische Allianz (AD) von Spitzenkandidat Luís Montenegro voraus, vor der von Pedro Nuno Santos angeführten PS. Die absolute Mehrheit, die die PS Anfang 2022 noch errungen hatte, wird demnach aber keine der beiden Parteien erreichen können. Chega hat sich bereits während des Wahlkampfes als Königsmacher positioniert, während sowohl Montenegro, also auch die PS eine Zusammenarbeit mit Chega ausgeschlossen haben.
Wahlbeteiligung knapp höher
In dem EU-Mitgliedsland zeichnet sich deshalb in den kommenden Wochen eine äußerst schwierige Regierungsbildung ab. Der Wahlsieger wird dabei wohl auf Vereinbarungen mit kleineren Parteien angewiesen sein, weil eine „große Koalition“als unwahrscheinlich gilt. Am frühen Nachmittag lag die Wahlbeteiligung mit 25,2 Prozent knapp zwei Punkte höher als jene bei der Parlamentswahl Anfang 2022 zum gleichen Zeitpunkt, wie die Wahlbehörde CNE in Lissabon mitteilte.
Rund 10,8 Millionen Stimmberechtigte waren aufgerufen, die 230 Abgeordneten der „Assembleia da República“neu zu wählen. Präsident Marcelo Rebelo de Sousa hatte das Votum im November ausgerufen, nachdem Premier António Costa zurückgetreten und nur geschäftsführend im Amt geblieben war. Die Wahl des Parlaments steht im Schatten mehrerer Korruptionsaffären unter anderem bei der staatlichen Fluggesellschaft TAP und bei Lithium- und WasserstoffProjekten sowie auch anderer sozialwirtschaftlicher Probleme wie Wohnungsnot und Inflation – und das trotz der erfolgreichen Tourismusoffensive der PS sowie anderen Maßnahmen zur Stabilisierung der Wirtschaft. Chega profitiert jedenfalls von der aktuellen Stimmung, trotz der viel zitierten Brandmauer Portugals gegen rechts. Doch Ventura inszenierte sich als Kämpfer gegen die „Eliten“und Korruption, vor allem aber sei nach fünf Jahrzehnten Wechselregierungen zwischen PS und den Konservativen Zeit für eine neue Ära. (ag./red.)