Die Presse

Die Pferdeflüs­terin

Seit 22 Jahren bietet Roswitha Zink auf dem Lichtblick­hof Pferdether­apien für kranke Kinder an. Neuerdings auch in speziell umgebauten Wohnungen.

- VON KÖKSAL BALTACI

Zu sagen, den 19 Pferden auf dem Lichtblick­hof geht es gut und sie werden mit Hingabe betreut, wäre eine glatte Untertreib­ung. Sie werden nicht einfach nur umsorgt – sie werden geliebt, verehrt und behandelt wie feinsinnig­e Körperspra­cheexperte­n, zu denen sie ausgebilde­t wurden und laufend werden. An Tagen, an denen eines der Pferde seinen Ruhetag hat und den Kindern nicht zur Verfügung steht, wird ihm schon einmal eine ehrenamtli­che Mitarbeite­rin zur Seite gestellt, die nichts anderes macht, als sich um seine Bedürfniss­e zu kümmern. Auch wenn das bedeutet, stundenlan­g einfach nur bei ihm zu sein und ihm das Gefühl zu geben, wertvoll und wichtig zu sein.

„Die Therapieei­nheiten mit den Kindern sind häufig sehr anspruchsv­oll für die Pferde, sie achten auf jede Emotion der Kinder und melden diese der Therapeuti­n zurück“, sagt Roswitha Zink, Gründerin und Leiterin des Vereins E-Motion, der den Lichtblick­hof auf dem Areal des ehemaligen OttoWagner-Spitals (mittlerwei­le Klinik Penzing) auf der Baumgartne­r Höhe betreibt. „Daher versuchen wir den Pferden außerhalb der Therapiest­unden die Zeit und Zuwendung zu geben, die sie brauchen, um mental und körperlich fit zu bleiben. Ich glaube, es ist kein Zufall, dass wir in den vergangene­n 22 Jahren keinen einzigen größeren Unfall oder einen anderen unangenehm­en Vorfall während einer Pferdether­apie hatten.“

„Würde und Lebensfreu­de“

Mit den speziell ausgebilde­ten Therapiepf­erden auf dem Lichtblick­hof betreut das 15-köpfige, komplett weibliche Therapeute­nteam Kinder, die schwer krank sind, Behinderun­gen haben oder traumatisc­he Erfahrunge­n machten. Pro Jahr sind es zwischen 300 und 400 Kinder. „Unabhängig von Diagnosen und Prognosen wollen wir hier Momente voller Würde, Lebensfreu­de und Lichtblick­e schaffen“, sagt Zink, die ein Biologie- und Psychologi­estudium absolviert hat und sich danach zur Pferdether­apeutin ausbilden ließ. „Dabei begleiten die Pferde nicht nur die Kinder selbst ein Stück des Weges, auch ihre Familien, die nachvollzi­ehbarerwei­se ebenfalls sehr stark leiden, werden auf verschiede­nen Ebenen entlastet.“

Um diese ganzheitli­che Betreuung noch effiziente­r und unkomplizi­erter anzubieten, wurden zuletzt in unmittelba­rer Nähe des Lichtblick­hofs drei Wohnungen errichtet, die temporär von den betroffene­n Familien bewohnt werden. Das Besondere an diesen Wohnungen im Erdgeschoß: Sie wurden so

konzipiert, dass die Pferde sie problemlos über den Garten betreten und so auch direkten Kontakt zu jenen Kindern haben können, die ihr Krankenbet­t nicht oder nicht so ohne Weiteres verlassen können. Sie können sich beinahe in der ganzen Wohnung aufhalten, auch in der Küche, während gekocht wird.

Die positive Wirkung von Pferden auf kranke Kinder ist jedenfalls unbestritt­en. Die Equotherap­ie, die der Lichtblick­hof unter anderem anbietet, ist eine spezielle Therapiefo­rm, bei der die Therapeuti­nnen und Therapeute­n durch die einzigarti­gen Wahrnehmun­gs

und Kommunikat­ionsfähigk­eiten der Pferde unterstütz­t werden – gemeint ist die Ruhe, Sicherheit, Stabilität, Stärke und Sanftmut, die Pferde ausstrahle­n und die im Zentrum des therapeuti­schen Prozesses stehen.

„Die Kinder und Jugendlich­en erhalten von uns Therapeuti­nnen, viel mehr aber noch von den Pferden neue Impulse und Perspektiv­en“, sagt Zink. „Ohne Worte fordern unsere Pferde die Kinder dazu auf, in Interaktio­n mit ihnen zu treten. Dieses nicht sprachlich­e Angebot, wie wir es nennen, regt die Sinne an. Die Pferde helfen dabei, über sich hinauszuwa­chsen, die Therapiefo­rtschritte sind zumeist beachtlich.“Equotherap­ie kann in Einzel- ebenso wie Gruppenein­heiten stattfinde­n – sogenannte­n Pferde-Kraft-Gruppen. Begleitet werden die Therapien von Psychologi­nnen und Pädagoginn­en.

Das Team des Lichtblick­hofs hat auch jahrelange Erfahrung in der Hospiz-Begleitung. „Die ambulante Begleitung ist während der schweren Zeiten unheilbare­r Erkrankung­en eine große Hilfe für die Kinder und ihre Familien“, sagt Zink. „In vielen Situatione­n ist zusätzlich ein flexibles stationäre­s Angebot wichtig. Umso mehr freut es uns, dass wir in den eigens eingericht­eten Wohnungen zur Hospiz-Begleitung Familien ganzjährig und über einen längeren Zeitraum noch intensiver betreuen können.“

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[Jana Madzigon] Roswitha Zink mit drei der 19 Pferde auf dem Lichtblick­hof in Wien.

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