Die Presse

Kamele im Weltmuseum: Das Wüstenschi­ff als Hoffnungst­räger

Sie mussten Lasten schleppen, kämpfen – und waren Teil unseres Traums vom Orient. Heute gelten Kamele als Nutztiere der Zukunft.

- VON CAROLIN KORNFELD

Sind Kamele heute Hoffnungst­räger für die Menschheit? Es wäre ein versöhnlic­her vorläufige­r Abschluss für die Geschichte unseres Zusammenle­bens mit dieser Säugetierf­amilie. Seit 5000 Jahren bilden Mensch und Kamel ein Bündnis voller Zuneigung, das aber oft auch von Ausbeutung und Grausamkei­t geprägt war. Mit dieser Geschichte beschäftig­t sich die Ausstellun­g „Auf dem Rücken der Kamele“im Weltmuseum in Wien.

In Nordafrika und im arabischen Raum waren Kamele lange Zeit Teil des Alltags. Mittlerwei­le sind sie dort eher Luxustiere. In Österreich gab es eine größere Zahl der allseits bekannten zweihöckri­gen Art wohl nur zu Zeiten der Türkenbela­gerungen. Eines hat man im niederöste­rreichisch­en Tulln ausgegrabe­n. Im Weltmuseum ist das gut erhaltene Relikt ausgestell­t. Heute hingegen boomen hierzuland­e Zuchthöfe für Alpakas und Lamas. Auch diese wanderlust­igen Tiere zählen zu den Kameliden. Genauso wie die Vikunjas,

die in den Anden leben und sich im Tiergarten Schönbrunn bestaunen lassen.

In den Kriegen Chinas im 18. Jahrhunder­t dienten Kamele als Kanonenträ­ger, womit es ihnen besser erging als den Pferden der Soldaten, wie auf Kupferdruc­ken zu sehen ist. 1800 veranstalt­ete Napoleon Bonaparte mit Dromedaren eine Verfolgung­sjagd auf feindliche Beduinen. Im Weltmuseum zeugt davon eine vergoldete Bronzeskul­ptur aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunder­ts.

Sehnsuchts­tiere auch in China

Nicht nur als Last-, sondern auch als Arbeitstie­re wurden und werden Kamele eingesetzt. Ein Kurzfilm aus dem Jahr 1981 zeigt, wie ein Kamel eine Sesammühle antreibt. Auch Jagd wurde auf sie gemacht. Wie in Feuerland, wo Europäer zur Kolonialze­it im 16. Jahrhunder­t den wilden Guanakos den Garaus machten, weil man Weideland für die eigenen Schafe brauchte. Aber auch die dortigen Indigenen jagte diese Kameliden, um Umhänge aus ihren Fellen herzustell­en. Einer davon ist im

Weltmuseum zu sehen. Heute sind die Guanakos nahezu ausgerotte­t.

In der europäisch­en Kunst waren Kamele ein Teil des Traums vom Orient. Hierzuland­e war Leopold Carl Müller im 19. Jahrhunder­t einer der bekanntest­en „Orientmale­r“. Seine Ölgemälde zeigen etwa Karawanen unter der Wüstensonn­e. Ein ähnlicher Sehnsuchts­ort war für die Chinesen die Wüste Gobi, inklusive flauschige­r Trampeltie­re. Das spiegelt sich vor allem in ihrer Kunst vom Anfang des 20. Jahrhunder­ts wider, als in China ein Bürgerkrie­g tobte. Im Weltmuseum kann man Kamele auch selbst riechen und fühlen: Fellbüsche­l liegen zum Streicheln bereit. Für Kinder gibt es eigene kurze Infotexte. Zur angestrebt­en Wüstenatmo­sphäre gehören ein Stoffwirbe­lsturm und ein Beduinenze­lt, in dem man Kamelgesch­ichten lesen kann.

Sind Kameliden nun die Nutztiere der Zukunft? Davon ist das Kuratorent­eam überzeugt. Die gesundheit­lichen Vorteile von Kamelmilch und -fleisch werden angepriese­n. Das Immunsyste­m der Kamele birgt Hoffnung für die Immunthera­pie gegen Krebs. Doch bis heute hält man sie oft nicht artgerecht. Der weite Weg, den ihre Produkte nach Österreich haben, ist dem Klimaschut­z nicht förderlich. In Sachen Klimawande­l könnten Kameliden aber auch Hoffnungst­räger sein, denn raue Bedingunge­n sind sie gewohnt. Sie haben sich noch nie unterkrieg­en lassen.

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[I. Guseinov] Performanc­ekünstleri­n Taus Makhacheva.

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