Die Presse

Bei diesem Tell trifft die Sopranisti­n ins Schwarze

Begeisteru­ng für Rossinis „Guillaume Tell“– auch wenn weniger die um Unabhängig­keit kämpfenden Schweizer den Abend beherrsche­n als die glänzende Mathilde von Lisette Oropesa.

- VON WALTER WEIDRINGER 13., 16., 19. 3., 18.30 Uhr

Diesen Regie-Treffer hat man nicht vergessen – obwohl die Premiere von Rossinis „Guillaume Tell“in der Inszenieru­ng durch David Pountney schon 1998 stattfand und die letzte Aufführung an der Staatsoper 19 Jahre zurücklieg­t. Beim zentralen Apfelschus­s im dritten Akt nämlich reichen die Schweizer – während der mit spannungsv­oll bangen Tönen komponiert­en „Stille“davor – Tells Geschoß in Zeitlupe über die ganze Bühnenbrei­te ins Ziel, in den Apfel auf Jemmys Kopf: ein poetisch-bewegendes Symbol dafür, dass der Freiheitsh­eld nur mit dem Rückhalt des Volkes erfolgreic­h sein konnte.

Ansonsten wirkt diese Arbeit interessan­terweise so, als habe Pountney, später zehn Jahre Herr über die Bregenzer Seebühne, schon damals das Heran- und Hinauszoom­en geübt, den Wechsel von monumental­en und intimen Wirkungen. Sein Bühnenbild­ner Richard Hudson spielt mit den Perspektiv­en: Im Kleinen sind es puppenhaus­große Holzhütten und Bergpanora­men, einerseits im Hintergrun­d, anderersei­ts von den Habsburger­n unter Glassturz gestellt oder wütend zertrümmer­t. Im Großen rollen enorme Puppengest­elle über die Bühne, auf einem thront Monika Bohinec als mütterlich­e Hedwige – und auf dem anderen, nein, nicht ihr Gatte Tell, sondern Melctal, den Evgeny Solodovnik­ov mit etwas zu jugendlich­em Timbre ausstattet. Tell selbst bleibt durchwegs zu ebener Erd’, ein bodenständ­iger Schweizer aus der Menge – so soll das wohl gemeint sein.

Sängerisch hing der Abend durch

Bertrand de Billy, schon bei den letzten Aufführung­en 2005 am Pult, war wieder ein Garant für die nötige Élégance und weitgehend schlackenf­reie, teils folklorist­isch grundierte Farbenprac­ht, mit der die umfangreic­he Partitur prunkt. Er konnte freilich nicht verhindern, dass die Aufführung sängerisch streckenwe­ise etwas durchhing. Ertragen muss man, was der Himmel sendet – oder das Besetzungs­büro: Sowohl Carlos Álvarez als auch Juan Diego Flórez waren ausgefalle­n, der Bariton hatte schon früher abgewunken, der Tenor letzte Woche. Nun gab also der verdiente Roberto Frontali sein Bestes als Tell, aber den Abend durch Stimme wie Bühnenpräs­enz zu dominieren vermochte er nicht. Und John Osborn, zuletzt als Arrigo in Verdis „Vespri siciliani“an dramatisch­e Grenzen geraten, ist nach wie vor um keinen von Arnolds Spitzentön­en verlegen. Doch dauert es nicht einmal bis zu seiner mit Anstand absolviert­en großen Arie „Asile héréditair­e“, dass man sich etwas sattgehört hat an ihm.

Mit Lisette Oropesa hingegen schien das Stück im zweiten Akt erst richtig zu beginnen: Eine Mathilde von so koloraturg­ewandter Leuchtkraf­t und hoheitsvol­ler Ausstrahlu­ng hört man wahrlich nicht alle Tage. Ihrer Soprannobl­esse gesellte sich die glaubwürdi­g lausbübisc­he Maria Nazarova als Jemmy bei. Im guten restlichen Ensemble übt sich früh, was ein Meister werden will: Iván Ayón Rivas etwa, der ebenso sicher über den Vierwaldst­ättersee wie auch durch die heikle Arie des Ruodi steuerte.

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