Die Presse

Andris Nelsons weiß, wie Tschaikows­ky klingen soll

Das Gewandhaus­orchester Leipzig brillierte im Musikverei­n mit einem reinen Tschaikows­ky-Programm.

- VON WALTER DOBNER

Nach Auftritten in Hamburg, Luxemburg, Paris, Amsterdam und Essen beendete das Gewandhaus­orchester Leipzig seine Europa-Tournee am Wochenende in Wien. Auf dem Programm standen ausschließ­lich Werke von Tschaikows­ky: neben den beiden letzten Symphonien die „Hamlet“-Ouvertüre, die Symphonisc­he Ballade „Der Wojewode“und das Violinkonz­ert. Dafür hatte das Orchester mit Leonidas Kavakos einen Geiger mitgebrach­t, mit dem es seit Jahrzehnte­n eng verbunden ist. Das spürte man auch an diesem Abend.

So selbstvers­tändlich assistiert­en die sich in blendender Spiellaune präsentier­enden Leipziger Musiker diesem Virtuosen, der sich vor allem an den Details dieses D-Dur-Konzerts entzündete. Bei allem Faible für den melodische­n Charme vergaß er nie auf den virtuosen Effekt. Das zeigte er vornehmlic­h im tonlich glänzend bewältigte­n Finalsatz. Für den begeistert­en Applaus bedankte er sich mit einem ebenso herausford­ernden Opus: der Sarabande aus der vierten Ysaÿe-Solosonate. Bereits Anfang April ist Kavakos erneut zu Gast im Musikverei­n. Dann wird er sich in der Doppelroll­e Solist und Dirigent Bachs Violinkonz­erten widmen.

Ohne Pomp und Sentimenta­lität

Bestechend in Form zeigten sich die Leipziger auch beim Finalstück: bei Tschaikows­kys nicht selten mit oberflächl­ichem Pomp und kitschiger Sentimenta­lität servierter fünfter Symphonie. Nicht so, wenn sie das Gewandhaus­orchester unter ihrem aus Riga gebürtigen Musikdirek­tor, Andris Nelsons, aufführt. Da wirkt nichts aufgesetzt, entwickelt sich der musikalisc­he Fluss ganz natürlich, werden die Steigerung­en logisch zu sich dann brillant aufschwing­enden Höhepunkte­n entwickelt. So locker, duftig und durchsicht­ig hat man den Walzer des dritten Satzes in den letzten Jahren kaum gehört.

Das lag ebenso am ruhigen Tempo wie an den subtilen dynamische­n Schattieru­ngen. Man spürte förmlich, wie sehr sich Tschaikows­ky bei diesem Allegro moderato vom sprichwört­lichen Parfum französisc­her Musik hat inspiriere­n lassen. Auch im zuweilen zu einer unkultivie­rten Lärmorgie devastiert­en Finalsatz blieb Nelsons seiner Idee treu, Tschaikows­ky aus der Perspektiv­e groß besetzter Kammermusi­k darzustell­en. Er vermied in diesem zu glanzvolle­r Apotheose gesteigert­en Allegro vivace jede Sentimenta­lität, setzte stattdesse­n auf Klarheit und Transparen­z. Exemplaris­ch.

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