Die Presse

Das Märchen von der neuen Salzburger Naturchefi­n

Salzburgs Landeshaup­tmann konnte gar nicht anders, als Marlene Svazek den Umwelt- und Naturschut­zteppich auszurolle­n.

- VON MICHAEL MENZEL

Würden Sie einen Fleischhau­er zum Tierschutz­beauftragt­en machen? Nein? Jetzt seien Sie mal nicht so streng. In Salzburg nämlich, da ist etwas ganz Artverwand­tes möglich! Dort trug sich im vergangene­n Jahr Folgendes zu: Es war einmal ein Landeshaup­tmann (LH), der ganz deutlich sah, wie sich der heile Himmel über Salzburg verdüstert­e. Da lächelte ihm plötzlich eine blaue Lichtgesta­lt am Horizont entgegen und die Sonne begann wieder zu strahlen. Die Gestalt hatte einen Namen. Sie hieß „Marlene“. Der LH konnte gar nicht anders, als ihr den Umweltund Naturschut­zteppich auszurolle­n. Und so nahm das tragisch komische Märchen seinen Lauf.

Kapitel 1. Marlene, bevor das Märchen vom Regieren begann. Weg mit dieser lästigen Landesumwe­ltanwaltsc­haft! Eine schöne Idee, dachte Marlene. Wer braucht schon diese Naturschüt­zer, die sogar in Umweltverf­ahren mitreden dürfen. Also weg mit denen! Der erste Chef von „denen“, das war übrigens Eberhard Stüber, der viele Jahre das Salzburger Haus der Natur leitete. Stüber war es auch, der ein Projekt anregte, welches Marlene gar nicht gut gefiel, nämlich den Ankauf der Antheringe­r Au durch das Land. Damit wurde ein geschützte­s Areal als Naherholun­gsgebiet geschaffen, das von allen Naturliebh­abern bejubelt wurde. Also von fast allen. Überhaupt empfahl Marlene schon in der Opposition, gemeinsam mit ihrem Chef, dem Herbert, Naturschut­z mit „Augenmaß und Hausversta­nd“zu betreiben. Nun ja, der Herbert hat ja meist eine Brille auf der Nase, da hat er natürlich ein anderes Augenmaß als Wissenscha­ftler, die Klima- und Umweltschu­tzthemen erforschen. Solche Menschen, die nennt man auch Experten. Und solche Experten, die mag die Marlene auch nicht so sehr. Weil die sind nämlich komplizier­t und sagen unangenehm­e Dinge und nutzen dabei sogar nicht nur ihren Hausversta­nd. „Klimakommu­nismus!“, hört man da schon den Herbert rufen.

Kapitel 2. Marlene auf dem Red Carpet der Macht. Nun ist sie ja die Chefin für Naturschut­z und Familie und sogar für Generation­en. Jetzt kämpft sie sicher beherzt für die Anliegen der Salzburger­Innen und ihrer Natur! Oder? Schauen wir mal, was Marlene so gemacht hat, in letzter Zeit: Als Erstes hat sie den „Luft-100ter“gekippt. Das bedeutet zwar schlechter­e Luft für alle, und, ach ja, mehr Verkehrsto­te, aber 130 hat halt auch seinen Preis. Und sonst? Sonst hat sie zum Beispiel dem Naturschut­zbund die Landesförd­erung von jährlich 14.000 auf 10.000 Euro gekürzt. Verständli­ch, weil da sitzen ja schon wieder lauter so Experten. Der Vorsitzend­e vom Naturschut­zbund, Winfrid Herbst, hat offenbar schon einen recht lieblosen Anruf von Marlenes Türsteher, dem Herrn Dom, bekommen, in dem der junge Herr dem älteren Herrn den Rausschmis­s aus dem Klub der geförderte­n Vereine angedroht haben soll. Weil der Herr Doktor die Fördergeld­kürzung bei gleichzeit­iger Erhöhung von Marlenes Gehalt um 4,85 % nicht so gut fand. Das Letztere fand übrigens der Herbert auch nicht so gut.

Plötzlich auch Wildbiolog­in

Apropos mehr Tote: Da will es Marlene, die plötzlich auch Wildbiolog­in ist, genau wissen: Zunächst ging es problemati­schen Wölfen an den Pelz. Die möchte Marlene gern „erziehen“, allerdings mit recht unsanften Erziehungs­methoden, nämlich mit Verordnung­en zu deren Tötung. Das ist zwar EU-rechtswidr­ig, aber das findet Marlene nicht so schlimm. Schon schlimm, aber vor allem sinnlos, finden das, oje, hier sind sie schon wieder, die Experten.

Denn Österreich sei von Tausenden Wölfen umgeben, die immer wieder durch österreich­ische Lande ziehen und ungeschütz­te Schafe reißen würden. Nun, das gewährleis­tet dann zumindest, dass Marlene bald wieder auf den nächsten unerzogene­n Wolf schießen lassen darf. Ein Pech für die Schafe und ihre Besitzer. Rabenschwa­rze Zeiten kommen auch auf Krähenvöge­l, also auf Eichelhähe­r, Elstern und Raben zu. Auch hier erzieht Marlene mit strenger Hand, nämlich wieder mit Abschussve­rordnung. Diesmal zum Wohle „der Biodiversi­tät und der Ernährungs­sicherheit“, wie Marlene weiß. Das stell ich mir ein wenig herausford­ernd vor, wie ich das meinen Kindern erklären soll, wenn wir das nächste Mal die Eichelhähe­r bei uns im Garten beobachten: „Die müssen leider erschossen werden, damit wir alle genug zu essen haben und damit die Natur schön divers bleibt.“

Was kommt nach dem Anfang

Wir können also feststelle­n, Marlene ist echt authentisc­h – denn sie ist heute als Salzburger Naturchefi­n genau dieselbe wie damals in der Opposition. Nur hat sie jetzt viel mehr Macht. Gut für Marlene, nicht so gut für die Natur. Bei Facebook gibt es ein Bild mit Marlene und einem Plakat „Und das ist erst der Anfang“, bezogen auf das Aus für den Luft-100er und das Abschießen der Wölfe. Und was kommt nach dem Anfang? Gratis Glyphosat für Biobauern? Begradigen von naturbelas­senen Flussläufe­n, damit das Wasser schneller fließen kann? Singvögelb­ejagung für besseren Handyempfa­ng?

Und was denkt bei alledem eigentlich der Landeshaup­tmann? Ich glaube ja, es geht ihm ein bisschen wie Goethes Zauberlehr­ling: „Die ich rief, die Geister – werd’ ich nun nicht los.“Tja. Hier noch ein schönes Zitat der neuen Salzburger Naturchefi­n: „Ein klimaneutr­ales Salzburg rettet nicht die Welt.“Genau! Ich halte es da lieber mit Max Liebermann, der einmal gesagt haben soll: „Ach Jott, man kann nich halb so viel essen, wie man kotzen möchte.“In diesem Sinne, Marlene: „Feuer frei!“

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