Europa ist der sich am stärksten erwärmende Kontinent
Die EU-Umweltagentur schlägt Alarm. Die Vorsorge gegen den Klimawandel ist langsamer als die Entwicklung dessen Auswirkungen.
Kopenhagen/Wien. In den vergangenen Jahren wurden in Europa gleich mehrfach Temperaturrekorde gebrochen. Mittlerweile ist es der sich am stärksten erwärmende Kontinent der Welt. Laut einer neuen Auswertung der EU-Umweltagentur (EUA) in Kopenhagen stiegen die Temperaturen in Europa seit 1980 um das Doppelte im Vergleich zum weltweiten Durchschnitt. Die Folge seien mehr Naturkatastrophen wie Trockenheit, Waldbrände, Überschwemmungen und ein steigender Meeresspiegel.
Selbst im optimistischen Szenario, wenn Europa weitere notwendige Maßnahmen zur Erreichung der Pariser Klimaziele ergreift, werden diese Wetterextreme laut dem ersten EUA-Bericht zur „Europäischen Klimarisikobewertung“zunehmen. Im pessimistischen Szenario, wenn der öffentliche und politische Druck gegen diese Maßnahmen wachsen und keine weiteren ergriffen werden, würden gesundheitliche und finanzielle Auswirkungen deutlich steigen. Allein die Auswirkungen durch Überschwemmungen an den europäischen Küsten würden ab dem Ende dieses Jahrzehnts Schäden von einer Billion Euro pro Jahr verursachen.
„Unsere neue Analyse zeigt, dass Europa mit dringenden Klimarisiken konfrontiert ist, die sich schneller entwickeln als unsere gesellschaftliche Vorsorge“, heißt es in der Zusammenfassung des Berichts. Während es in der öffentlichen Diskussion aktuell eher darum geht, Maßnahmen zur Umsetzung des Klimaschutzes etwa im Verkehr (VerbrennerAus), in der Landwirtschaft (Renaturierung) oder in der Industrie (CO2-Reduktion) aufzuweichen, ruft die Umweltagentur die Politik dazu auf, rascher und konsequenter als bisher zu handeln. Viele der Maßnahmen wirkten erst langsam und müssten deshalb rasch ergriffen werden. Ein Abweichen von den vereinbarten Zielen könnte unter anderem zu einer steigenden Zahl an Todesopfern führen. Allein im Sommer 2022 habe es durch die extreme Hitze 60.000 bis 70.000 vorzeitige Todesfälle in Europa gegeben.
Sanierung der Ökosysteme
Ein Hauptaugenmerk muss laut dem Bericht auf die Sanierung der Ökosysteme gelegt werden. Sie zu vernachlässigen hätte Kaskadeneffekte
auf andere Bereiche wie Ernährung, Gesundheit, Infrastruktur und Wirtschaft zur Folge. Am stärksten sind laut den Auswertungen bereits die europäischen Küstenökosysteme beeinträchtigt. Aber auch am Festland ist das Risiko erheblich, wenn Ökosysteme nicht mehr ausreichend zur Resilienz beitragen.
Die anhaltendenden Dürrephasen stellten eine „erhebliche Bedrohung für die Erträge, die Ernährungssicherheit und die Trinkwasserversorgung“dar. Die Experten der Agentur empfehlen eine Ernährungsumstellung von tierischem Eiweiß auf nachhaltig angebautes pflanzliches Eiweiß. Damit würden sich der Wasserverbrauch in der Landwirtschaft und die Abhängigkeit von importierten Futtermittel verringern.
Auch die Infrastruktur gerät durch die Folgen des Klimawandels in Gefahr. „Häufigere und zunehmend extreme Wetterereignisse erhöhen die Risiken für bebaute Gebiete und die kritischen Dienstleistungen in Bereichen wie Energie, Wasser und Verkehr“, heißt es im EUA-Bericht. Im Bereich der Wirtschaft drohen nicht nur Umsatzverluste und Produktionsausfälle, „Klimaextreme können beispielsweise auch zur Erhöhung von Versicherungsprämien führen“.
Neue Haushaltsprobleme
Viele EU-Mitgliedstaaten – so eine weitere Warnung – könnten schon demnächst durch immer neue Wetterkatastrophen in Haushaltsprobleme schlittern. Dann nämlich, wenn zum einen Steuereinnahmen ausfallen und zum anderen Staatsausgaben durch das Abfedern von Umweltkatastrophen steigen.
Obwohl mittlerweile alle Regionen Europas negativ von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind, besteht das höchste Zukunftsrisiko für Südeuropa. Waldbrände, Wasserknappheit und Hitze beeinträchtigten dort am stärksten Landwirtschaft, Arbeit und Gesundheit.