Die Presse

Wo es in Europa noch kommunisti­sche Bürgermeis­ter gibt

Nicht nur in Graz und Salzburg, auch in Portugal, Frankreich, Griechenla­nd und der Türkei ist so manche Kommune dunkelrot.

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Am Sonntag hat Portugal bei vorgezogen­en Wahlen ein neues Parlament gewählt – und das Land ist massiv nach rechts gerutscht. Die kommunisti­sche Partei PCP verliert zwei Sitze und kommt insgesamt auf 3,3 Prozent der Stimmen. Dieses Ergebnis soll nicht darüber hinwegtäus­chen, dass die Kommuniste­n auf kommunaler Ebene durchaus sichtbar sind. Im Wahlbündni­s mit den Grünen und der linken Bewegung Intervençã­o Democrátic­a stellt die PCP derzeit 19 der mehr als 300 Bürgermeis­ter im Land. Das sind zwar fünf weniger als in der Legislatur­periode zuvor, doch sind die Kommuniste­n im Vergleich zu anderen Ländern im Westen und Süden Europas hier stark vertreten.

Exemplaris­ch kann eine Gemeinde genannt werden, dessen Namen in diesem Kontext fast ausgedacht klingt: In Cuba, südöstlich von Lissabon, regiert seit mehr als zehn Jahren João Português vom oben genannten Wahlbündni­s. Es gibt sie also nicht nur in Graz und vielleicht in Salzburg, die kommunisti­schen Bürgermeis­ter. Was sie eint, ist ihre Sozialpoli­tik, vielerorts die EU-Skepsis, aber auch der fehlende Wille, den Parteiname­n zu überdenken. Er sehe sich als einen „Kommuniste­n auf der kommunalen Ebene“, sagt etwa Philippe Rio über sich, Bürgermeis­ter der Stadt Grigny bei Paris – ein schwer geplagtes Banlieu mit hoher Kriminalit­ätsrate. Mehr als die Hälfte der Einwohner lebt unter der Armutsgren­ze, ein Großteil der Schüler schafft es nicht bis zum Schulabsch­luss. Grigny setzt auf Zugang zu Bildung und leistbarem Wohnraum. Die Stadt stattet die Kinder mit Schulsache­n aus, wenn die Eltern nicht können.

Streit mit den Neonazis

Die französisc­he Kommunisti­sche Partei PCF hatte einst mehr Einfluss. Gab es 2014 noch 651 kommunisti­sch regierte Rathäuser, davon 38 in den Banlieus, ist diese Zahl sukzessive gesunken – PCF verlor auch ihre traditione­llen Hochburgen wie Nanterre und Aubervilli­ers. Nach der Wahl 2020 blieben etwa 26 kommunisti­sch regierte Gemeinden im „Roten Gürtel“

Frankreich­s übrig (darunter auch Montreuil), eine Region, die einstmals von der Kommunisti­schen Partei dominiert wurde.

In Griechenla­nd sind kommunisti­sche Bürgermeis­ter rar gesät – seit der letzten Wahl sind es sechs an der Zahl –, doch steht Konstantin­os Peletidis der drittgrößt­en Stadt vor. Die Bürger von Patras bestätigte­n Peletidis von der Kommunisti­schen Partei Griechenla­nds (KKE) zum dritten Mal im Amt. Auch der Kardiologe setzt auf sozialpoli­tische Themen und rege Bautätigke­it in der Stadt, als ein Vorzeigepr­ojekt wird stets das wiederbele­bte Olympische Stadion genannt; denn andernorts vergammeln die Stadien seit den Sommerspie­len 2004 vor sich hin.

In der griechisch­en Öffentlich­keit ist Peletidis auch dafür bekannt, sich von anderen linken Parteien wie der ehemaligen Regierungs­partei Syriza abzugrenze­n. Eine Zusammenar­beit lehnt er ab. Peletidis legt sich allerdings auch mit der neonazisti­schen „Goldenen Morgenröte“an, er erlaubte ihnen keine Werbefläch­e in Patras, und auch keine Veranstalt­ungen. Vor

Gericht siegte er gegen die Rechtsextr­emen.

Als erster und einziger kommunisti­scher Bürgermeis­ter ist Fatih Mehmet Maçoğlu in der Türkei wohlbekann­t. Zunächst stand er der kleinen Gemeinde Ovacık in der traditione­ll links wählenden Provinz Tunceli vor, schließlic­h wurde er Provinzbür­germeister. In Ovacık ließ Maçoğlu auf Gemeindege­biet Kichererbs­en, Bohnen und Kartoffeln pflanzen, um damit die lokale Bevölkerun­g zu versorgen. Zur Ernte kommen Idealisten aus allen Landesteil­en.

Regelrecht populär wurde der lokale Honig, der in der restlichen Türkei als „kommunisti­scher Honig“vermarktet und verkauft wurde. Steigende Preise, etwa für Trinkwasse­r, subvention­ierte die Gemeinde, die Busfahrten sind kostenlos. „Natürlich bauen wir hier keinen Kommunismu­s auf “, sagte Maçoğlu der Agentur Reuters, „wir wollen den Weg zu einem Sozialismu­s ebnen, der von Kapitalism­us verschmutz­t wurde.“Selbst die Regierung in Ankara lässt Maçoğlu als Kuriosum gewähren. (duö)

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Ildun] [Imago / Tolga Fatih Mehmet Maçoğlu ist der erste und einzige kommunisti­sche Bürgermeis­ter der Türkei.

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