Schüssel: „Für Neutralität ist da wenig Platz“
Altkanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) für Neuausrichtung der Sicherheitspolitik.
Der ehemalige Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) rät Österreich dazu, seine Neutralitätspolitik grundlegend zu überdenken. „Bisher waren der nukleare Schutzschirm der USA und ihre militärische Präsenz in Europa die Voraussetzung dafür, dass unsere Länder jahrzehntelang eine Friedensdividende ohnegleichen genießen durften“, so Schüssel, der von 2000 bis 2007 Kanzler war. Aber eine Wiederwahl Donald Trumps könnte das ändern. „Die europäische Armee ist die Nato (© Martin Selmayr). Wenn die USA sich jedoch zurückziehen, muss dies neu gedacht werden. Für Neutralität ist da wenig Platz.“
Neutralität schützt nicht
Die Neutralität per se biete ohnehin keinen Schutz. „Das hat Belgien im Zweiten Weltkrieg erfahren. Noch vor wenigen Jahren hatten die Ukraine und Moldau ihre Neutralität in ihren Verfassungen verankert.“
Schüssel hatte in seiner aktiven Zeit mehrfach versucht, das Land für eine Debatte über einen Nato-Beitritt zu öffnen. Er erinnerte in dem Beitrag zudem daran, dass die Neutralität durch die EU-Reformen und begleitende Verfassungsänderungen aufgeweicht wurde: „Einfach gesagt: Bei jedem EU-Beschluss (wie auch bei einem UNO- oder OSZE-Mandat) gilt die Neutralität nicht mehr.“
Mit dem Vertrag von Lissabon etwa sei eine wechselseitige Beistandsverpflichtung bei einem bewaffneten Angriff auf ein Mitgliedsland vereinbart worden, schreibt Schüssel und appelliert: „Der österreichische Beitrag im Fall eines Angriffs auf ein Mitglied (Artikel 42/7 des EU-Vertrags) ist gut vorzubereiten und muss innenpolitisch genauso außer Streit stehen wie das Prinzip, dass Österreich bei jeder weiteren Einwicklung zur politischen Union im Kernbereich dabei sein sollte.“(strei)