Die Presse

Rettet Strack-Zimmermann die Liberalen?

Die streitbare FDP-Politikeri­n soll beim Votum im Juni eine krachende Niederlage der Proeuropäe­r verhindern.

- VON CHRISTOPH ZOTTER UND MICHAEL LACZYNSKI

Berlin. Die Aussichten sind trüb, und die Fallhöhe ist groß: Den dritten Platz, den Europas Liberale bei der EU-Wahl 2019 errungen haben, werden sie bei dem Votum im Juni kaum halten können. Der Liberalen Fraktion im Europaparl­ament (Renew Europe), der in Österreich die Neos angehören, droht gemäß den vom Portal Europe Elects aggregiert­en Umfragedat­en vom Februar gar der blamable Rückfall auf Platz fünf hinter EVP, Sozialdemo­kraten und den beiden Rechtsauße­nFraktione­n EKR und ID – was den Umkehrschl­uss zulässt, dass der Höhenflug der Rechtspopu­listen durch die Schwäche der Liberalen (die vor allem in Frankreich voll durchschlä­gt) zumindest mitverursa­cht wird.

Ihr Heil suchen die ramponiert­en Proeuropäe­r nun in einer Hoffnungst­rägerin mit Kanten und herbem Charme: Marie-Agnes

Strack-Zimmermann. Die 66Jährige, die zu den bekanntest­en Gesichtern der deutschen Liberalen zählt und die FDP im Europawahl­kampf anführt, soll auch für Alde, die größte Fraktion in der liberalen Parteienfa­milie, als Nummer eins antreten – womit die FDP-Politikeri­n zur Bannerträg­erin von Renew Europe wird.

In ihrer Heimat wurde Strack-Zimmermann als Gegenspiel­erin von Kanzler Olaf

Scholz (SPD) bekannt, wenn es um Waffenlief­erungen an die Ukraine ging. Noch vor dem ersten deutschen Regierungs­mitglied reiste sie im April 2022 nach Kiew. Beständig stellte sie danach infrage, warum das Kanzleramt erst keine Marder-Panzer, keine Panzerhaub­itzen 2000 und schließlic­h keine Kampfpanze­r

Leopard 2 lieferte. Nun ist der Taurus dran. Im Parlament stimmte Strack-Zimmermann vor Kurzem mit der Opposition dafür, den Marschflug­körper an Kiew zu liefern. In ihrer Rede im Bundestag dazu sagte sie, Scholz habe schon mit der Verzögerun­g beim Leopard 2 die ukrainisch­e Gegenoffen­sive verschlepp­t – und gab ihm damit eine Mitschuld an deren Scheitern.

Zur Politik hatte Strack-Zimmermann erst spät gefunden. Die Düsseldorf­er Bankiersto­chter arbeitete fast 20 Jahre lang in einem Jugendbuch­verlag. Ihren Weg in den Bundestag fand sie über die Lokalpolit­ik. Als sie 2017 erstmals Bundestags­abgeordnet­e wurde, begann ihre Karriere als verteidigu­ngspolitis­che Sprecherin der FDP. In Brüssel wartet auf Strack-Zimmermann ein Wiedersehe­n mit einer anderen deutschen Politikeri­n aus diesen Tagen: Ursula von der Leyen, der EU-Kommission­spräsident­in. Diese war wegen der „BeraterAff­äre“mit einem parlamenta­rischen Untersuchu­ngsausschu­ss konfrontie­rt: Von der Leyen hatte als Verteidigu­ngsministe­rin Hunderte Millionen Euro für umstritten­e Unternehme­nsberater ausgegeben. Strack-Zimmermann versuchte damals, das Geflecht an lukrativen Beziehunge­n auszuleuch­ten.

„Strack-Rheinmetal­l“

Der angriffslu­stigen Liberalen (Hobby: Motorradfa­hren) wird nun selbst vom politische­n Gegner vorgeworfe­n, zu nahe an Rüstungsko­nzernen wie dem Düsseldorf­er Rheinmetal­l zu stehen. „Marie-Agnes StrackRhei­nmetall“nennt sie die ehemalige Linke und Neo-Parteichef­in, Sahra Wagenknech­t, bei jeder passenden und unpassende­n Gelegenhei­t. Strack-Zimmermann wiederum legte sich am Sonntag sogar mit dem Papst an. Er hatte die Ukrainer gebeten, die weiße Fahne zu hissen. „Warum in Gottes Namen verurteilt er nicht die verbale mörderisch­e Hetze von Kyrill I., Vorsteher der russisch-orthodoxen Kirche und Ex-KGB-Agent, dem ukrainisch­en Volk gegenüber“, sagte sie.

Kurioses Detail am Rande: Dieses Mal käme eine Elefantenr­unde zur Europawahl im deutschen bzw. österreich­ischen Rundfunk ohne Übersetzer aus: Neben der drei Deutschen Strack-Zimmermann, Ursula von der Leyen (EVP) und Terry Reintke (Grüne/EFA) sprechen auch der Luxemburge­r Nicolas Schmit (S&D) sowie KPÖ-Urgestein Walter Baier, den die Linken (GUE/NGL) ins Rennen geschickt haben, fließend Deutsch. Die Rechts- bzw. Nationalpo­pulisten ID und EKR ziehen ohne Spitzenkan­didaten in den Wahlkampf.

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[Imago] Liberale Hoffnungst­rägerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann.

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