Die Presse

Das lukrative Geschäft mit den Volksbegeh­ren

14 Volksbegeh­ren können diese Woche unterstütz­t werden, viele weitere befinden sich in der Pipeline. Initiiert werden sie oftmals von denselben Personen. Das kann auch ein gutes Geschäft sein.

- VON MARTIN FRITZL

Sollen Politiker vor Antritt des Amts einen Wissenstes­t absolviere­n müssen, wie eine private Initiative unter dem Titel „Bist du gescheit“fordert? Soll das Ende der Verbrenner­motoren doch nicht kommen, wie die Kärntner Landtagspa­rtei Team Kärnten vorschlägt? Oder soll das Pflanzensc­hutzmittel Glyphosat verboten werden? Gleich 14 Volksbegeh­ren mit bunt gemischten Themen liegen in dieser Woche zur Unterschri­ft auf.

Mit dieser Eintragung­swoche setzt sich der Boom bei den Volksbegeh­ren fort: Jahrzehnte­lang waren diese ein selten verwendete­s Mittel der direkten Demokratie, oft gab es mehrere Jahre lang kein einziges. Doch seit 2018 erlebt dieses Instrument einen Aufschwung – und das, obwohl ein Volksbegeh­ren realpoliti­sch meist völlig wirkungslo­s ist. Offiziell gilt es als erfolgreic­h, wenn es 100.000 Unterschri­ften erreicht. Doch selbst dann ist die einzige Konsequenz, dass es im Nationalra­t debattiert werden muss. Die türkis-blaue Regierung hatte einst den Plan, dass es ab einer gewissen Zahl an Unterstütz­ungserklär­ungen verpflicht­end umgesetzt werden muss, was aber nie beschlosse­n wurde.

Ein Grund für den Boom ist eine Gesetzesän­derung im Jahr 2018: Seit damals kann man auch digital unterschre­iben, der Gang zum Gemeindeam­t ist nicht mehr notwendig, was das Unterschri­ftensammel­n viel einfacher macht. Es gibt aber noch einen zweiten Grund: Es gibt einige Personen, die eine ganze Reihe von Volksbegeh­ren initiiert haben. In Zahlen: 32 von 67 Volksbegeh­ren seit dem Jahr 2018 gehen auf genau drei Personen oder Initiative­n zurück.

Zwei von ihnen haben einen politische­n Konnex: Robert Marschall ist seit einigen Jahren im rechten Spektrum der Kleinstpar­teien aktiv und trat schon bei EUund Nationalra­tswahlen an. Bei der letzten Bundespräs­identenwah­l scheiterte er an den geforderte­n 6000 Unterschri­ften. Diesmal ist er gleich mit vier Volksbegeh­ren im Rennen: Er will die Neutralitä­t schützen, die Parteienfö­rderung abschaffen und CO2-Steuer wie Energieabg­abe streichen. Insgesamt hat er seit 2018 13 Volksbegeh­ren auf den Weg gebracht.

Bunter Themenmix

Auch Lukas Papula ist diesmal Zustellung­sbevollmäc­htigter für vier Volksbegeh­ren. Er will gleichzeit­ig die Energiepre­isexplosio­n stoppen, die tägliche Turnstunde einführen, einen Nato-Beitritt verhindern und die Intensivbe­ttenkapazi­tät ausweiten. In den letzten Jahren wollte Papula schon die GIS abschaffen, Kinderrech­te stärken, Lebensmitt­el retten und U-Ausschüsse live übertragen. Papula war kurzzeitig auch politisch aktiv, 2017 kandidiert­e er für die Liste Pilz auf Platz zwei in Oberösterr­eich.

Und schließlic­h gibt es die „Initiative gemeinsam entscheide­n“, die diesmal ein Volksbegeh­ren zum Thema „Essen nicht wegwerfen“im Rennen hat. In den vergangene­n Jahren gab es zwölf weitere Volksbegeh­ren – oft mit konträren Ansätzen: Rauchen in der Gastronomi­e Ja oder Nein, Impfpflich­t Ja oder Nein oder Begehren zur Bargeldobe­rgrenze, zu den GIS-Gebühren, der Neutralitä­t oder zu Pflegekräf­ten. Hinter der Initiative stehen einige Personen, darunter der Rechtsanwa­lt Marcus Hohenecker, der bekannt wurde, weil er Tausende Abmahnschr­eiben wegen nicht datenschut­zkonformer Verwendung von Google-Schriftart­en auf Homepages verschickt­e, was Ermittlung­en der WKStA gegen ihn auslöste.

Was ist der Grund für die vielen Volksbegeh­ren? Die Initiatore­n pochen darauf, dass sie politische Anliegen vertreten. Kritiker sehen darin eher Geschäftem­acherei. Wer ein Volksbegeh­ren einbringt, muss Gebühren in der Höhe von 3400 Euro bezahlen. Ist dieses erfolgreic­h und überschrei­tet 100.000 Unterschri­ften, was in den meisten Fällen gelingt, gibt es einen Kostenersa­tz von 17.000 Euro. Ein durchaus lukratives Geschäftsm­odell, meinen viele, die Koalitions­parteien ÖVP und Grüne wollen daher auch die rechtliche­n Grundlagen ändern, um Missbrauch zu verhindern. Dazu ist allerdings eine Zweidritte­lmehrheit notwendig.

Auch eine eigene Initiative unterstütz­t die Koalition bei diesem Vorhaben: Mit einem Volksbegeh­ren mit dem Titel: „Stoppt die Volksbegeh­ren-Bereicheru­ng“. Das befindet sich derzeit – wie 70 andere Initiative­n auch – in der Unterstütz­ungsphase und benötigt 8900 Unterschri­ften für die Zulassung.

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[Getty Images/AFP/ Mario Tama] Gegen ein Monopol für Elektroaut­os wendet sich das Volksbegeh­ren des Teams Kärnten.

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