„Österreich ist nicht gefeit gegen neue Anschläge“
Nachrichtendienst-Chef Omar Haijawi-Pirchner fordert weitere Überwachungsbefugnisse für Behörde. Die Radikalisierung an den Schulen nehme zu, da die Schüler Propaganda von zu Hause mitbringen würden.
Bei einem Präventionsgipfel wird seit Montag in Wien über aktuelle Herausforderungen durch islamistischen Extremismus und Terrorismus beraten. Insbesondere die Folgen des Terrorangriffs der Hamas auf Israel am 7. Oktober stehen dabei im Fokus. Der Nahostkonflikt habe weitreichende Folgen für die Radikalisierung in Europa und Österreich, sagte Omar Haijawi-Pirchner, Leiter der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN), bei der Eröffnung des Gipfels. Wie Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) drängte er auf Möglichkeiten zur Überwachung von Messengerdiensten.
„Die DSN funktioniert“, sagte Karner und verwies auf mehrere Ermittlungen wegen Terrorismusverdachts im vergangenen Jahr. Nötig seien aber „zeitgemäße Ermittlungsmethoden nach internationalen Standards“, forderte der Innenminister. Derzeit können der Inlandsnachrichtendienst und die Polizei auf richterliche Anordnung nur Telefonate und den SMS-Verkehr überwachen, nicht aber Messenger-Dienste
wie WhatsApp, Signal oder Telegram. „Wir wollen nicht die Massen überwachen, wir wollen, ja wir müssen den Terror bekämpfen und das geht nur, wenn wir auf Augenhöhe mit den Terroristen arbeiten“, sagte Karner.
In dieser Legislaturperiode dürften die Ermittlungsbefugnisse der Nachrichtendienste jedoch nicht ausgeweitet werden. Die Grünen haben der Forderung bereits mehrfach eine Absage erteilt.
Propaganda im Internet
Terrororganisationen wie der Islamische Staat, al-Qaida oder die Hamas würden „die Gunst der Stunde nutzen“, um zum Krieg gegen den Westen aufzurufen, sagte DSNChef Haijawi-Pirchner. Das Gefahrenszenario für die EU und Österreich erweitere sich dadurch massiv. „Auch in Österreich sind wir nicht dagegen gefeit, wieder einen terroristischen Anschlag zu erleben“, warnte er. Große Bedeutung hätten der afghanische IS-Ableger Provinz Khorasan (ISPK), aber auch die Hamas, die beispielsweise bereits in Deutschland zu Anschlägen aufgerufen habe.
Die Terrorgruppen würden die sozialen Medien nutzen, um Desinformation und Propaganda zu verbreiten, sagte Haijawi-Pirchner. Jugendliche seien dabei als Zielgruppe besonders leicht beeinflussbar. Auch die Radikalisierung an den Schulen nehme zu, weil die Schüler Propaganda aus dem Internet oder von zu Hause mitbringen würden, meinte der Nachrichtendienst-Chef.
Die jüngere Generation sei die erste, die ganz maßgeblich von den sozialen Medien bestimmt sei, sagte der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Franz Ruf. Die zahlreichen Falschnachrichten, gefälschte Videos und Online-Propaganda im Internet würden daher zu einer weitreichenden Ideologisierung und Radikalisierung eines immer jüngeren Publikums führen.
Eine weitere Herausforderung sind DSN-Chef Haijawi-Pirchner zufolge die Hochrisikogefährder, bedeutsam seien auch psychische Auffälligkeiten bei diesen. Als Bedrohung
für Österreich bezeichnete er auch die schlechten Zustände in den Gefangenenlagern in Syrien, in denen IS-Anhänger festgehalten werden. Die Insassen seien kampferprobt und daher besonders gefährlich.
„Hochdisruptives Ereignis“
Der deutsche Geheimdienstexperte und frühere Agent des deutschen Bundesnachrichtendienstes Gerhard Conrad wollte in seinem Impulsvortrag den 7. Oktober nicht als „Zäsur“bezeichnen, dafür sei es noch zu früh. Jedoch könne man von einem „hochdisruptiven Ereignis“sprechen, dessen Folgen noch nicht abschätzbar seien.
Die am Montag eröffnete Präventionskonferenz dauert zwei Tage. Experten und Organisationen beraten im Novotel am Wiener Hauptbahnhof über die Herausforderung durch die Radikalisierung seit dem 7. Oktober 2023. Im vergangenen Jahr hatte sich der Präventionsgipfel dem Thema Fake News gewidmet. (APA/dab)