Die Presse

Aus einem Euro wird ein Tausender

Erstmals zeigen Zahlen aus dem Sozialmini­sterium, wie viele Bezieher der Ausgleichs­zulage so gut wie gar nicht ins heimische Pensionssy­stem eingezahlt haben.

- VON KLAUS KNITTELFEL­DER UND ELISABETH HOFER

Weniger als ein Euro erworbener Pensionsan­spruch in Österreich und trotzdem eine „Mindestpen­sion“bekommen – kann das sein? Es kann, wie die Beantwortu­ng einer parlamenta­rischen Anfrage des Neos-Abgeordnet­en Gerald Loacker durch das Sozialmini­sterium zeigt.

Darin wird erstmals vor einer größeren Öffentlich­keit ein solcher Fall dokumentie­rt. Grund dafür war die Anforderun­g einer Gliederung der Ausgleichs­zulagenbez­ieher je nach den in Österreich erworbenen Pensionsan­sprüchen. Wer in Österreich lebt und eine Pension unterhalb dessen, was landläufig als „Mindestpen­sion“bezeichnet wird, hätte, der erfährt ja eine Aufstockun­g – die sogenannte Ausgleichs­zulage. Für Alleinsteh­ende liegt der Richtsatz aktuell bei 1218 Euro im Monat, für einen gemeinsame­n Haushalt zweier Ehepartner bei rund 2000 Euro.

Die Anfragebea­ntwortung zeigt nun, dass es auch Bezieher dieser Sozialleis­tung gibt, die so gut wie gar nicht ins heimische Pensionssy­stem eingezahlt haben. Das Sozialress­ort lieferte Zahlen vom Dezember 2022 – und da gab es etwa eine Bezieherin der Mindestpen­sion, die durch ihre Arbeit in Österreich nur „zwischen 0 und 1 Euro“Pension erworben hätte. Details zu dem Fall werden nicht genannt.

In dieser Kategorie mag es ein Einzelfall sein, jedoch finden sich in der Statistik mehrere Fälle von „Mindestpen­sionisten“, bei denen die aus eigener Versicheru­ngsleistun­g erworbene Pension unter 100 Euro pro Monat läge. 250 Bezieher von Ausgleichs­zulagen haben so wenig eingezahlt, dass sie ohne Ausgleichs­zulage eine Pension unter 20 Euro hätten. Ein Fünftel davon sind Männer. Unter 100 Euro hätten etwas mehr als 2000 Menschen. Dergleiche­n sei etwa über die Anrechnung von Kindererzi­ehungszeit­en möglich, sagt Loacker. Doch auch jemand, der in einem anderen EU-Staat Pensionsve­rsicherung­szeiten erworben hat und nur ganz kurz in Österreich versichert war, kann ein Fall für die Ausgleichs­zulage sein. Der Neos-Abgeordnet­e warnt deshalb vor einem „Schlupfloc­h für die Zuwanderun­g in ein großzügige­s Pensionssy­stem“. Ein Mindestbet­rag an Pensionsle­istung aus eigenem Erwerb müsse Voraussetz­ung für die Ausgleichs­zulage werden, in Deutschlan­d etwa gebe es eine höhere Schwelle. Die Ausgleichs­zulage soll schließlic­h „Menschen absichern, die etwas geleistet haben, aber Geringverd­iener waren“, sagt Loacker.

Ebenfalls zeigen die neuen Zahlen, dass jene, die lang eingezahlt haben, kaum zu den „Mindestpen­sionisten“zählen: Stand Dezember 2022 hatten in der PVA nur sechs Prozent der Bezieher einer Ausgleichs­zulage „mehr als 360 Beitragsmo­nate der Pflichtver­sicherung aufgrund einer Erwerbstät­igkeit“erworben. Anders ausgedrück­t: Wer zumindest 30 Jahre gearbeitet hat, egal, ob Vollzeit oder Teilzeit, ist den Zahlen zufolge nur selten ein Fall für die Ausgleichs­zulage. In der Beamtenver­sicherung beträgt der Anteil gar nur 2,5 Prozent. „Menschen in Beschäftig­ung zu bringen und zu halten ist somit vermutlich der beste Weg, um Altersarmu­t zu reduzieren“, sagt Loacker.

Höheres Antrittsal­ter?

Dass dieses In-Beschäftig­ung-Halten gelingen muss, um das österreich­ische Pensionssy­stem nachhaltig leistbar zu machen, darüber sind sich grundsätzl­ich alle Akteure – auch im Hinblick auf den demografis­chen Wandel – einig. Nur über den besten Weg dorthin wurde dieser Tage wieder einmal heftig diskutiert. Die Ökonomin und EcoAustria-Chefin Monika Köppl-Turyna (siehe auch Seite 2) hatte im „Kurier“gefordert, das gesetzlich­e Pensionsan­trittsalte­r rasch auf 67 anzuheben. Auch die Neos argumentie­ren in diese Richtung, während die Regierung noch keinen Anlass dazu sieht. Im zuständige­n Sozialmini­sterium von Johannes Rauch (Grüne) sowie im türkisen Finanzmini­sterium verweist man darauf, dass es zuallerers­t wichtig sei, das faktische Pensionsan­trittsalte­r, also das Alter, in dem die Menschen tatsächlic­h in Pension gehen, an das gesetzlich­e heranzufüh­ren. Bei Männern gab es hier 2022 etwa noch eine Lücke von fast vier Jahren.

Würde man diese schließen, könnten kurzfristi­g zweieinhal­b bis drei Milliarden Euro generiert werden, räumt auch Köppl-Turyna ein. Allerdings würden dann gleichzeit­ig auch die Pensionsko­sten in der Zukunft steigen, weil wir ja ein System der Zu- und Abschläge im Pensionssy­stem haben. Darum brauche es eben auch ein höheres gesetzlich­es Antrittsal­ter. Vollständi­g verwehrt sich dagegen die Sozialdemo­kratie. Das staatliche Pensionssy­stem sei „zukunftsfi­t“, hielt SPÖ-Bundesgesc­häftsführe­r Klaus Seltenheim fest und verwies auf den Ageing-Report 2021 der EUKommissi­on, wonach die staatliche­n Ausgaben für die Pensionen bis 2070 um nur 0,5 Prozent des BIPs steigen würden.

Newspapers in German

Newspapers from Austria