Aus einem Euro wird ein Tausender
Erstmals zeigen Zahlen aus dem Sozialministerium, wie viele Bezieher der Ausgleichszulage so gut wie gar nicht ins heimische Pensionssystem eingezahlt haben.
Weniger als ein Euro erworbener Pensionsanspruch in Österreich und trotzdem eine „Mindestpension“bekommen – kann das sein? Es kann, wie die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage des Neos-Abgeordneten Gerald Loacker durch das Sozialministerium zeigt.
Darin wird erstmals vor einer größeren Öffentlichkeit ein solcher Fall dokumentiert. Grund dafür war die Anforderung einer Gliederung der Ausgleichszulagenbezieher je nach den in Österreich erworbenen Pensionsansprüchen. Wer in Österreich lebt und eine Pension unterhalb dessen, was landläufig als „Mindestpension“bezeichnet wird, hätte, der erfährt ja eine Aufstockung – die sogenannte Ausgleichszulage. Für Alleinstehende liegt der Richtsatz aktuell bei 1218 Euro im Monat, für einen gemeinsamen Haushalt zweier Ehepartner bei rund 2000 Euro.
Die Anfragebeantwortung zeigt nun, dass es auch Bezieher dieser Sozialleistung gibt, die so gut wie gar nicht ins heimische Pensionssystem eingezahlt haben. Das Sozialressort lieferte Zahlen vom Dezember 2022 – und da gab es etwa eine Bezieherin der Mindestpension, die durch ihre Arbeit in Österreich nur „zwischen 0 und 1 Euro“Pension erworben hätte. Details zu dem Fall werden nicht genannt.
In dieser Kategorie mag es ein Einzelfall sein, jedoch finden sich in der Statistik mehrere Fälle von „Mindestpensionisten“, bei denen die aus eigener Versicherungsleistung erworbene Pension unter 100 Euro pro Monat läge. 250 Bezieher von Ausgleichszulagen haben so wenig eingezahlt, dass sie ohne Ausgleichszulage eine Pension unter 20 Euro hätten. Ein Fünftel davon sind Männer. Unter 100 Euro hätten etwas mehr als 2000 Menschen. Dergleichen sei etwa über die Anrechnung von Kindererziehungszeiten möglich, sagt Loacker. Doch auch jemand, der in einem anderen EU-Staat Pensionsversicherungszeiten erworben hat und nur ganz kurz in Österreich versichert war, kann ein Fall für die Ausgleichszulage sein. Der Neos-Abgeordnete warnt deshalb vor einem „Schlupfloch für die Zuwanderung in ein großzügiges Pensionssystem“. Ein Mindestbetrag an Pensionsleistung aus eigenem Erwerb müsse Voraussetzung für die Ausgleichszulage werden, in Deutschland etwa gebe es eine höhere Schwelle. Die Ausgleichszulage soll schließlich „Menschen absichern, die etwas geleistet haben, aber Geringverdiener waren“, sagt Loacker.
Ebenfalls zeigen die neuen Zahlen, dass jene, die lang eingezahlt haben, kaum zu den „Mindestpensionisten“zählen: Stand Dezember 2022 hatten in der PVA nur sechs Prozent der Bezieher einer Ausgleichszulage „mehr als 360 Beitragsmonate der Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbstätigkeit“erworben. Anders ausgedrückt: Wer zumindest 30 Jahre gearbeitet hat, egal, ob Vollzeit oder Teilzeit, ist den Zahlen zufolge nur selten ein Fall für die Ausgleichszulage. In der Beamtenversicherung beträgt der Anteil gar nur 2,5 Prozent. „Menschen in Beschäftigung zu bringen und zu halten ist somit vermutlich der beste Weg, um Altersarmut zu reduzieren“, sagt Loacker.
Höheres Antrittsalter?
Dass dieses In-Beschäftigung-Halten gelingen muss, um das österreichische Pensionssystem nachhaltig leistbar zu machen, darüber sind sich grundsätzlich alle Akteure – auch im Hinblick auf den demografischen Wandel – einig. Nur über den besten Weg dorthin wurde dieser Tage wieder einmal heftig diskutiert. Die Ökonomin und EcoAustria-Chefin Monika Köppl-Turyna (siehe auch Seite 2) hatte im „Kurier“gefordert, das gesetzliche Pensionsantrittsalter rasch auf 67 anzuheben. Auch die Neos argumentieren in diese Richtung, während die Regierung noch keinen Anlass dazu sieht. Im zuständigen Sozialministerium von Johannes Rauch (Grüne) sowie im türkisen Finanzministerium verweist man darauf, dass es zuallererst wichtig sei, das faktische Pensionsantrittsalter, also das Alter, in dem die Menschen tatsächlich in Pension gehen, an das gesetzliche heranzuführen. Bei Männern gab es hier 2022 etwa noch eine Lücke von fast vier Jahren.
Würde man diese schließen, könnten kurzfristig zweieinhalb bis drei Milliarden Euro generiert werden, räumt auch Köppl-Turyna ein. Allerdings würden dann gleichzeitig auch die Pensionskosten in der Zukunft steigen, weil wir ja ein System der Zu- und Abschläge im Pensionssystem haben. Darum brauche es eben auch ein höheres gesetzliches Antrittsalter. Vollständig verwehrt sich dagegen die Sozialdemokratie. Das staatliche Pensionssystem sei „zukunftsfit“, hielt SPÖ-Bundesgeschäftsführer Klaus Seltenheim fest und verwies auf den Ageing-Report 2021 der EUKommission, wonach die staatlichen Ausgaben für die Pensionen bis 2070 um nur 0,5 Prozent des BIPs steigen würden.