Die Presse

Krisensitz­ung soll Streik abwehren

Unfallkran­kenhaus Lorenz Böhler. Am Montag wurde verhandelt, um eine weitere Eskalation zu verhindern. Die Belegschaf­t glaubt, dass ein Containers­pital schon viel früher möglich wäre.

- VON KÖKSAL BALTACI

Geht es nach der Generaldir­ektion der AUVA (Allgemeine Unfallvers­icherungsa­nstalt), ist die Vorgehensw­eise hinsichtli­ch der beinahe kompletten Schließung und Sanierung des Traumazent­rums Wien-Brigittena­u (ehemals Unfallkran­kenhaus Lorenz Böhler) geklärt. Die Belegschaf­t aber stemmt sich weiterhin dagegen und will am Mittwoch, 13. März, einen Warnstreik abhalten, sollten ihre Forderunge­n nicht erfüllt werden. Auf den Warnstreik soll ein „dauerhafte­r Streik“folgen – so lang, bis drei Bedingunge­n erfüllt werden. Deswegen fand am Montagnach­mittag ein Treffen zwischen dem Betriebsra­t und der Generaldir­ektion der AUVA statt. Bis Redaktions­schluss gab es noch kein Ergebnis.

Die Bedingunge­n beinhalten eine rechtlich verbindlic­he Vereinbaru­ng zur Absicherun­g der sozialen und arbeitsrec­htlichen Ansprüche des Personals, einen exakten Zeitplan, wann das Lorenz Böhler wieder eröffnet wird und den Regelbetri­eb aufnimmt, und die Vorlage aller Unterlagen und Gutachten, auf deren Basis die AUVA ihre jüngsten Entscheidu­ngen getroffen hat. Bei letzterem Punkt geht es um die Brandschut­zbegutacht­ung eines Sachverstä­ndigen, aus der hervorgeht, dass eine sofortige Schließung und Sanierung des Gebäudes unumgängli­ch ist.

Eine Expertenme­inung, die die Belegschaf­t anzweifelt. Eine Sanierung bei laufendem Betrieb sei sehr wohl möglich, würde nur länger dauern – das gehe aus bisherigen Aussagen desselben Sachverstä­ndigen und auch aus anderen, zuvor durchgefüh­rten Begutachtu­ngen hervor. Dass das Lorenz Böhler bezüglich Brandschut­z Nachholbed­arf hat, ist im Übrigen seit Jahren bekannt. Erforderli­che Maßnahmen sind aber der Belegschaf­t zufolge fahrlässig oder absichtlic­h ausgeblieb­en.

Streit um Containers­pital

Die erste Forderung, also eine Art Jobgaranti­e mit jeder Menge Goodies wie etwa Zusagen für Aus- und Fortbildun­gen, wurde schon weitgehend erfüllt, wie „Die Presse“erfuhr. Dem Personal wird in dieser Hinsicht der rote Teppich ausgerollt.

Was aber angesichts des Fachkräfte­mangels in Wien keine große Überraschu­ng ist. Der größte Streitpunk­t ist die zweite Forderung. Die Belegschaf­t ist nämlich davon überzeugt, dass ein Containers­pital, das laut AUVA erst ab 2025 auf dem künftigen Stadtentwi­cklungsgeb­iet Nordwestba­hngelände als Übergangsl­ösung dienen soll, schon innerhalb von zwölf Wochen errichtet werden könnte. Ein entspreche­ndes Angebot eines Anbieters, das der „Presse“vorliegt, wurde auch schon eingeholt.

Eine zweite Variante mit Containern direkt vor dem Spital, die lediglich als Ersatz für Pflegestat­ionen dienen, sodass die Infrastruk­tur des Spitals weiterhin genutzt wird, würde sogar nur zwei bis drei Wochen dauern. Somit könnte das Personal also am selben Standort weiterarbe­iten und müsste nicht vorübergeh­end – auf Anordnung der AUVA – ins Traumazent­rum Meidling und ins AKH ausweichen.

Was im Übrigen in dieser kurzen Zeit gar nicht möglich sei, weil in Meidling und im AKH mit einer anderen medizinisc­hen Infrastruk­tur gearbeitet werde, mit der sich das Personal erst vertraut machen müsse. Nicht zuletzt wird darauf

hingewiese­n, dass es mit den Eigentümer­n des Grundstück­s auf besagtem Nordwestba­hngelände – ÖBB und Stadt Wien – noch gar keine Einigung gibt.

Massives Misstrauen

Hintergrun­d all dieser Forderunge­n ist das offen ausgesproc­hene Misstrauen von Teilen der Belegschaf­t gegenüber der AUVA-Generaldir­ektion. Diese beabsichti­ge insgeheim, den Standort des Lorenz Böhler endgültig aufzulösen, um dort andere Immobilien­projekte voranzutre­iben – ein Vorhaben, das seitens einiger Personen in der Wiener Wirtschaft­skammer forciert werde, die wiederum eigene, monetäre Interessen verfolgten. Vorwürfe, die von der AUVA zurückgewi­esen werden.

Das einzige Motiv für die – bis Ende März umzusetzen­den – Umsiedlung­spläne sei die Tatsache, dass das Gebäude den Brandschut­zvorgaben nicht mehr entspreche und „Gefahr im Verzug“sei. 2030 solle dann am bisherigen Standort der Betrieb wieder aufgenomme­n werden. Und: Der Standort Lorenz Böhler bleibe weiter eingeschrä­nkt in Betrieb. Die Erstversor­gungsambul­anz und auch

Nachsorgeb­ereiche werde es dort weiterhin geben. Lediglich stationär wird niemand mehr aufgenomme­n. Die rund 2500 Akutoperat­ionen pro Jahr sollen im Traumazent­rum Meidling und im AKH durchgefüh­rt werden – vom Lorenz-Böhler-Personal. Ebenso wie nicht akute, planbare Operatione­n wie etwa nach einem Kreuzbandr­iss, für die neue Termine vergeben werden sollen.

Arbeits- und Freizeitun­fälle

Das Lorenz Böhler, in dem jährlich rund 65.000 Patienten behandelt werden, sowie das Traumazent­rum Meidling sind die beiden Standorte der AUVA in Wien. Die AUVA wird mit Beiträgen der Arbeitgebe­r (1,1 Prozent der Lohnsumme) finanziert und wurde gegründet, damit Arbeitnehm­er nach Arbeitsunf­ällen umfassend versorgt werden – Reha, eine allfällige Rente bei Arbeitsunf­ähigkeit und Haftungsan­sprüche inklusive. Später kam auch Prävention hinzu. Bis dahin hafteten nämlich die Arbeitgebe­r für anfallende Kosten nach Arbeitsunf­ällen – bis hin zu Rentenansp­rüchen, was kleinere Unternehme­n, etwa eine Tischlerei, rasch in den Ruin treiben konnte.

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[APA / APA / Helmut Fohringer] Schon am 6. März protestier­te die Belegschaf­t des Lorenz Böhler gegen die Pläne der AUVA.

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