Kind abgeseilt? Mutter schweigt und wird bestraft
Eine Mutter versteckte ihre drei Kinder vor dem Jugendamt – und bekam nun bereits die zweite Strafe.
Die Kinder- und Jugendhilfe stand Mitte Februar vor der Tür, um die vierjährige Tochter der 39-jährigen Mutter in Obhut zu nehmen. Doch die Frau weigerte sich, ihr Kind herauszugeben. Stattdessen soll sie das Mädchen mit zusammengeknoteten Leintüchern und einer Schaukel aus dem dritten Stock ihrer Wohnung abgeseilt haben. Unten wartete offenbar ein Komplize, der die Kleine in Empfang nahm. Und mit ihr abtauchte. Diese Aktion trug der Mutter einen Strafprozess ein.
Montagvormittag im Straflandesgericht Wien: Die Mutter, eine auffällig zierliche Frau, wird von zwei Justizwachebeamtinnen aus der U-Haft vorgeführt. Ehe sie den Gerichtssaal betritt, versteckt sich die Gefangene hinter ihrem Anwalt Eduard Salzborn. Ebendieser hat dann im Gerichtssaal eine Überraschung parat : „Die kleine Magdalena
ist heute früh dem Jugendamt übergeben worden.“Dies weist er dem Richter mit einem amtlichen Schreiben nach.
Sie verspreche, von nun an mit den Behörden zusammenzuarbeiten, sagt die Mutter. Vom Richter nach Geburtsort und Beruf befragt, gibt die aus Serbien stammende Angeklagte an, sie habe Bürokauffrau gelernt, lebe aber von der Mindestsicherung. Vorstrafen? „Ich habe sonst nie was getan. Ich habe keinen umgebracht, keine Drogen…“
Blickt man auf die Vorgeschichte der Frau, stößt man auf eine erst wenige Monate alte Vorverurteilung. Wegen desselben Themas: Erst vorigen September bekam die Mutter wegen Kindesentziehung neun Monate Haft auf Bewährung. Dazu muss man wissen: Die Frau hat drei Kinder, außer dem vierjährigen Mädchen noch einen neunjährigen Sohn und eine 14-jährige Tochter. Alle drei sollten ihr abgenommen werden, da das Jugendamt eine Kindeswohlgefährdung sah. Die Mutter vereitelte dies, indem sie ihre Kinder immer wieder „verschwinden“ließ. Letztlich landeten die beiden größeren Kinder aber doch in amtlicher Obhut.
„Kulante“Lösung
„Die haben mir die Kinder weggenommen, die haben mich gezwungen, das zu unterschreiben. Ich habe das nicht unterschrieben, trotzdem haben sie mir meine Kinder weggenommen“, beklagt sich die Frau nun vor dem Richter. Nachdem die beiden größeren Kinder wieder aufgetaucht waren, ging es um die Vierjährige. Diese blieb bis zuletzt verschwunden. Dies erklärt die Mutter so: „Mir hat das Herz wehgetan. Ich konnte sie nicht zurücklassen.“
Der (wiederholten) Kindesentziehung bekennt sich die 39-Jährige nun schuldig. Der Richter: „Und zum Abseilen wollen Sie nichts sagen?“ Dies verneint die Frau. Hierzu sollen noch Zeugen gehört werden. Letztlich entscheidet sich der Prozessleiter für eine kulante Lösung. Er verurteilt die Frau „nur“wegen erneuter Kindesentziehung: Die – noch nicht rechtskräftige – Strafe: 18 Monate Haft, der größte Teil davon, nämlich 16 Monate, werden bedingt nachgesehen. Den Anklagepunkt „Abseilen“(die Staatsanwaltschaft spricht vom Delikt „Gefährdung der körperlichen Sicherheit“) scheidet das Gericht aus, dazu soll es einen separaten weiteren Prozess geben. Zudem hebt der Richter die U-Haft auf.
Sie werde in Hinkunft nicht mehr gegen das Jugendamt arbeiten, verspricht die Angeklagte. Der Richter erinnert die Frau daran, dass ihr derzeit die Obsorge zur Gänze entzogen ist. Sein eher mildes Urteil begründet er so: „Hätten Sie nicht daran mitgewirkt, dass das Kind zurückkommt, wäre die Strafe strenger ausgefallen.“