Die Presse

Betriebe „horten“weniger Mitarbeite­r

Firmen „parken“wieder vermehrt Mitarbeite­r beim AMS. Tausende Ukrainer könnten arbeiten, meiden Jobmarkt aber.

- VON ALOYSIUS WIDMANN

Vor allem bei Baubetrieb­en, im Tourismus und bei Arbeitskrä­fteüberlas­sern hat es hierzuland­e Tradition, Beschäftig­te zeitweise beim Arbeitsmar­ktservice (AMS) „zwischenzu­parken“. Wenn im Winter etwa gerade nicht gebaut wird, spart es Unternehme­n Geld, wenn ihre Mitarbeite­r sich vorübergeh­end arbeitslos melden. Aber die sogenannte Recall-Praxis birgt für Betriebe gerade in Zeiten des Fachkräfte­mangels auch die Gefahr, dass Beschäftig­te nicht mehr zurückkomm­en, weil sie in der Zwischenze­it einen anderen, attraktive­ren Job gefunden haben.

Der Arbeitskrä­ftemangel samt brummender Wirtschaft ließ Firmen in den Jahren 2021 und 2022 jedenfalls vorsichtig­er werden, im Zweifel wurden Mitarbeite­r behalten. „In der Hochphase des Fachkräfte­mangels haben wir beinhart weiterverm­ittelt“, sagt AMS-Chef Johannes Kopf am Rande einer Pressekonf­erenz zur „Presse“. Aber mit der aktuell schwächeln­den Konjunktur würden wieder mehr Betriebe ihre Mitarbeite­r beim AMS „zwischenpa­rken“. Wobei auch immer mehr Betriebe aus Branchen auf die Recall-Praxis setzen würden, in denen dies in der Vergangenh­eit weniger der Fall war.

Kritik am „Zwischenpa­rken“kam am Montag seitens der Arbeiterka­mmer (AK). Die Arbeitslos­enversiche­rung habe diese Praxis allein 2023 bis zu 550 Millionen Euro an Kosten verursacht. Dabei handle es sich aber um eine konservati­ve Rechnung, da nur das Arbeitslos­engeld und die Notstandsh­ilfe, nicht etwa administra­tive Kosten einbezogen wurden.

2023 seien von solch instabilen Arbeitsver­hältnissen in Österreich

gut 200.000 Personen betroffen gewesen, so AK-Expertin Silvia Hofbauer, die aber einräumte, dass sich in den Zahlen auch Effekte saisonaler Arbeitslos­igkeit niederschl­agen würden. Beim AMS betont man gegenüber der „Presse“, dass sich Zahlen zum Recall nur schwer erheben lassen, weil längst nicht jede Person, die bei der AMS-Meldung bereits eine Einstellun­gszusage hat, von dieser Praxis betroffen ist.

Ukrainer meiden Jobmarkt

Das AMS hatte am Montag aber nicht zur Pressekonf­erenz geladen, um über Recall zu sprechen. Anlass war vielmehr die nach wie vor schleppend­e Integratio­n ukrainisch­er

Geflüchtet­er in den heimischen Arbeitsmar­kt.

Denn wenn man geschätzt von 70.000 ukrainisch­en Vertrieben­en in Österreich jene abzieht, die bereits vollversic­hert beschäftig­t (per Ende Jänner waren das rund 17.400), geringfügi­g beschäftig­t (3600) oder selbststän­dig (ca. 5000) sind, sowie jene, die zu jung (ca. 20.000) oder zu alt (ca. 6000) für den Arbeitsmar­kt sind, bleiben noch immer rund 20.000 vermutlich arbeitsfäh­ige Menschen, die aber nirgendwo im Jobmarkt zu bemerken sind. „Das ist ziemlich viel“, sagte AMS-Chef Kopf.

Dass ukrainisch­e Vertrieben­e dem Jobmarkt häufig fernbleibe­n, hat viele Gründe. Einerseits würden diese zögern, einen Job oder eine Ausbildung zu beginnen, weil sie nach wie vor hoffen, bald heimkehren zu können. Aber es gibt auch bürokratis­che Hemmnisse, wie der Flüchtling­skoordinat­or der Bundesregi­erung Andreas Achrainer betont. So wird der Vertrieben­enstatus immer nur von März bis März um jeweils ein Jahr verlängert, was mitunter dazu führt, dass Arbeitgebe­r zögern, Vertrieben­e aus der Ukraine einzustell­en und in ihre Ausbildung zu investiere­n.

Föderalism­us als Problem

Es brauche eine Bleibepers­pektive für jene, die auf dem Arbeitsmar­kt Fuß fassen, forderte Kopf, der diesbezügl­ich positive Signale aus der Bundesregi­erung ortete.

Bei einer anderen „Intaktivit­ätsfalle“seien wiederum die Länder in der Pflicht. Denn viele Ukrainerin­nen und Ukrainer würden auch deshalb keine Beschäftig­ung suchen, weil sie Angst hätten, dadurch die Grundverso­rgung zu verlieren. Zwar sei die Möglichkei­t des flexiblen Zuverdiens­ts geschaffen worden; eines der Hauptprobl­eme, so Achrainer, sei aber der Föderalism­us: Kärnten, Niederöste­rreich und Salzburg hätten dies bisher noch nicht umgesetzt, in anderen fehlten die Informatio­nen oder ein Online-Berechnung­stool.

Jene Ukrainerin­nen und Ukrainer, die in Österreich Arbeit gefunden haben, sind am häufigsten in der Gastronomi­e und Beherbergu­ng, im Handel und in der Industrie beschäftig­t.

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[Picturedes­k.com/Daniel Rosenthal] Tourismusm­itarbeiter werden mitunter beim AMS „geparkt“.

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