Goldpreis kratzt an 2000-Euro-Grenze
Aussicht auf Zinssenkungen, geopolitische Unsicherheit und Nachfrage aus Schwellenländern treiben den Goldpreis.
Wien. Der Goldpreis klettert dieser Tage fast täglich auf ein neues Rekordhoch. Am Montag waren es zeitweise 2188 Dollar oder 1999 Euro pro Feinunze (31,1 Gramm). Doch anders als im Jahr 2011, als der Goldpreis nach jahrzehntelangem Durchhänger erstmals an der 1900-Dollar-Marke kratzte und unter den Anlegern Euphorie ausbrach, scheint der Rekordlauf des glänzenden Edelmetalls diesmal keinen zu interessieren. „Aus Sentiment-Sicht habe ich noch nie ein so langweiliges, ruhiges Gold-Allzeithoch erlebt“, stellt Ronald Stöferle, Goldexperte bei der liechtensteinischen Fondsgesellschaft Incrementum, fest. Und das sei grundsätzlich ein gutes Zeichen.
Ein Faktor, der den Goldpreis in die Höhe treibt, ist die Aussicht auf Zinssenkungen. Niedrige Zinsen machen Gold, das keine Zinsen abwirft, relativ zu anderen Investments attraktiver. Stöferle findet es aber bemerkenswert, wie gut sich der Goldpreis während der Zinserhöhungen in den vergangenen beiden Jahren gehalten habe und wie wenig ihm die im Vorjahr gestiegenen Realzinsen (steigende Zinsen bei sinkender Inflation) geschadet haben.
„Gold erschnüffelt Krisen“
Auch die Tatsache, dass man zu Jahresbeginn noch mit wesentlich mehr Zinssenkungen gerechnet hat als jetzt, konnte den Goldpreis heuer nicht stoppen. „Es ist spannend und ermutigend, wie resilient Gold ist.“Der Grund sei wohl, dass Gold bereits die zukünftigen Krisen erschnüffle, meint Stöferle. Möglicherweise komme eine Rezession, ziemlich sicher werde es immer wieder Inflationswellen geben, sodass die Realzinsen in den nächsten Jahren (trotz höherer Zinsen) niedrig bleiben werden. Dennoch findet er es selbst ein wenig überraschend, wie stark Gold gerade derzeit steige.
Auch auf die geopolitischen Krisen reagiere Gold sensitiv, und derzeit gebe es viele – im Nahen Osten,
in der Ukraine und anderswo. Zudem gebe es den Trend einer Entdollarisierung: Vor allem Schwellenländer suchten nach Alternativen zum US-Dollar als Leitwährung – und würden bei Gold fündig.
Nicht umsonst komme die Goldnachfrage derzeit vor allem von Notenbanken aus Schwellenländern. Zuletzt hätten China und die Türkei stark nachgekauft. Die Schwellenländer hätten diesbezüglich großen Nachholbedarf. Während westliche Notenbanken 19 Prozent ihrer Reserven in Gold halten, sind es in Schwellenländern erst zwei Prozent. Zum Vergleich: Auf den größten Goldreserven sitzen derzeit die USA (mehr als 8000 Tonnen), Deutschland (etwa 3300 Tonnen) und der Internationale Währungsfonds IWF (knapp 3000 Tonnen). China bringt es auf knapp über 2000 Tonnen.
Konkurrent Bitcoin?
Die Investoren würden sich derzeit mit Goldinvestments merklich zurückhalten, stellt Stöferle fest. Zuletzt habe es aus Goldfonds sogar Abflüsse gegeben. Lediglich chinesische Investoren kauften, um sich gegen die Krise auf dem dor
tigen Immobilienmarkt abzusichern. Ist Bitcoin schuld? Nein, meint Stöferle, der für Incrementum einen Gold-Bitcoin-Fonds verwaltet. Bitcoin ziehe wohl die mediale Aufmerksamkeit von Gold ab, da es neuer und volatiler sei. Doch Umschichtungen von Goldzu Bitcoinfonds gebe es kaum.
Die in den USA im Jänner erstmals zugelassenen Bitcoin-ETFs hätten kürzlich allerdings die Silber-ETFs beim Volumen überholt. Gold und Bitcoin könnten durchaus koexistieren. Das Spielfeld für „Sound money“(gesundes Geld) sei noch groß genug für beide. In Zukunft, wenn Bitcoin erwachsen werde, könnte sich das freilich ändern, Bitcoin könnte dann ein echter Konkurrent von Gold werden.
Beide Vermögenswerte sind knapp, ohne dass eine Zentralinstanz für Knappheit sorgen müsste, und beide können nicht beliebig vermehrt oder verändert werden. Von Bitcoin kann es nie mehr als 21 Millionen Stück geben, 19,6 Millionen davon sind bereits vorhanden, der Rest wird sukzessive bis zum Jahr 2140 dazukommen. Bei Gold schätzt man, dass im Laufe der Menschheitsgeschichte mehr als 200.000 Tonnen aus der Erde geholt wurden. Jährlich kommen etwa 3000 bis 4000 neu dazu.
Inflationsbereinigt hat der Goldpreis seinen Rekord aus dem Jahr 1980 noch nicht wieder erreicht. Damals war er in kürzester Zeit auf 850 Dollar hochgeschnellt und dann wieder zurückgefallen. Jahrzehntelang war er kaum vom Fleck gekommen, erst kurz vor der Finanzkrise sollte er dieses alte Rekordhoch erstmals wieder nominell überspringen. Um diese Vorgabe aus dem Jahr 1980 auch real wieder einzustellen, müsste der Goldpreis auf 2500 Dollar je Feinunze steigen. Stöferle hält das in nächster Zeit für durchaus realistisch. Ende der Dekade sollte der Goldpreis seiner Ansicht nach auf 4800 Dollar geklettert sein.
„Wellen der Inflation“
„Wir müssen uns auf eine Zeit hoher Inflationsvolatilität einstellen“, sagt Stöferle. Die Deglobalisierung, die „Greenflation“(Kostensteigerungen durch die Energiewende) und geld- und fiskalpolitische Stimuli durch Staaten und Notenbanken würden die Inflation immer neu anheizen. „Zehn Prozent Gold im Portfolio sind daher eine gute Beimischung“, meint der Experte.