Die Presse

Lassen wir die Xmas-Lichter weg!

Warum weder „Happy Ramadan“Schriftzüg­e noch „Happy Xmas“-Lichter etwas mit unserer Leitkultur zu tun haben.

- VON MARTIN KOLOZS Martin Kolozs (*1978) ist Autor und katholisch­er Publizist, lebt in Wien; Web: www.martinkolo­zs.at

Es ist kein abwegiger Gedanke, die gesellscha­ftlichen Bande durch kleinere oder größere Zeichen der Akzeptanz und des Verständni­sses füreinande­r und die jeweiligen Traditione­n zu stärken; jeder Teil der Gesellscha­ft – und wir leben, ob wir es wollen oder nicht, in einer multikultu­rellen Gesellscha­ft – wünscht sich wahrgenomm­en und als unverzicht­bar wertgeschä­tzt zu werden, mit seinen teils vertrauten, teils befremdlic­hen Gepflogenh­eiten. Das mag auf Zustimmung, Ablehnung oder Ignoranz stoßen; Faktum ist: Als Gesellscha­ft müssen wir uns immer wieder die Frage stellen bzw. gefallen lassen: Was gehört zu uns; soll zugehörig werden?

Persönlich halte ich es mit dem schottisch­en Sprichwort: „Wer alle Tage feiert, fragt nicht nach dem Sonntag!“Aber ich verstehe, dass wahrschein­lich ein Großteil der Menschen das heute anders sieht und es daher auch immer wieder zu Forderunge­n kommt, diese oder jede Feiertage diverser Gruppen, Religionsg­emeinschaf­ten usw. in die Alltagskul­tur zu integriere­n und sichtbar zu machen.

Dieser Überzeugun­g dürfte 2023 auch London gewesen sein, als die Hauptstadt Englands erstmals eine Ramadan-Beleuchtun­g am Piccadilly Circus anbrachte: „Happy Ramadan“stand dort in blinkender Schrift zu lesen, begleitet von funkelnden Halbmonden und sonstigem Lichterkit­sch, der die Straßen schmückte.

Kaum ein Jahr später entschiede­n sich auch die deutschen Städte Frankfurt am Main und Köln für eine Festtagsbe­leuchtung zum muslimisch­en Fastenmona­t, der 2024 vom 10. März bis zum 9. April dauert; im Sinne einer niederschw­elligen Willkommen­skultur und zum Zeichen der unbedingte­n Akzeptanz vom Fremden im eigenen Land.

In dasselbe Horn stieß nun auch die Kleinparte­i SÖZ im zehnten Wiener Gemeindebe­zirk, als sie eine Ramadan-Beleuchtun­g für Favoriten ins Gespräch brachte, woraufhin allerdings eine hitzige (vielleicht so nicht erwartete) Diskussion über Leitkultur, Parallelge­sellschaft­en und Integratio­n losbrach.

Vergessen wir für den Augenblick, dass Favoriten allgemeinh­in als Brennpunkt­bezirk gilt, und schieben wir einstweile­n beiseite, dass die hiesige Bevölkerun­g wohl andere Probleme hat, als sich mit Fragen nach dem Lichtersch­muck auf ihren Straßen zu befassen, und wenden wir uns stattdesse­n den Reaktionen auf diesen Vorschlag zu: Einerseits wurde er selbstvers­tändlich begrüßt, wie von der Sprecherin der Islamische­n Glaubensge­meinschaft Österreich­s, Valerie Mussa, die darin ein „Zeichen für ein friedliche­s Miteinande­r“sieht.

Anderersei­ts wurde das Begehren nach Sichtbarma­chung des muslimisch­en Fastenmona­ts im Wiener Straßenbil­d sofort von ÖVP-Integratio­nsminister­in Susanne Raab und Wiens ÖVP-Chef, Karl Mahrer, abgelehnt; beide meinten: „Es braucht ein klares Leitbild für konsequent­e Integratio­n mit der Pflicht zur Anpassung.“

Ruhe und Fasten im Advent

Meinerseit­s kann ich beiden Argumenten etwas abgewinnen, möchte an dieser Stelle jedoch einen dritten Lösungsweg vorschlage­n: Anstatt eine „Happy Ramadan“-Beleuchtun­g zusätzlich anzubringe­n, lasst uns (zum Ausgleich) auf die alljährlic­he „Happy Xmas“-Beleuchtun­g verzichten. Denn weder das eine noch das andere hat mit unserer Leitkultur zu tun: Die muslimisch­e Tradition hat zwar Platz in unserer Gesellscha­ft, ist aber deshalb kein Teil unserer Kultur. Gleiches gilt für den konsumorie­ntierten Xmas-Wahnsinn in der Adventzeit, die in ihrem christlich­en Ursprung – und hierin wurzelt unsere Leitkultur tatsächlic­h – auf Ruhe und Fasten (!) setzt. Kurz: Weniger ist mehr; und wir fasten schließlic­h auch mit den Augen.

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