Die Presse

Angst vor Kreml-Einfluss bei Wahl

Die Wahlen in Österreich könnten von Desinforma­tionskampa­gnen begleitet werden. Russland dienen sie möglicherw­eise als Testballon für Einflussna­hmen auf die US-Wahl.

- VON DANIEL BISCHOF

Wien. Die Furcht vor Desinforma­tionskampa­gnen schwebt über dem heurigen Superwahlj­ahr. Auch in Österreich, wo im Juni die EU-Wahl stattfinde­t und voraussich­tlich im September der Nationalra­t gewählt wird. Generalmaj­or Peter Vorhofer vom Bundesheer machte bereits Ende Jänner Desinforma­tionskampa­gnen als eines der relevanten Risiken für Österreich­s Sicherheit aus. Es wäre „extrem ungewöhnli­ch“, würden diese Kampagnen im Superwahlj­ahr ausbleiben. Sie seien „zur militärisc­hen Zielerreic­hung heute leider sehr lohnend“, sagte Vorhofer.

Von der „Presse“befragte Fachleute aus dem Staatsappa­rat erklären, es gebe bisher keine gezielten Einflussna­hmen durch andere Staaten oder größere Desinforma­tionskampa­gnen rund um die Wahlen in Österreich. Sie gehen aber davon aus, dass diese bereits vorbereite­t werden, Russland warte nur auf den „richtigen Zeitpunkt“. Gerade im eher russlandfr­eundlichen und antiamerik­anischen Österreich könnten diese Kampagnen Erfolg haben, heißt es. Sie könnten dem Kreml demnach auch als Testballon für Einflussna­hmen auf die US-Präsidente­nwahl im November dienen.

Austausch der Ministerie­n

Österreich will für solche Entwicklun­gen gerüstet sein. Eine interminis­terielle Arbeitsgru­ppe beobachtet und analysiert hierzuland­e die Verbreitun­g von Falschnach­richten. Darin haben sich Beamte, die sich mit Sicherheit­spolitik befassen, und Kommunikat­ionsfachle­ute

aus den verschiede­nen Ministerie­n zusammenge­schlossen. Koordinier­t wird die Gruppe vom Bundeskanz­leramt. Ihr Ziel ist es, vor allem den Austausch unter den Beamten, Ministerie­n und Behörden sicherzust­ellen und zu verbessern.

Wird eine Falschnach­richt stark verbreitet, prüft die Arbeitsgru­ppe auch, ob dazu politisch kommunizie­rt werden sollte. Ein Beispiel: Nach Beginn des Ukraine-Kriegs im Februar 2022 machte die Behauptung die Runde, Österreich bezahle die Gaslieferu­ngen aus Russland mit Rubel und umgehe dadurch die EU-Sanktionen. Daraufhin hielt Bundeskanz­ler Karl Nehammer (ÖVP) auf Twitter fest, dass Österreich seine Rechnungen in Euro bezahle und keine Sanktionen umgehe. In einer anderen zuletzt verbreitet­en Falschmeld­ung hieß es, Österreich­s Politik bereite seine Bevölkerun­g auf einen „Gasnotstan­d“vor, da es seine Abhängigke­it von russischem Gas verringere und seine Energieque­llen diversifiz­iere.

Wer solche Nachrichte­n streut, also ob etwa ein fremder Staat dahinterst­eckt, steht nicht primär im Fokus der Arbeitsgru­ppe. Sie tauscht sich aber, wenn es Anhaltspun­kte gibt, mit den Sicherheit­sbehörden dazu aus.

Influencer, Bots und Websites

Die Akteure, die Falschnach­richten oder Kreml-Propaganda verbreiten, sind vielfältig. Darunter sind fragwürdig­e Internetse­iten wie „Pravda DE“, das ein Sammelsuri­um aus antiwestli­cher und russischer Kriegsprop­aganda sowie Falschnach­richten ist. Die Seite bietet auch eine eigene Österreich-Rubrik an, ihre Meldungen werden vor allem in TelegramCh­atgruppen geteilt. Täglich veröffentl­icht sie zahlreiche Beiträge, auch wenn die deutsche Übersetzun­g einiger Nachrichte­n schlecht ist.

Laut Experten des französisc­hen Verteidigu­ngsministe­riums ist Pravda DE Teil einer insgesamt 193 Plattforme­n und Websites umfassende­n russischen Desinforma­tionskampa­gne. Derzeit dürfte Pravda DE noch eine überschaub­are Reichweite haben, das Potenzial des Portals schätzen die französisc­hen Experten jedoch als sehr hoch ein.

Daneben setzt Russland auf Influencer und Social Bots – Computerpr­ogramme, die automatisi­ert in den sozialen Medien tätig werden. Im Jänner deckte Deutschlan­d eine russische Desinforma­tionskampa­gne auf: Demnach hatten 50.000 solcher Bots auf der Plattform X mehr als eine Millionen Nachrichte­n mit Kreml-Propaganda verbreitet.

Wie Falschnach­richten erkannt werden können, dazu plant die Arbeitsgru­ppe im Bundeskanz­leramt im Vorfeld der EU-Wahl eine Informatio­nskampagne. Darin soll etwa auf Faktenchec­ker-Plattforme­n hingewiese­n werden. Eine solche Plattform stellt der Verein Mimikama zur Verfügung. Er macht für den deutschspr­achigen Raum zurzeit etwa Faktenchec­ks zu Behauptung­en rund um den Ukraine-Krieg und Nahostkonf­likt.

Regionale Kampagnen in Deutschlan­d

Andre Wolf, der Sprecher des Vereins, sieht das neutrale Österreich im Vergleich zum Nato-Staat Deutschlan­d derzeit noch weniger von russischer Desinforma­tion betroffen. Meist seien es für Deutschlan­d konzipiert­e Kampagnen, die über die sozialen Medien nach Österreich gelangen würden.

In Deutschlan­d sei zu bemerken, dass einschlägi­ge Portale gezielt regional Werbeinser­ate schalten, sagt Wolf. Betroffen sei etwa der Raum Hannover gewesen. Dort hat VW ein großes Produktion­swerk. In Falschnach­richten wurde behauptet, dass der Konzern aufgrund der fehlgeleit­eten Politik der deutschen Ampelregie­rung das Werk schließe und die gesamte Produktion ins Ausland verlagere. Derartige regionale Werbekampa­gnen seien bisher in Österreich nicht erkennbar gewesen, sagt Wolf.

Doch könnte sich das allmählich ändern. Die „Kleine Zeitung“berichtete jüngst, dass eine vermutlich russische Desinforma­tionsseite gezielt Werbung im Raum Wien auf der Plattform X schaltet. Im Vorfeld der Wahlen dürfte sich dieser Trend verstärken. Ein Gesprächsp­artner aus dem Staatsappa­rat warnt aber auch davor, zu viel Angst vor solchen Kampagnen zu haben: „In Wahrheit“, sagt er zur „Presse“, „muss das eine gefestigte Demokratie aushalten können.“

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