Angst vor Kreml-Einfluss bei Wahl
Die Wahlen in Österreich könnten von Desinformationskampagnen begleitet werden. Russland dienen sie möglicherweise als Testballon für Einflussnahmen auf die US-Wahl.
Wien. Die Furcht vor Desinformationskampagnen schwebt über dem heurigen Superwahljahr. Auch in Österreich, wo im Juni die EU-Wahl stattfindet und voraussichtlich im September der Nationalrat gewählt wird. Generalmajor Peter Vorhofer vom Bundesheer machte bereits Ende Jänner Desinformationskampagnen als eines der relevanten Risiken für Österreichs Sicherheit aus. Es wäre „extrem ungewöhnlich“, würden diese Kampagnen im Superwahljahr ausbleiben. Sie seien „zur militärischen Zielerreichung heute leider sehr lohnend“, sagte Vorhofer.
Von der „Presse“befragte Fachleute aus dem Staatsapparat erklären, es gebe bisher keine gezielten Einflussnahmen durch andere Staaten oder größere Desinformationskampagnen rund um die Wahlen in Österreich. Sie gehen aber davon aus, dass diese bereits vorbereitet werden, Russland warte nur auf den „richtigen Zeitpunkt“. Gerade im eher russlandfreundlichen und antiamerikanischen Österreich könnten diese Kampagnen Erfolg haben, heißt es. Sie könnten dem Kreml demnach auch als Testballon für Einflussnahmen auf die US-Präsidentenwahl im November dienen.
Austausch der Ministerien
Österreich will für solche Entwicklungen gerüstet sein. Eine interministerielle Arbeitsgruppe beobachtet und analysiert hierzulande die Verbreitung von Falschnachrichten. Darin haben sich Beamte, die sich mit Sicherheitspolitik befassen, und Kommunikationsfachleute
aus den verschiedenen Ministerien zusammengeschlossen. Koordiniert wird die Gruppe vom Bundeskanzleramt. Ihr Ziel ist es, vor allem den Austausch unter den Beamten, Ministerien und Behörden sicherzustellen und zu verbessern.
Wird eine Falschnachricht stark verbreitet, prüft die Arbeitsgruppe auch, ob dazu politisch kommuniziert werden sollte. Ein Beispiel: Nach Beginn des Ukraine-Kriegs im Februar 2022 machte die Behauptung die Runde, Österreich bezahle die Gaslieferungen aus Russland mit Rubel und umgehe dadurch die EU-Sanktionen. Daraufhin hielt Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) auf Twitter fest, dass Österreich seine Rechnungen in Euro bezahle und keine Sanktionen umgehe. In einer anderen zuletzt verbreiteten Falschmeldung hieß es, Österreichs Politik bereite seine Bevölkerung auf einen „Gasnotstand“vor, da es seine Abhängigkeit von russischem Gas verringere und seine Energiequellen diversifiziere.
Wer solche Nachrichten streut, also ob etwa ein fremder Staat dahintersteckt, steht nicht primär im Fokus der Arbeitsgruppe. Sie tauscht sich aber, wenn es Anhaltspunkte gibt, mit den Sicherheitsbehörden dazu aus.
Influencer, Bots und Websites
Die Akteure, die Falschnachrichten oder Kreml-Propaganda verbreiten, sind vielfältig. Darunter sind fragwürdige Internetseiten wie „Pravda DE“, das ein Sammelsurium aus antiwestlicher und russischer Kriegspropaganda sowie Falschnachrichten ist. Die Seite bietet auch eine eigene Österreich-Rubrik an, ihre Meldungen werden vor allem in TelegramChatgruppen geteilt. Täglich veröffentlicht sie zahlreiche Beiträge, auch wenn die deutsche Übersetzung einiger Nachrichten schlecht ist.
Laut Experten des französischen Verteidigungsministeriums ist Pravda DE Teil einer insgesamt 193 Plattformen und Websites umfassenden russischen Desinformationskampagne. Derzeit dürfte Pravda DE noch eine überschaubare Reichweite haben, das Potenzial des Portals schätzen die französischen Experten jedoch als sehr hoch ein.
Daneben setzt Russland auf Influencer und Social Bots – Computerprogramme, die automatisiert in den sozialen Medien tätig werden. Im Jänner deckte Deutschland eine russische Desinformationskampagne auf: Demnach hatten 50.000 solcher Bots auf der Plattform X mehr als eine Millionen Nachrichten mit Kreml-Propaganda verbreitet.
Wie Falschnachrichten erkannt werden können, dazu plant die Arbeitsgruppe im Bundeskanzleramt im Vorfeld der EU-Wahl eine Informationskampagne. Darin soll etwa auf Faktenchecker-Plattformen hingewiesen werden. Eine solche Plattform stellt der Verein Mimikama zur Verfügung. Er macht für den deutschsprachigen Raum zurzeit etwa Faktenchecks zu Behauptungen rund um den Ukraine-Krieg und Nahostkonflikt.
Regionale Kampagnen in Deutschland
Andre Wolf, der Sprecher des Vereins, sieht das neutrale Österreich im Vergleich zum Nato-Staat Deutschland derzeit noch weniger von russischer Desinformation betroffen. Meist seien es für Deutschland konzipierte Kampagnen, die über die sozialen Medien nach Österreich gelangen würden.
In Deutschland sei zu bemerken, dass einschlägige Portale gezielt regional Werbeinserate schalten, sagt Wolf. Betroffen sei etwa der Raum Hannover gewesen. Dort hat VW ein großes Produktionswerk. In Falschnachrichten wurde behauptet, dass der Konzern aufgrund der fehlgeleiteten Politik der deutschen Ampelregierung das Werk schließe und die gesamte Produktion ins Ausland verlagere. Derartige regionale Werbekampagnen seien bisher in Österreich nicht erkennbar gewesen, sagt Wolf.
Doch könnte sich das allmählich ändern. Die „Kleine Zeitung“berichtete jüngst, dass eine vermutlich russische Desinformationsseite gezielt Werbung im Raum Wien auf der Plattform X schaltet. Im Vorfeld der Wahlen dürfte sich dieser Trend verstärken. Ein Gesprächspartner aus dem Staatsapparat warnt aber auch davor, zu viel Angst vor solchen Kampagnen zu haben: „In Wahrheit“, sagt er zur „Presse“, „muss das eine gefestigte Demokratie aushalten können.“